Funny Games U.S. – Eigenlob stinkt?!

29.05.2008 - 13:45 Uhr
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Der österreichische Skandal-Regisseur Haneke hat’s wieder getan. Doch er ist nicht der einzige…

Michael Haneke galt schon seit Beginn seiner Karriere im europäischen Autorenkino als höchst umstrittener Regisseur. Spätestens mit Benny’s Video (1992) betrat er thematisch das Feld der Gewalt im Bürgertum und schockierte den Zuschauer durch unkommentierte Greueltaten. Auch Funny Games erregte 1997 die Gemüter und entzweite die Kritiker. Die einen empfanden den Film als Entlarvung der Sensationslust des Zuschauers, während die anderen gegen die Selbstgerechtigkeit des Regisseurs wetterten. Nun hat Haneke ein Shot-for-Shot-Remake seines Kammerspiels gedreht, dessen Inhalt sich originalgetreu an jede Einstellung hält. Verändert wurde der Cast: Naomi Watts, Tim Roth, Michael Pitt und Brady Corbet übernehmen in der US-amerikanischen Neuauflage die Hauptrollen, die im Original von Ulrich Mühe, Susanne Lothar, Arno Frisch und Frank Giering gespielt wurden.

Funny Games ist ein Shot-for-Shot-Remake seines eigenen Originals.

Funny Games U.S. ist somit das erste komplette Shot-for-Shot-Remake, das vom selben Regisseur verwirklicht wurde. Ob aus diesem Recycling ein hohes Maß an Eigenlob herauszulesen ist? Einzelne Szenen wurden in der Filmgeschichte bereits vom selben Regisseur originalgetreu nachgestellt. Alfred Hitchcock beispielsweise übernahm zwar komplette längere Szenen im Remake Der Mann, der zuviel wusste (1956) aus dem Original von 1934, verstand sein Remake jedoch als Feinschliff seines Thrillers. Cecil B. DeMille, einer der erfolgreichsten Hollywood-Regisseure des 20. Jahrhunderts, drehte 1956 das Remake seines eigenen Monumentalfilms Die zehn Gebote. Was 1923 noch ein Stummfilm gewesen war, katapultierte er dreißig Jahre später mit Charlton Heston zu einem der erfolgreichsten Monumentalfilme aller Zeiten. Michael Mann führte beim Remake seines Fernsehfilms L.A. Takedown, Heat, erneut Regie, besetzte den Cast mit Robert de Niro und Al Pacino und behielt ebenso ganze Szenen bei.

Auf der Gegenseite gab es jedoch auch immer schon diejenigen Regisseure, die sich trotz eines Angebots seitens der Produzenten einem eigenen Remake verweigerten: Alejandro Amenábar zog es beispielsweise 2001 vor, The Others zu drehen und überließ Cameron Crowe die Regie des Remakes von Abre los Ojos.

Selbstsucht, Experimentierfreude oder yet another remake?

Doch wo es im Fall von Psycho noch ein anderer Regisseur war, der den Hitchcock-Thriller Shot-for-Shot verfilmte, begeht Haneke gewissermaßen Neuland, indem er in Funny Games nur Details verändert. Anna und Georg heißen nun Ann und George, fast alle Einstellungen und Dialoge ähneln sich auf frappierende Weise, selbst der Soundtrack wurde beibehalten. Wie penibel Haneke vorgeht, zeigt die Gegenüberstellung zweier Szenen, die er im Remake abwandelt: Während Georg im Original ein Stück isst, nachdem er den Verlust seines Sohnes hinnehmen musste, spuckt George es in Funny Games U.S. angewidert wieder aus. Haneke selbst zu seinem neuesten Coup:

„Als ich in den 90ern über Funny Games nachzudenken begann, hatte ich hauptsächlich das englischsprachige Gewaltkonsumentenpublikum vor Augen. Ich reagierte auf ein bestimmtes Kino, seine Gewalt, seine Naivität, und seinen Zynismus. Da der Film in einer fremden Sprache war und die Schauspieler den Amerikanern unbekannt waren, hat der damalige Film sein Publikum nicht erreicht. Ich denke, das kann sich nun ändern.“

Seitdem Gus van Sant mit dem Shot-for-Shot-Remake von Psycho 1998 zwei Goldene Himbeeren für den schlechtesten Film und die schlechteste Regie gewann, war die Filmbranche eigentlich etwas vorsichtiger im Nachfilmen von Originalen geworden. Nicht ganz zu Unrechtvielleicht, denn in Nordamerika haben die Zuschauer die Neuauflage verweigert. Funny Games U.S. hat dort nur knapp eine Million Dollar eingespielt.

Das Slant-Magazin vergleicht Hanekes destruktive Art mit Luis Buñuel, merkt aber an: „Während Bunuel Funny Games tatsächlich witzig sind, und er mit dem Finger auf alle zeigt, sich selbst eingeschlossen. Hanecke fehlt jede Selbstkritik, er hält sich selbst für besser als sein Publikum und seine Figuren.“

Der New Yorker wirft ihm vor er liefere mit dem Remake keine aktuelle Gesellschaftskritik ab, sondern hinke empfindlich hinter der Realität her.

Die Village Voice schreibt: „Das amerikanische Publikum, dass Haneke hauptsächlich mit dem Remake erreichen will, wird den Film wohl weniger als Kritik am derzeitigen Kino verstehen, sondern eher als Argument dafür auch in Privathaushalten eine Waffe zur Hand zu haben.“

Ob dies Ron Howard (A beautiful Mind, The Da Vinci Code) davon abhalten wird, das Remake von Hanekes Psychothriller Caché 2009 in die Kinos zu bringen?

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