Die Ankläger haben ihre Plädoyers gesprochen. Ein Jahr haben die Zusammenfassungen der Staatsanwälte gedauert und es ist noch kein Ende in Sicht. Denn Peter Jackson hat vorgestern mit Der Hobbit: Smaugs Einöde den zweiten von drei Hobbit-Teilen in die Kinos gebracht. Die Schlussrede des Strafverfahrens Die Fangemeinschaft Tolkiens gegen den Hobbit-Staat dauert mindestens bis Ende 2014 an. Das letzte Wort ist noch lange nicht gesprochen. Doch der unabhängige Richter mit dem Namen Jedem seine Meinung lässt auch den Verteidiger zu Wort kommen. Seine Worte versuchen in den allgemeinen negativen Tiraden, etwas Ruhe reinzubringen. Ich, der ich mich auf dieser Seite befinde, gebe meine Version wieder. Die Frage kann wie folgt lauten: War denn alles wirklich so schlecht? Bevor die Kläger schreien, ein Moment der subjektiven Meinung.
Zwerge, eine gewaltige Festung in einem Berg. Und Gold. Jede Menge Gold. Das Unglück lässt nicht lange auf sich warten und ein Drache brennt alles nieder. Die Zwerge fliehen aus ihrer Heimat, vertrieben, verjagt und ohne Unterstützung. Der Einstieg in Der Hobbit: Eine unerwartete Reise ist gegeben. Danach folgt eine wunderschöne Melodie und wir befinden uns im Auenland. Ich sage mit Absicht, eine wunderschöne Melodie, statt einer bekannten, denn das ist, was es ist. Wir sehen den alten Bilbo (Ian Holm) und Frodo (Elijah Wood). Das Gefühl ist wieder da. Jenes, welches uns 2001 zum ersten Mal auf eine Reise nahm, die wir nicht mehr vergessen sollten. Damals fieberten wir mit den Figuren mit, nahmen Anteil an ihrem Schicksal, bauten emotionale Verbindungen und Sympathien auf und stürzten uns in ein Abenteuer. Der erste Teil der Hobbit-Trilogie – und in dieser Bezeichnung steckt der eigentliche Teufel – sollte für mich selbiges bewirken. Ein Abenteuer, was es sich zu erleben lohnt.
Um vorweg Zugeständnisse zu machen, welche ich seitens der Ankläger kaum höre, erkläre ich die obige Aussage: Aus der Romanvorlage eine Trilogie zu veranstalten, halte ich, wenn es rein um den finanziellen Gewinn durch die Filme geht, für verwerflich. Doch ich habe eher das Gefühl, dass Peter Jackson sich einen kreativen Raum schafft, den er auch zu nutzen weiß. Ich glaube an das Gute in Peter Jackson und behaupte, dass er seine Leidenschaft in den Vordergrund stellt. Dass die Verfilmung der Tolkien’schen Geschichten für ihn eine Herzensangelegenheit ist, kann selbst der härteste Kritiker nicht verleugnen. Dies merke ich ihm an. Ob in Interviews oder Produktionsvideos, er bezieht den Fan mit ein, lässt ihn teilhaben schon bevor der Film erscheint. Wenn sich Peter Jackson nun also denkt, er möchte die Vorlage in drei Werken verfilmen, dann wird er wissen, was er tut. Der erste Teil, Der Hobbit: Eine unerwartete Reise, liefert einen wunderbaren Einstieg. Er trägt das Gefühl der Buchvorlage – ja, ich hab den Hobbit gelesen – und ergänzt es mit passenden, persönlichen Einlagen.
Die Zwerge treffen also bei Bilbo (Martin Freeman) ein. Sie essen, albern und singen. Ja, sie singen! Nicht nur etabliert sich das Lied über die Misty Mountains sofort im Ohr, sondern besitzt der Song völlig zu Recht seine Daseinsberechtigung. Wenn Peter Jackson sämtliche Lieder, die in Der Herr der Ringe gesungen werden, eingebaut hätte, wäre das Geschrei nach einem Mittelerde-Musical groß gewesen. Zudem ist die Darstellung der Zwerge gelungen. Jeder besitzt seine Eigenart und sie sind sympathisch. Bilbos Zweifel sind zu spüren. Und so sehr, wie Bilbo mit dem Abenteuer hadert, habe auch ich es getan. Als er schließlich aufbricht, bin auch ich bereit. Es fühlte sich genau richtig an, dass bis zu diesem Punkt einiges an Zeit vergangen ist. Es macht die Geschichte für mich glaubwürdig, nichts ist übereilt, nur weil die Verantwortlichen den Peitschen der Studios gehorchen.
Peter Jackson liefert mit seiner Hobbit-Eröffnung einen absolut unterhaltsamen Film ab. Das Werk ist spannend, humorvoll und stimmig. Unterscheidungen zum Buch kommen auf, aber bei welcher Literaturverfilmung geschieht das nicht. Der Herr der Ringe war voll davon. Und ich knüpfe an, wovon ich am Anfang sprach: Auch Der Hobbit ist ein Abenteuer, welchem ich mich – vor allem nach der Sichtung des zweiten Teils, Der Hobbit: Smaugs Einöde – nicht mehr entziehen kann. Ich fiebere mit und auch wenn ich die Vorlage kenne und weiß, was passiert, bin ich gespannt. Ich warte auf den Krieg, ich beobachte die Figurenentwicklung und bin fasziniert vom Drachen Smaug. Peter Jackson hat mich in den Bann gezogen. Ich habe kein Wunder erwartet, aber einen tollen Film bekommen. Im Rahmen der scheinbar grenzenlosen Möglichkeiten hat Peter Jackson – und wieder: für mich – herausgeholt, was es zu Tage bringen galt. Er hat nicht zu tief geschürft, wie es einst die Zwerge taten. Er hat keinen Balrog geweckt, denn er hat Tolkiens Vorlage nicht beschmutzt. Im Gegenteil: Er hat ihr ein wunderbares Erbe beschert.