Die schönste Verschwörung des Kinojahres: Der Thriller Konklave führt an einen der geheimnisvollsten Orte überhaupt

22.11.2024 - 09:15 UhrVor 4 Monaten aktualisiert
Konklave startet im KinoLeonine
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Heute startet Konklave im Kino. Doch wer hätte gedacht, dass ausgerechnet die Papstwahl einen so mitreißenden und unvorhersehbaren Thriller abgibt?

Mit Konklave hat der oscarprämierte Regisseur Edward Berger den gleichnamigen Roman von Robert Harris verfilmt. Nach dem Kriegsfilm Im Westen nichts Neues ficht der deutsche Filmemacher hinter den Mauern des Vatikans diesmal allerdings einen etwas anderen Kampf aus: den um das nächste katholische Kirchenoberhaupt. Wer glaubt, dass eine solche Papstwahl wenig Spannung bereithält, sollte sich von dem hakenschlagenden Verschwörungsthriller unbedingt eines Besseren belehren lassen.

Konklave ist spannend von der ersten bis zur 120. Minute

Schon von der ersten Szene an macht der Thriller Konklave seine Gangart klar: Kardinal Lawrence (Ralph Fiennes) eilt auf Roms Straßen Richtung Vatikan – um den Tod des Papstes zu bestätigen und anschließend die mühevolle Wahl eines würdigen Nachfolgers zu leiten. Straffen Schrittes, untermalt von aggressiven Streichern, streben er und der Film einem klaren Ziel zu, während es unter der Oberfläche brodelt. Die auf den ersten Blick unspektakuläre Geschichte älterer Kirchenmänner, die zwei Stunden lang immer wieder ihre Wahlzettel abgeben, bis ein Sieger feststeht, langweilt erstaunlicherweise in keiner Minute.

Natürlich ist Konklave keine Dokumentation, die detailliert in die Geheimnisse der Papstwahl einführt. Genauso wenig gleicht der wendungsreiche Thriller aber der Dan Brown-Verfilmung Illuminati, die das Thema vor 15 Jahren ungleich reißerischer anging. Stattdessen schlägt die Spannung sich hier in kleinen Gesten mit großer Bedeutung nieder: Wenn eine Nonne die Herrengesellschaft mit ihren eigenen Intrigen konfrontiert und die Enthüllung mit einem lakonischen Knicks abschließt, verschafft das enorme Genugtuung. Wenn ein Rivale die Niederlage eines anderen Hoffnungsträgers allein mit seinem selbstgefälligen Blick und dem Zug an der Zigarette kommentiert, schneidet es tief ins Herz.

Auch visuell gestaltet die Papstwahl sich als Augenweide: knallrote Roben vor weißem Marmor, laufende Regenschirm-Muster, gewaltige Gewölbe, in denen der Mensch sich winzig ausnimmt. Edward Bergers Glauben an die Kraft der Bilder ist hier spürbar. Das Gefühl für die Größe dieses Ereignisses stellt sich so von ganz allein ein. Der Vatikan als geheimnisumwitterter Ort, hinter dessen Mauern kaum jemand schauen darf, gepaart mit dem wohl berühmtesten Wahllokal der Welt (aka der Sixtinische Kapelle), entpuppt sich als idealer Handlungsschauplatz für einen Thriller. Es folgt ein Kammerspiel im kleinsten Staat der Erde.

Konklave macht den Zweifel zum Genuss – mit Twists und zwielichtiger Besetzung

Dem Cast von Konklave verdanken wir, dass wir jeder neuen Wendung des Films ergeben folgen. Allen voran Ralph Fiennes' Kardinal, der mit Melancholie und Gravitas glaubhaft mit seinen Zweifeln ringt. Seine Unsicherheit überträgt er geschickt auf das Publikum, egal, ob man selbst nun gläubig ist oder nicht. Ohne zu ahnen, wohin die Handlung und Figuren einen tragen werden, wird der Thriller zum Genuss des Rätselns und Mitfieberns.

Egal wie viele Thriller man schon gesehen hat: Jede Überraschung vorauszusehen ist hier unmöglich und das ist eine Freude. Die zahllosen Wendungen geben dem Thriller seine Atemlosigkeit: Denn im Kopf hetzt man jedem Twist und seinen Konsequenzen aufgeputscht hinterher und steht am Ende trotzdem mit offener Kinnlade da. Selten war es so schön, so ahnungslos mitgezerrt zu werden.

Mit Fiennes als Stellvertreter fragen wir uns, ob der befreundete Kardinal Bellini (Stanley Tucci) der beste Kandidat ist. Oder sollte sein Kardinal Lawrence doch lieber dem möglicherweise ersten afrikanischen Papst Adeyemi (Lucian Msamati) seine Stimme geben, um so den Aufstieg des allzu traditionsbewussten Tedesco (Sergio Castellitto) zu verhindern? Und wie passen Kardinal Tremblay (John Lithgow) und der kurz vor Wahlbeginn auftauchende unbekannte Benitez (Carlos Diehz) ins Bild? Wer die Position zu sehr begehrt, disqualifiziert sich fast schon automatisch für die mächtige "Bürde" des Amtes.

Das punktgenaue und zugleich clevere Casting von Konklave befeuert die Verdächtigungen. Schließlich haben fast alle Stars vorher schon ambivalente Rollen gespielt. Entsprechend könnten die Figuren von Ralph Fiennes (Voldemort in Harry Potter), Stanley Tucci (Serienkiller aus In meinem Himmel), Isabella Rossellini (russische Spionin in Alias - Die Agentin) oder John Lithgow (Trinity-Killer in Dexter) sowohl in die eine als auch in die andere Richtung ausschlagen.

Konklave ist ein politischer Thriller am Puls der Zeit

Gleich zu Beginn der Papstwahl verschanzt der Vatikan sich vollends gegen die Öffentlichkeit. Unbrauchbar gemachte Telefone stapeln sich auf den Gängen und Türen werden versiegelt, damit von außen niemand Einfluss auf die Stimmabgabe nimmt. Filmisch in den Hinterzimmern dieses streng geheimen Prozesses eingeschlossen zu werden, fühlt sich fast verboten an. Sonst können Außenstehende von diesem Ereignis schließlich nur miterleben, dass am Ende weißer Schornstein-Rauch den neuen Papst verkündet. Edward Berger füllt das Mysterium mit einem Grenzgang von Fakt und Fiktion, indem er bekannte Papstwahl-Prozesse in ein leuchtend rotes Thriller-Gewand kleidet.

Ein Bild zu Beginn brennt sich stellvertretend dafür ein, wie eine alte Tradition auf die moderne Welt trifft: Eine Durchleuchtungsmaschine röntgt nebeneinander Rosenkranz und Handy. Diese spannende Reibung setzt sich auch in den Diskussionen zwischen den Wahlgängen fort: Während die liberalen Kardinäle Lockerungen von Verhütung diskutieren oder bei der Akzeptanz von Homosexualität ihre Grenze im Sand ziehen, könnte andere eine größere Rolle der Frau – Gott bewahre! – in der katholischen Kirchen auf keinen Fall akzeptieren.

Bei diesen Streits und Anschuldigungen ist Konklave trotz uralter Rituale am Puls unserer Zeit. In der Gegenwart, in der die (nicht kirchlichen) Wahlen weltweit zu immer größeren Extremen ausschlagen und Fragen zu Identität und Geschlechterrollen an der Tagesordnung sind, fällt es leicht, Parallelen in andere Lebensbereiche zu ziehen. Angezweifelte päpstliche Todesursachen und ans Licht gezerrte, vergangene Fehltritte der Kandidaten mutieren über den Kirchenrahmen hinaus zu einem politischen Schachspiel mit Winkelzügen und Intrigen.

Die allerletzte, genüssliche Wendung in Konklave werden wohl die wenigsten kommen sehen. Sie setzt dem Thriller das Sahnehäubchen auf und rundet den Kinobesuch auf eine Weise ab, die es schafft, zugleich aberwitzig und versöhnlich zu sein. Und was könnte man sich im aktuellen politischen Klima mehr wünschen?

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