Mein Lieblingsstar ist Harrison Ford. Selbstverständlich ist Harrison Ford der beste Schauspieler der Welt und hat ausschließlich gute Filme gedreht – dieser unumstößlichen Überzeugung war ich jedenfalls im Winter 1991, nachdem ich in kurzer Abfolge Krieg der Sterne und Indiana Jones erleben durfte. Danach war alles anders. Ich verstand Harrison Ford und Harrison Ford verstand mich.
Held und Schurke zugleich
Harrison Ford bediente mein Faible für Underdogs, für Helden auf den zweiten Blick. Nicht dem keimfreien Luke Skywalker, sondern dem lakonischen Han Solo, dem Weltraum-Outlaw mit zweifelhafter Moral drückte ich die Daumen im Rennen um die bezaubernde Leia Organa. Und auch Indiana Jones entspricht ganz und gar nicht dem Typus des kugelsicheren, moralisch lupenreinen Helden. Er ist ein sympathischer Trickser, der seinen Gegnern im Kampf auch mal Sand in die Augen wirft, der unehrenhaft zur Pistole greift, wenn sich ein Schwertkämpfer vor ihm aufbaut und der am Ende eines stressigen Tages lautstark über seine Abschürfungen und blauen Flecke jammert. Und all das transportiert er scheinbar nur Kraft seines unnachahmlich schiefen Grinsens und einem Charisma, das den Zuschauer automatisch vereinnahmt.
Der Mensch hinter der Figur
Zudem begann ich zum allerersten Mal, mich für Schauspieler hinter einer Figur zu interessieren. Wer ist dieser Mann? Welche Filme hat er sonst gemacht? Woher stammt seine markante Kinnnarbe? Und irgendwann: Was treibt er so privat? Mit der Ausdauer und Akribie, die selbst Indy stolz gemacht hätte, trug ich Informationen und Trivia zusammen, die heutzutage nur noch einen Wikipedia-Klick entfernt sind. Seine Ranch in Wyoming, seine frühere Karriere als Tischler, Ameisenarten, die nach ihm benannt wurden – jede neue Erkenntnis über meinen Superstar kam der Entdeckung der Grabstätte von Tutenchamun gleich. Ich archivierte wirklich alles, jeden Zeitungsschnipsel, den ich in die Finger bekam, in Zahnarztpraxen riss ich heimlich Seiten aus der „Neuen Post“, schon die Programmankündigungen eines seiner Filme in der „Hörzu“ ließen mich zur Schere greifen. Alles landete anschließend fein säuberlich sortiert in meiner persönlichen Harrison Ford-Mappe. In meiner zunehmend devoten Fanhaltung beeindruckten mich besonders seine ausgeprägte Anti-Hollywood-Attitüde sowie Egal-Haltung gegenüber seinem Superstarstatus – wie passend: Ein unangepasster Querdenker auch im wahren Leben. Auf dem Höhepunkt meiner Obsession entwickelte ich sogar einige wirklich bedenkliche Stalkerfantasien: In einer stellte ich mir vor, wie ich in sein Ranchgelände in Wyoming einsteige, er mich mit einer Indy-Peitsche jagt und schließlich erwischt. Aber statt die Polizei zu rufen lobt er mich, wie schnell und wendig ich sei und wir werden Freunde.
Horizonterweiterung
Abseits solcher bizarren Auswüchse, konzentrierte ich mich auf den Rest seiner Filmografie und die hielt weitere magische Momente. Mit Der einzige Zeuge entdeckte ich meine Begeisterung für emotionale Liebesgeschichten. Wenn John Book und Rachel auf dem Heuschober zu Sam Cookes „Wonderful World“ tanzen, bekomme ich immer wieder Gänsehaut. In Sachen Henry öffnete mir das Herz für Charakterdramen mit Moral, Auf der Flucht, der quasi auf dem Zenit meiner Ford-Begeisterung ins Kino kam, war der mit Abstand schnellste, atemloseste Film, den ich bis dahin gesehen hatte und Aus Mangel an Beweisen ist meine persönliche Mutter aller Mindfuckfilme. Fehlt eigentlich nur noch der unvermeidliche Blade Runner. Der ist mein persönliches Paradebeispiel für die Liebe auf den zweiten Blick. Und die kann bekanntlich viel tiefer gehen. Unsere Tageszeitung faselte etwas von „Kultstatus“ (der entsprechende Artikel landete natürlich in meiner Mappe). Umso enttäuschter war ich nach der ersten Sichtung des Films – langweilig, ohne Witz, geschweige denn Action oder cooler Sprüche. Einen Stimmbruch, viele Pickel und Wagenladungen düsteren Weltschmerz später, erwischte mich Blade Runner deshalb umso heftiger – in der aus Superlativen konstruierten Wahrnehmung eines Pubertierenden, war Blade Runner ohne Zweifel der intelligenteste und tiefgründigste Film überhaupt.
Unfehlbar?
Gute 20 Jahre später liebe ich Harrison Ford dafür, dass er aus mir den Filmfan gemacht hat, der ich noch heute bin. Meine Verehrung hat mich an die Vielfalt des Mediums herangeführt und schon deshalb wird er immer einen festen Platz in meinem Filmherzen haben. Der absoluten und bedingungslosen Hingabe ist mittlerweile allerdings eher Bewunderung und Respekt gewichen. Er ist die erste Liebe, die man nie vergisst, aber natürlich nicht der unfehlbare Filmgott, den ich mir Anfang der 1990er zurechtfantasiert habe. Die beste Szene aus Fanboys bringt das wunderbar auf den Punkt: Youtube-Link
Wenn dir dieser Text gefällt, dann vergebe dein moviepilot-Herz unter dem Artikel. Wir zählen am Ende der Aktion Lieblingsstar die Likes zusammen. Wir veröffentlichen den Text anonym, um die Chancengleichheit zu gewährleisten.
-
Hier präsentieren wir euch die Preise, die ihr gewinnen könnt und möchten uns damit auch bei all unseren Sponsoren und Medienpartnern bedanken, die sie gestiftet haben: