Ich, Der schwarze Falke & der bärbeißige Duke

25.02.2012 - 16:50 UhrVor 13 Jahren aktualisiert
Mein Herz für Klassiker: Der schwarze Falke
Warner Bros./moviepilot
Mein Herz für Klassiker: Der schwarze Falke
11
14
Die schönsten Aufnahmen des Monument Valley, eine überwiegend visuell erzählte Story und der Duke als komplexester Held der Westernhistorie machen Der schwarze Falke zu meiner liebsten klassischen Pferdeoper. Dafür schenke ich ihm mein Herz für Klassiker.

Die Leinwand ist schwarz. Eine Tür in der Mitte des Bildes wird von einer Frau geöffnet, die durch das ins Innere des Hauses hineinströmende Licht als Silhouette erkennbar wird. Hinter der Tür liegt die weite Prärie, eingefasst von dem schwarzen Türrahmen. Die Frau tritt unter anschwellender Musik hinaus auf die Veranda, die Kamera folgt ihr ins Freie. Nun nimmt die Prärie die gesamte Leinwand ein und inmitten des Panoramas thronen die Gebirgsformationen des Monument Valley. Ein Gegenschuss verrät das Antlitz der Frau. Die Beschwerden des Pionierlebens stehen ihr ins Gesicht geschrieben, doch eine gewisse Form der Glückseligkeit erheitert ihre Miene. Der Schnitt zurück zur vorigen Kameraeinstellung verrät den Grund für ihre Freude: Ein Mann kommt auf einem Pferd langsam angeritten. Es ist Ethan Edwards (John Wayne).

John Ford ist in seiner Effektivität unübertroffen. Die soeben beschriebene Sequenz dauert gerade einmal 30 Sekunden. Mehr braucht es nicht, um den Helden und die Frau, die unterschwellig als Motivation für alle seine Taten des Films dient, einzuführen, dessen lange Abwesenheit zu etablieren und eine über Freundschaft hinausgehende Zuneigung zwischen den beiden anzudeuten. Der Zuschauer erhält lediglich visuelle Hinweise, dass Ethan Edwards und die Ehefrau seines eigenen Bruders Gefühle füreinander hegen. Die Art wie sie sich ansehen, wie sie behutsam über seinen Mantel streift, sagt mehr als tausend Worte. Und Ford lässt keinen einzigen seiner Charaktere auch nur eine Silbe über ihre Beziehung verlieren. Umso schmerzlicher ist die Wirkung auf den Zuschauer, wenn sie kurz darauf von Indianern ermordet wird.

Warum ich Der schwarze Falke mein Herz schenkte
Schon sehr früh, nachdem ich angefangen habe, mich für Filme zu interessieren, wusste ich um die Bedeutung von Der schwarze Falke (vielleicht besser bekannt unter dem Originaltitel The Searchers). Schließlich steht er auf der Western-Rangliste des American Film Institute unangefochten auf Platz 1. Es brauchte jedoch mehrere Sichtungen, bis ich den Klassiker wirklich verstand und zu schätzen wusste, was für einen “Cowboy-und-Indianer-Film” höchst ungewöhnlich ist, nutzen doch andere Vertreter des Genres auf simple Art und Weise ein ums andere Mal dieselben archetypischen Figuren und Motive. In diesem Film ist im Gegensatz zur geltenden Meinung nicht alles schwarz-weiß. Die Indianer, obwohl sie morden und vergewaltigen, sind nicht die eindeutig Bösen, der Held und anfängliche Sympathieträger nicht der unfehlbare Ritter auf seinem glänzenden Ross.

Warum auch andere Der schwarze Falke lieben werden
Doch kommen wir erst mal zu den offensichtlichen Stärken des Klassikers. Die Geschichte um einen Mann, der davon angetrieben ist, seine entführte Nichte aus den Händen der Comanchen zu befreien, weswegen er fünf lange Jahre in der Prärie umherirrt, ist schlichtweg großartig. John Ford hat darüber hinaus wie kein Zweiter das Auge für die perfekte Position der Kamera. Er ist ein Regisseur des alten Hollywoods, des klassischen Westerns, weswegen er seinen Inszenierungsstil so unscheinbar wie möglich hält. Seine Aufnahmen sind jedoch nicht, wie oft behauptet, vollkommen statisch. Der Zuschauer registriert nur oft seine Kamerafahrten, -schwenks und -zooms nicht, da sie stets harmonisch die Bewegungen der gefilmten Charaktere imitieren. Ford hat es nicht nötig mit seinen handwerklichen Fähigkeiten anzugeben. Die ikonischen Aufnahmen des Monument Valleys, die majestätischen Indianer auf ihren galoppierenden Pferden und John Wayne – ein Bild von einem Mann – reichen vollkommen aus, damit der Film sich ins Gedächtnis einbrennt.

Warum Der schwarze Falke einzigartig ist
Die Figur des Ethan Edwards ist es, der Der schwarze Falke außergewöhnlich macht. Er ist der wohl komplexeste, am wenigsten durchschaubare Charakter der Westerngeschichte. Auf der einen Seite durchdringt ihn ein unbändiger Hass auf den Indianerstamm der Comanchen, dessen Ursprung nie im Film erläutert wird. Auf der anderen Seite kennt er sich mit ihrer Lebensweise und ihren Bräuchen bestens aus. Als er beispielsweise auf seiner Odyssee die Leiche eines toten Comanchen findet, schießt er ihm aus Boshaftigkeit beide Augen aus, da dessen Geist dem Glauben des Stammes nach für immer rastlos im Jenseits umherwandern werde.

John Wayne gibt die beste Darstellung seiner Karriere als der an den Wahnsinn grenzende Ethan. Keineswegs soll sich der Zuschauer, wie im klassischen Western üblich, mit ihm identifizieren, wenn er im Blutrausch auf eine Herde Büffel schießt. Jeder tote Büffel bedeutet seiner Auffassung nach ein gestopftes Indianermaul weniger. Das ganze Ausmaß seiner Manie zeigt sich aber erst in der Szene, in der er seine Nichte (oder ist sie sogar seine Tochter?) zum ersten Mal befreien will. Sie ist zu dem Zeitpunkt bereits aus freien Stücken zur Frau des Häuptlings Schwarzer Falke geworden. Ethan kann ihr sexuelles Verhältnis zu den Menschen, die er am meisten verabscheut, nicht akzeptieren, weswegen er es vorzieht, sie an Ort und Stelle zu erschießen. In seinen Augen stellt ihr Leben bei den Comanchen ein Schicksal dar, das schlimmer ist als der Tod.

Warum Der schwarze Falke die Jahrzehnte überdauert
Das Ende von Der Schwarze Falke wird wohl noch in Jahrzehnten an den Filmhochschulen dieser Welt studiert werden. Nachdem Ethan zu einem gewissen Grad Herr seines Rassismus’ geworden ist und seine Nichte heim gebracht hat, anstatt sie zu ermorden, betreten die weißen Siedler das Haus ihrer Farm. John Ford filmt seinen Antihelden aus dem Inneren des Hauses durch den Türrahmen, genauso wie dessen heimliche Liebe zu Beginn des Films. Ethan bleibt als einziger draußen zurück und wendet sich mit einer Geste, die von unglaublicher Einsamkeit zeugt, von der Zivilisation ab, um in die Wildnis zurückzukehren. Er ist nicht für ein Leben in der Gesellschaft geschaffen, denn er ist dem natürlichen Lebensstil der Indianer viel näher, als er zugeben will. Und damit greift John Ford doch wieder die mythologischen Themen des klassischen Westerns auf und verleiht seinem Werk eine nachhallende Resonanz.

Das könnte dich auch interessieren

Angebote zum Thema

Kommentare

Aktuelle News