Ich habe das perfekte Horrorspiel gefunden — und niemand kennt es

06.07.2016 - 13:15 UhrVor 9 Jahren aktualisiert
Medusa's Labyrinth
Guru Games
Medusa's Labyrinth
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Es begann als Empfehlung einer Freundin und endete mit einem breiten, glücklichen Grinsen: Medusa's Labyrinth ist ein offenbar völlig unbekanntes Gruselspiel, das mich zutiefst beeindruckt hat. Horrorfans, sucht nicht weiter – ihr seid fündig geworden.

Eigentlich ist es meine Aufgabe als Kritiker, nicht nur Spiele zu loben, sondern auch ganz deutlich zu sagen, wo und warum ein Feature, Charakter oder Level nicht ganz so glücklich gelungen ist. Schnell wird eine längere Kritik dann mal mit "Hate" oder einem "Rant" verwechselt, obwohl mir ausgerechnet diese Titel meist ganz besonders am Herzen liegen.

Nur ganz, ganz selten schenken mir Entwickler ein Spielerlebnis, das ich nach dem Abspann fast andächtig beende und ganz liebevoll zurück ins Regal schiebe – oder es mit einem lauten "LIEBE ES!"-Schrei meinen Freunden an die Brust  drücke. Medusa's Labyrinth ist ein solches Spiel und ich erwarte von jedem von euch, dass ihr diesen absoluten Geheimtipp nach diesem Text mindestens vormerkt oder am besten direkt durchspielt. Perfektion und Videospiele ist ein schwieriges Thema, doch zumindest kratzt Medusa's Labyrinth so verbissen an glücklichen 100% Zufriedenheit, wie es für mich schon lange kein Spiel mehr geschafft hat. Gleichzeitig besitzt es keiner meiner Freunde und auch die üblichen Magazine haben, von einer Handvoll Let's Playern abgesehen, nie ein Wort über diesen Titel verloren.

Höchste Zeit, das zu ändern.

Antikes Griechenland trifft auf modernen Horror

Das Konzept von Medusa's Labyrinth lässt sich recht einfach zusammenfassen: In der Haut eines namenlosen Abenteuers erkunden wir einen riesigen Tempel samt unterirdischen Höhlensystem und suchen nach den spurlos verschwundenen Priestern des Heiligtums. Es ist eine schaurige Schnitzeljagd, die sich als solche auch nicht sonderlich um eine wendungsreiche Geschichte und gar mehrdimensionale Charaktere bemüht. Doch darum geht es auch nicht: Wir selbst sind der Held des Höhlensystems, dessen Durchquerung zu unserer einzigen Aufgabe wird. Mehr narrativen Schnickschnack braucht es dieses Mal nicht — stattdessen wird ein großer Eimer voller toller gruseliger Momente und spielmechanischer Kniffe über uns ausgeleert. Und die machen sich bereits nach wenigen Minuten bemerkbar.

Kurz nach dem Spielstart finden wir die beiden einzigen Gegenstände, die uns Medusa's Labyrinth in die Hände drückt, ein Bogen und eine Fackel. Wir nehmen die Schusswaffe in die linke Hand und kontrollieren auf Knopfdruck den Inhalt des Köchers. Fünf Pfeile, mehr überlässt uns das Spiel zunächst nicht. In die rechte Hand nehmen wir die Fackel, die nach einiger Zeit erlischt und an einer offenen Flamme wieder entzündet werden muss. Diese Lichtquelle ist in dem dunklen, unterirdischen Höhlensystem von enormer Wichtigkeit: Ist das Feuer-to-go in unserer Hand erst einmal erloschen, tasten wir uns deutlich unsicherer durch die unübersichtlichen Gänge und können Gegner erst aus kürzester – und damit für uns meist tödlicher – Distanz erkennen.

Apropos Gegner: Die gibt es natürlich auch. Das Spiel gibt uns recht bald zu Verstehen, dass in Medusa's Labyrinth mindestens eine unförmige Kreatur sein Unwesen treibt und durch die Gänge patroulliert. Ähnlich wie im ganz wunderbaren Amnesia: The Dark Descent müssen wir uns wenn möglich vor dieser Kreatur hinter Kisten, Regalen und Felsbrocken verstecken, um eine gefährliche Konfrontation zu vermeiden. Oder aber wir binden uns eben doch das Rambo-Stirnband um und machen uns kampfbereit.

Und jetzt wird es spielmechanisch so richtig spannend.

Während wir nämlich die Fackel halten, können wir den Bogen nicht spannen. Also müssen wir den brennenden Holzstab wohl oder übel entweder auf den Boden legen – oder im hohen Bogen in eine bestimmte Richtung werfen, um unsere beiden Hände frei zu machen. Erst jetzt dürfen wir einen Pfeil auf die Sehne legen und zielen. Das klassische Schnellwechseln zwischen zwei Gegenständen, wie wir es von modernen Inventar-Systemen gewohnt sind, suchen wir hier also vergebens – und das ist großartig!

So werden wir immer wieder zu einer Entscheidung gezwungen, ob wir unser Sichtfeld einschränken, dafür aber bewaffnet sein wollen, oder ob wir lieber mit der Fackel in der Hand nach einer alternativen Route am Gegner vorbei suchen. Es ist ein ständiges Abwägen des Für und Wider und häufiger als ihr jetzt noch glaubt, werdet ihr euch in den dunklen Gängen wiederfinden, wo ihr ins schwarze Nichts zielt, während die Fackel am Boden allmählich erlischt. In der fast vollkommenen Dunkelheit müsst ihr euch schließlich auf eure Ohren verlassen – doch auch die können euch in den oftmals weithin hallenden Gängen trügen.

Ein (guter) Albtraum für Orientierungsschwächlinge

Um sowohl euren Stresslevel als auch den Inhalt des Köchers zu schonen, solltet ihr also jede unnötige Kampfsituation vermeiden. Da ihr weder Karte, Kompass, noch ein modernes "Pünktchen weisen dir den Weg!"-GPS verwenden könnt, seid ihr ganz auf euren Orientierungssinn angewiesen. Klingt nach frustrierendem Backtracking und Try & Error-Orgien? Keine Sorge: Ich sehe mich selbst am untersten Ende der Orientierungssinn-Skala und habe es trotzdem schließlich geschafft, den Abspann des Spiels zu erreichen. Das Höhlensystem von Medusa's Labyrinth ist zwar zunächst verwirrend und unübersichtlich, doch der Zwang zum Erkunden gehört zum Konzept des Spiels, das es glücklicherweise schafft, nicht einmal mich Orientierungsschwächling zu frustrieren. Weitaus anstrengender als das Ende des Spiels zu finden, ist dabei das ständige angsterfüllte Kopfdrehen, wenn wir um eine Ecke lugen und hoffen, auf kein Hindernis in Monsterform zu stoßen.

Ihr zögert noch immer? Dann bleibt mir nur noch eines zu sagen: Medusa's Labyrinth ist mit seiner etwa einstündigen Spielzeit nicht nur wunderbar für den schnellen Horror zwischendurch geeignet, sondern zudem auch noch gratis  — und das ist von den Entwicklern ausdrücklich so gewünscht.

Ursprünglich wollte das Team von Guru Games ein weitaus größeres, umfassenderes Spiel entwickeln, das uns viele verschiedene Orte des antiken Griechenlands erkunden lässt. Doch weder Publisher noch genügend zahlungswillige Fans konnten auf das Projekt eingeschworen werden und so veröffentlichte Guru Games zumindest einen Spielausschnitt, der zeigt, was hätte sein können: Medusa's Labyrinth war geboren.

Kurz nachdem ich dieses ganz wunderbare Horrorspiel beendet hatte, schrieb ich den Entwicklern eine Email und hakte nach, ob es vielleicht nicht doch noch Hoffnung auf eine Wiederaufnahme des Projektes gibt. Daniel Ström, Chef des Teams, antwortete mir nach wenigen Stunden:

Das Spiel in seiner jetzigen Form ist ein abgeschlossenes Projekt — aber wir werden hoffentlich noch diesen Herbst den gleichen Schauplatz mit neuen Plänen erneut besuchen. (...) Wenn du einen Blick ins Artbook wirfst, dann wirst du ein ziemlich gutes Bild davon bekommen, was wir für Medusa's Labyrinth ursprünglich vorhatten — und wie unsere neuen Plänen aussehen.
Besagtes Artbook gibt es als Zuschlag zum Spiel für 2€ — ein Preis, der Medusa's Labyrinth und die Mühen der Entwickler allemal wert ist und ihnen darüber hinaus das verdiente Zeichen gibt, das bei ihrer Rückkehr ins antike Griechenland dieses Mal deutlich mehr Fans Spalier stehen werden. Ich würde es ihnen wünschen.

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