Ich, Wie ein wilder Stier & der mit dem Schatten boxt

03.06.2014 - 08:50 UhrVor 10 Jahren aktualisiert
Wie ein wilder Stier
United Artists
Wie ein wilder Stier
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Alte Filme haben ihren Reiz. Vor allem wenn sie in Schwarz-Weiß über den Bildschirm flimmern, ein Regisseur wie Martin Scorsese hinter und ein Darsteller wie Robert De Niro vor der Kamera agiert. Wie ein wilder Stier braucht ein Klassikerherz.

Ich bin ein großer Fan der italoamerikanischen Hollywood-Gang. Wahrscheinlich verstehen die Darsteller und Regisseure sich nicht als ein solcher Verbund, doch zumindest in meiner Wahrnehmung wirken sie wie ein eingeschworener Clan. Beispielsweise steht ein Großteil der Schauspielerriege meines Lieblingsfilms GoodFellas gleichzeitig in meiner Lieblings-Serie Die Sopranos an der Seite des depressiven Mafiapaten Tony. Da ich mit meiner Leidenschaft keine Ausnahme darstelle, haben bereits viele meiner Vorgänger Lobeshymnen zu Klassikern angestimmt, in denen Amerikaner italienischer Herkunft tragende Rollen übernehmen. Doch seltsamerweise blieb Wie ein wilder Stier bisher in dieser Rubrik außen vor. Damit diese Vernachlässigung verdientermaßen Geschichte wird, schenke ich dem Boxerdrama von Martin Scorsese mein Herz.

Warum ich Wie ein wilder Stier mein Herz schenke
Bevor mir Wie ein wilder Stier ein Begriff war, hatte ich keine Ahnung, wer Jake LaMotta ist oder dass sein Spitzname zu aktiven Zeiten Der wütende Bulle war. Mit der Sichtung des Films änderte sich das, was an erster Stelle der Verdienst von Robert De Niro ist, der bekannterweise von dem titelgebenden Boxer trainiert wurde. Wenn es um seine oscarprämierte Leistung geht, findet hauptsächlich die Tatsache Erwähnung, dass er einige Kilos zulegte. Meiner Meinung nach ist die physisch geprägte Darstellung des Schauspielers durchaus das Herausragendste in Wie ein wilder Stier, was jedoch mit der angefressenen Plauze des Mimen nichts zu tun hat. Seine Körperspannung (inner- und außerhalb des Rings), die nach vorne strebende und offensive Haltung des Oberkörpers sowie die schiere Gewalt, die seine Aura auch abseits der Boxarena ausstrahlt und die stets auszubrechen droht, machen die Darbietung unvergesslich. Der Höhepunkt des Films ist gleichzeitig der Tiefpunkt des Protagonisten: Jake LaMotta landet in einer Gefängniszelle und boxt frustriert gegen die eigene Schattenfigur. Spätestens hier wird klar, dass die schwarz-weißen Bilder, das kontrastreiche Nebeneinander von Licht und Schatten, eine dramaturgische Berechtigung besitzen.

Warum auch andere Wie ein wilder Stier lieben werden
“Ich mag Boxen nicht. Sogar als ich ein Kind war, fand ich Boxen langweilig”, soll Martin Scorsese gesagt haben, als er erfuhr, dass Jake LaMotta diese Sportart betrieb. In meiner frühen Jugend habe ich mir mit meinem Vater einige Boxkämpfe um Weltmeisterschaftstitel angeschaut (wahrscheinlich auch wegen des Drumherums). Mittlerweile interessiert mich der Sport überhaupt nicht mehr. Ihr müsst also keine passionierten Boxenthusiasten sein, um das Drama in euer Herz schließen zu können. Letztendlich spielen sich nur ungefähr zehn Minuten der zweistündigen Laufzeit tatsächlich im Ring ab. Dafür haben es diese Szenen in sich. Die Kamera befindet sich größtenteils mitten im Geschehen, um die brutalen Momente und die blutigen Kleckereien wirkungsvoll zu inszenieren. Sinnvollerweise verzichtet Martin Scorsese dabei auf heroisierende Elemente, denn die Hauptfigur ist alles andere als ein Held. Seine inneren Dämonen treiben ihn zwar im Ring an, zerstören aber gleichzeitig die Beziehung zu den Menschen, die er liebt. Ich kenne keine Film, in dem Eifersucht und deren Folgen so aufreibend und intensiv veranschaulicht werden.

Warum Wie ein wilder Stier die Jahrzehnte überdauern wird
Der Kern von Wie ein wilder Stier besteht aus universellen Themen, die nicht einem bestimmten Jahrzehnt verpflichtet sind. Die kommenden Generationen werden mit Begriffen wie Eifersucht und Selbstzerstörung etwas anfangen können. Außerdem gehe ich davon aus, dass auch noch in hundert Jahren Menschen sich in Boxringen messen werden und wenn es um Filme in diesem Milieu geht, rangiert Wie ein wilder Stier zu Recht und häufig auf dem ersten Platz. Das liegt zum einen an den choreographierten Kampfszenen, die Michael Chapman brillant in Szene setzte, an Thelma Schoonmaker, die für die stimmige Montage verantwortlich zeichnet, und zum anderen natürlich an dem Darstellerensemble sowie dem Regisseur. Kaum zu glauben, dass Cathy Moriarty in Wie ein wilder Stier ihr Debüt auf der großen Leinwand feierte. Robert De Niro und Joe Pesci, die als kongeniales Duo harmonieren und sich auch mal prügeln, verhelfen der Geschichte zum zeitlosen Klassikerstatus.

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