Im Bremer Tatort wird gepflegt am Rad gedreht

12.02.2012 - 21:45 UhrVor 13 Jahren aktualisiert
Tatort Kritik zum Bremer Fall Ordnung im Lot
Radio Bremen
Tatort Kritik zum Bremer Fall Ordnung im Lot
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In ihrem 25. Tatort muss sich Inga Lürsen mit einem lächelnden Toten und einer schizophrenen Mutter beschäftigen. Kein Wunder, dass Tatort – Ordnung im Lot im Endeffekt ziemlich zerfahren wirkte.

Der Tatort aus Bremen ist bekannt dafür, sich mehr für persönliche Dramen als spannende Krimi-Plots zu interessieren. Doch so übertrieben wie das im Jubiläumstatort von Inga Lürsen (Sabine Postel) praktiziert wurde, muss es nun wirklich nicht sein. Schön und gut, dass das Schicksal einer Familie die Ermittlungen überschattet, aber über eine ganze Horde von Symptomen kam die Beschäftigung mit Schizophrenie nicht hinaus.

Lokalkolorit: Natürlich gab es einmal mehr die semi-romantischen Ausblicke auf die nicht vorhandene Skyline Bremens, doch die meiste Zeit glänzte Tatort: Ordnung im Lot mit einem atmosphärisch eingerichteten Gefängnis, äh, Einfamilienhaus. In dem scheint der Staub in dicken Schichten in der Luft zu stehen, wofür die von Mutter Sylvia ständig verbrannten Zeitungen nicht unverantwortlich sind. Das abgeschottete Ambiente stand wiederum in einem schönen Kontrast zu dem öfter präsentiertem weiten Blick aus dem Weser Tower mitsamt blutrotem Sonnenuntergang.

Plot: Ja, worum ging es eigentlich? Nachdem ich den abgefahrenen letzten Tukur-Tatort verteidigt habe, kann ich mich nun kaum über den inhaltlichen Schwerpunkt von Tatort: Ordnung im Lot aufregen. Der lag ganz auf der schizophrenen Erkrankung von Sylvia Lange (Mira Partecke), die mit ihrem verqueren Lächeln nur das Böse in der Welt zu sehen glaubt. Da geriet der Mord an einem Tankstellenbesitzer schnell in den Hintergrund. Selbst die Frage, ob Sylvia, die zu Beginn mit der Waffe in der Hand am Tatort erscheint, verantwortlich für den Kopfschuss ist, wird recht schnell Beiseite geschoben. Ameisen-Halluzinationen und Sandstürme im Einfamilienhaus haben das Interesse der Autoren und Regisseure Claudia Prietzel und Peter Henning offenbar stärker gelockt.

Unterhaltung: Der neue Tatort aus Bremen setzt seinen Zuschauern einen schwer verdaulichen Brocken vor die Füße. Das ist an sich löblich. Da ihm allerdings Spannung und Witz abgehen, müssen wir uns in Gänze mit den aufreibenden psychischen Eskapaden von Sylvia Lange begnügen. Die familiäre Dynamik um den herrischen Vater, die kranke Mutter und dem hin und her gerissenen Sohn vermag durchaus zu fesseln. Ein befriedigendes Finale und ein Tick mehr Interesse am Krimi-Anteil hätten nicht geschadet. Letzterer wirkt schließlich so, als sei er nur eingebaut wurden, damit die Produktion überhaupt als Tatort durchgeht.

Tiefgang: Im Grunde ist Tatort: Ordnung im Lot ein Problemfilm, der ein selten beleuchtetes Thema (Schizophrenie) aufgreift und sich am liebsten nur damit beschäftigen würde, wie die Familie mit dem kranken Mitglied zurecht kommt. Die Überzeichnung von Mutter Sylvia als psychotische Wahrsagerin, die ein Mysterium umgibt, verbaut jedoch den Weg zur ernsthaften Auseinandersetzung. Irgendwie wollen sich die Autoren ernsthaft mit den Folgen einer schizophrenen Erkrankung für die Angehörigen beschäftigen, aber irgendwie müssen sie das ganze mit Spannung aufladen, denn der Krimi-Plot liefert diese nicht. Irgendwie ist das aber in die Hose gegangen.

Mord des Sonntags: Ein Hund in einer Tankstelle, eine Frau mit Plastiksäcken an den Füßen und einer Waffe in der Hand und ein lächelnder Mann mit einer Schusswunde in der Stirn.

Zitat des Sonntags: Wie teuer ist Tod?

Mir war der neue Tatort aus Bremen zu unkonzentriert, doch hat er euch zugesagt?

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