Allerorten dominiert die Kristenstimmung, während einstmalige Vorzeigestaaten in ihren Schulden versinken. In Zeiten der Rezession erscheinen die Millionen-Budgets mancher Hollywood-Filme wie die höhnischen Überbleibsel dekadenter Vorzeiten. Das ist natürlich immer dann der Fall, wenn die Filme ihre immensen Kosten nicht einspielen, wie diesen Sommer der 200 Millionen Dollar (+100 Millionen Marketing) teure Green Lantern. Noch vor ein paar Jahren hätte der Boom der DVD-Verkäufe solche gigantischen Flops abgemildert. Doch seit dem flächendeckenden Erfolg von legalen und illegalen Streaming-Plattformen sinkt die Nachfrage nach den Silberscheiben. Ein paar der großen Studios geben sich nun für ihre Verhältnisse übervorsichtig, wenn es um das grüne Licht für neue Großprojekte geht. Davor sind selbst Megastars nicht gefeit. Ich finde das super.
150 Millionen samt R-Rating? Ähm, nö.
Guillermo del Toro ist ein von vielen geliebter Ausnahme-Regisseur, der mit seinen kreativen Ideen frischen Wind in die Blockbusterlandschaft gebracht hat. Ob ihn das berechtigt, ein 150 Millionen Dollar teures Projekt ungeachtet aller kommerziellen Erwägungen mit einem R-Rating im Hinterkopf zu drehen, ist eine ganz andere Frage. Versteht mich nicht falsch. Künstlerische Freiheit ist unverzichtbar und Filme auf ein kinderfreundliches Rating herunterzustutzen in den meisten Fällen mehr als schädlich. Doch als Universal beim beschriebenen At the Mountains of Madness im März den Stecker zog, konnte ich das Studio durchaus verstehen. Das pochte darauf, dem Film angesichts des hohen Budgets ein PG-13-Rating zu verpassen. Bei der Adaption einer H.P. Lovecraft-Geschichte ist das leichter gesagt als getan und so kam das Projekt schließlich zum Stillstand.
Doch mal im Ernst! Ist es in Zeiten zurückgehender Zuschauer- und DVD-Verkaufszahlen ratsam, 150 Millionen Dollar (+ ungeahnte Marketing-Kosten) in ein R-Rated-Projekt zu stecken, das nicht Teil einer Franchise oder Adaption eines aktuellen erfolgreichen Bestsellers ist? Noch dazu sollte Tom Cruise die Hauptrolle spielen, dessen bankability in den letzten Jahren nicht gerade in die Höhe geschossen ist. Sind solche finanziellen Risiko-Geschäfte weniger verwerflich, wenn ein gefeierter Regisseur am Ruder ist? Die Cineastin in mir hätte den Film vermutlich gern gesehen. Doch bei Ansicht der potenziellen Kosten (und Verluste) wird mir trotzdem schlecht.
Johnny lost his gun
At the Mountains of Madness war nicht der einzige Film, dem Universal dieses Jahr eine Absage verpasste. Selbiges geschah bei der geplanten Verfilmung des Hasbro-Brettspiels Ouija und der Stephen King-Adaption The Dark Tower von Brian Grazer und Ron Howard. Würden sich die Entscheidungen nur auf das eine Studio konzentrieren, könnten wir den Trend auf die finanzielle Lage von Universal schieben und abhaken. Doch im Sommer schockierte eine weitere Nachricht die Trade Papers und Blogs im Dunstkreis der Hollywood’schen Anzugträger.
Im August legte Disney nämlich Lone Ranger mit Johnny Depp von Jerry Bruckheimer und Gore Verbinski auf Eis. Grund war das immense Budget von 250 Millionen Dollar. Das verschreckte die Mausfabrik ungeachtet der Tatsache, dass das Trio bereits die Fluch der Karibik-Reihe auf die außerordentlich erfolgreichen Beine gestellt hat. Nach Budget-Kürzungen muss The Lone Ranger nun mit 220 Millionen Dollar (!) auskommen. Nur um diesen Wert in den Kontext zu setzen: Um schwarze Zahlen zu schreiben muss der Film selbst bei diesen Kosten weltweit 800 Millionen Dollar einspielen. Das dürfte bei einem Western, der auf einer alten Serie basiert und in dem Johnny Depp nicht einmal die Hauptrolle als Lone Ranger spielen will, gar nicht so einfach werden. Johnny Depp, der als Indianer Tonto eine Gage zwischen 20 und 30 Millionen bekommen dürfte, ist jedoch der einzige Grund, warum das Projekt in dieser Form umgesetzt wird.
Es geht auch anders
Dieses Jahr waren wir Zeuge der großen und teuren Flops Green Lantern und Cowboys & Aliens. Doch gleichzeitig gab es einige positive Beispiele für die gewinnträchtigen Hits, die ganz unterschiedlicher Natur waren. Zum einen bewies Paramount mit seinen letzten Marvel-Filmen Thor und Captain America – The First Avenger einmal mehr sein Gespür für eine sinnvolle Preis-Leistungs-Politik. Mit Budgets von 140-150 Millionen Dollar erreichten diese Filme fast ohne große Stars weltweite Ergebnisse von 400-500 Millionen. Davon kann der aufgeblasene Green Lantern nur träumen.
Mit ähnlichen Kosten schickte Fox X-Men: Erste Entscheidung in den Ring, der weltweit ohne 3D-Zuschlag 350 Millionen einspielte. Doch in Sachen Blockbuster war der Buchhalter-Hit des Sommers eindeutig Planet der Affen: Prevolution, der mit 93 Millionen Dollar Budget 300 Millionen für sich verbuchen konnte und das obwohl das Marketing ganz auf einen Affen und keinen Star in der Hauptrolle setzte.
Etwa zur gleichen Zeit lockten lauter semi-billig produzierte R-Rated Comedies die Zuschauer in die Kinos, wie zum Beispiel Freunde mit gewissen Vorzügen ($35 Mio. Budget), Kill the Boss ($35 Mio.) und Bad Teacher ($20 Mio.). Alle drei ernteten weltweit zwischen 150 und 200 Millionen. In noch billigerem Rahmen agierte einmal mehr die Horror-Front, die mit Insidious ($1,5 Mio.), Apollo 18 ($5 Mio.) und Paranormal Activity 3 ($5 Mio.) teils ungeheure Gewinne erzielte.
James Cameron ist an allem Schuld
Spätestens seit Titanic fragen sich Branchenbeobachter, wie weit die Preisspirale der Blockbuster noch getrieben werden kann. Inwiefern sind bei sinkenden Zuschauerzahlen 200 Millionen für einen Film überhaupt noch gerechtfertigt? Die 3D-Aufpreise schienen dieses Loch scheinbar zu stopfen, doch auch hier bezeugen die Kinobesucher zunehmend ihre Abneigung. Somit stehen die Studios in einem fatalen Zwiespalt. Zum einen glauben sie sich nur noch durch Effektegewitter gegen Streaming und Fernsehen behaupten zu können. Zum anderen schwindet mit den Kinobesuchern die Grundlage, um die CGI-Feste überhaupt zu bezahlen.
Ein erster Ansatzpunkt für eine (notwendige) Sparpolitik der Studios sollten deshalb die teils unvorstellbaren Gagen der Stars sein. Doch die Star-Problematik ist ein Feld, das ich an einem anderen Montag beackern werde.
Würdet ihr eine Sparpolitik der Studios begrüßen oder gehören teure Großproduktionen einfach zu Hollywood?