Interview mit Daniel Brühl

20.06.2009 - 09:20 Uhr
x Verleih
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Der deutsche Schauspieler Daniel Brühl berichtet über die Dreharbeiten zu Julie Delpys Gruseldrama Die Gräfin. Mit Delpy drehte er bereits 2 Tage Paris – diesmal erhielt er eine Hauptrolle.

Nächste Woche startet Julie Delpy s neues Gruseldrama Die Gräfin. Daniel Brühl berichtet, wie es zur Zusammenarbeit kam, über die Dreharbeiten und seine Rolle als Sohn von William Hurt.

Verstehen Sie sich mit Julie Delpy inzwischen schon ohne Worte?

Na ja, bei 2 Tage Paris hatten wir leider nur kurz das Vergnügen miteinander. Aber es war eine so tolle Zeit, dass ich unbedingt noch mal mit ihr drehen wollte. Und tatsächlich rief sie mich kurz darauf an und erzählte, dass sie einen weiteren Film plane. Darin bekäme ich eine größere Rolle, und es sei auch etwas ganz anderes als 2 Tage Paris. Ich sagte sofort zu. Als sie mir dann verriet, dass die
Geschichte von der Gräfin Bathory handelt, war ich natürlich noch gespannter.

Kannten Sie sie?

Ja, ich habe vor einiger Zeit eine Biografie über sie gelesen. Ich weiß noch, dass ich dachte, man müsste daraus unbedingt einen Film machen. Sehr behutsam natürlich, damit es kein billiger Splatterfilm wird, bei dem es nur um Mord und Totschlag und Blutvergießen geht. Das zu vermeiden, ist Julie wahnsinnig gut gelungen. Denn sie erzählt eine ernsthafte, stimmige Geschichte über eine interessante, merkwürdige, faszinierende Frau. Julie kann einfach toll schreiben. Das Skript war eins dieser Drehbücher, die man nicht zur Seite legt. Es hatte für mich keine Längen, es las sich sehr dynamisch und hier und da sogar recht modern, besaß spannende Charaktere und war alles andere als verstaubt. Es war einfach ein rundes Drehbuch. Und für mich fiel nebenbei noch eine sehr schöne Rolle
ab. Deswegen habe ich sehr schnell zugesagt.

Wie würden Sie Ihre Rolle beschreiben?

Was ich so toll finde an diesem Buch, ist, dass es keine eindeutig positiven oder negativen Figuren gibt. Jeder hat sein Geheimnis, jeder seine dunkle Seite. Meine Figur auch. Trotzdem würde ich sagen, dass Istvan Thurzo im Personengefüge des Films ein positiver Charakter ist, ein junger Mann mit romantischen Gefühlen. Er verliebt sich zum ersten Mal in seinem Leben so richtig – und dann gleich in diese ältere Frau. Aber sein Vater trennt die beiden, weil die Verbindung nicht sein darf. Das Großartige für mich war, dass ich verschiedene Phasen im Leben dieser Figur spielen durfte. Wir lernen Istvan als 20-jährigen kennen, dann wird er von Erzebet getrennt, kehrt später noch einmal zurück, da ist er von seinem Vater aber schon so weit umerzogen und indoktriniert worden, dass er in dessen Auftrag beweisen soll, dass sie schuldig ist. Für sich selbst will er allerdings auch herausfinden, ob sie diese Gräueltaten wirklich begangen hat oder nicht. Und dann ist Istvan natürlich die Figur, die die ganze Geschichte aus dem Off erzählt.

Wie haben Sie die Dreharbeiten erlebt?

Ich drehte an wunderbaren Locations: in Burgen, Schlössern und im Freien, auf Pferderücken. Es ist immer schöner, in Originalkulissen zu spielen als im Studio, wo alles aus Pappmaché und unecht ist. Weil sie eine ganz andere Aura besitzen und eine einzigartige Atmosphäre verströmen. Ich war erstaunt, wie viele hübsche Burgen es im Osten Deutschlands gibt und wie toll sie erhalten sind.

Was für eine Regisseurin ist Julie Delpy?

Sie ist ungeheuer sensibel und ohne diese Attitüden, die manche Regisseure an den Tag legen. Sie lässt auch nicht den Chef raushängen, sie war ganz cool bei der Sache. Als Schauspielerin weiß sie außerdem, wie sie mit Schauspielern reden muss. Und nebenbei hat sie einen großartigen Sinn für Humor, das finde ich total wichtig. Und das macht die Arbeit mit ihr so angenehm. Selbst bei den tollsten Drehbüchern gibt es immer wieder Momente, wo man vor der Kamera steht und spürt, hier stimmt etwas nicht, das lässt sich nicht sprechen, irgendwie ist es nicht stimmig. Das kam selten vor, aber in diesen Situationen war sie total flexibel und hatte schnell gute Lösungen parat. Obwohl es uns 14Schauspielern nicht erlaubt war, habe ich manchmal heimlich auf den Monitor geguckt, und was ich da sah, wirkte ganz toll. Ich war total begeistert von der Arbeit des Kameramanns.

Wie fühlte es sich an, in Kostümen zu spielen?

Für mich war das ein weiteres Highlight des Films. Pierre-Yves Gayraud hat unglaubliche Kunstwerke hergestellt. Zum Teil aus alten Stoffen – 100 oder 150 Jahre alte Gardinen oder Kleider, die er umgeschneidert hat. Das sah überhaupt nicht verkleidet aus. Es passte zu uns und saß wie angegossen. Kostüme helfen dabei, solche historischen Rollen zu spielen. Weil man sich ganz anders bewegt; auch die Stiefel, die man trägt, sorgen gleich für einen anderen Gang. Ich fühlte mich sehr wohl darin. Für die Frauen war es wahrscheinlich unangenehmer, mit all diesen Korsetts und eng geschnürten Kleidern. Wenn es Mittagessen gab, sah man sie immer nur mit einem Schälchen Salat, mehr wäre bei den Kostümen auch nicht drin gewesen. Da hatten wir Männer es schon leichter.

Die Gräfin ist nicht der erste Film, den Sie auf Englisch drehen. Empfinden Sie das immer noch als eine Herausforderung?

Bei diesem Film gab es sogar eine doppelte Problematik. Er spielt ja in einer früheren Epoche, und da denkt man automatisch, man müsste anders reden. Außerdem wollte ich versuchen, wie William Hurt zu klingen, weil wir nun mal Vater und Sohn spielen. William war sehr nett und näherte sich seinerseits meinem Akzent an. Manchmal hatte ich Angst, dass er am Ende deutscher klingt als ich.

Wie war die Zusammenarbeit mit ihm?

Spannend. Ich habe seine Filme so häufig gesehen, insbesondere die, als er noch jünger war und häufig etwas Gefährliches, Unnahbares hatte. Da denkt man dann, Person und Figuren wären deckungsgleich. Als ich mit ihm probte und drehte, wirkte er tatsächlich genau so. Ich glaube, er genoss es, mitunter jenseits der Kamera in seiner Rolle zu bleiben. Man wusste nie, was kam. Er konnte einen überraschen und Dinge erzählen, die einen perplex machten. Und dann gab es den privaten William Hurt am Billardtisch in unserem Hotel, wo er deutlich entspannter war. Wir tranken Bier, spielten Poolbillard – und ich ließ ihn gewinnen. Dabei sind wir uns schon näher gekommen.

Mit Material von X Verleih.

Die Gräfin startet am 25. Juni 2009.

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