Iron Man 3 und die Macht Chinas in Hollywood

20.08.2012 - 08:50 UhrVor 11 Jahren aktualisiert
Selbst Iron Man muss in China Kompromisse machen
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Selbst Iron Man muss in China Kompromisse machen
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Die Gelbe Gefahr war einmal. Zumindest die chinesische. Die zunehmende Abhängigkeit Hollywoods vom chinesischen Markt hat direkte Auswirkungen auf unseren Filmgenuss. Selbstzensur findet bereits in frühen Produktionsstadien statt.

Chinesische Bösewichte werden sich in den ganz großen Blockbustern rar machen. Auch sonst solltet ihr euch auf einige Lobhudeleien auf die Bewohner des Reichs der Mitte gefasst machen. Solche gab es in Ansätzen in 2012 und Battleship zu begutachten. Das ist aber erst der Anfang. Die US-Filmindustrie versucht alles, um durch die strengen Schranken des chinesischen Filmmarkts zu schlüpfen. Die lukrativste Maßnahme, die Koproduktion, hat bereits Blockbuster vom Format eines Iron Man 3 erwischt. Doch mit jedem in China erbeuteten Dollar (bzw. Yuan) muss sich Hollywood den dortigen Bürokraten mehr anbiedern.

Wo die Kinos florieren
Seit ein paar Monaten steht es fest. China ist erstmals der zweitgrößte Filmmarkt auf der Welt, hinter den USA, vor Japan. Die Anzahl der chinesischen Kinos hat sich in fünf Jahren verdoppelt. 2011 wurden erstmals über 2 Milliarden Dollar an verkauften Tickets eingenommen. Noch ist der Markt nicht gesättigt. Lichtspielhäuser werden weiter aus dem Boden gestampft. Wie der Economist berichtet, könnte China 2020 die USA einholen. Die Zahlen liegen also auf dem Tisch und handfeste Erfolge haben Hollywood-Filme im Reich der Mitte längst verbuchen können. Titanic brach dort in den ersten Tagen Box Office-Rekorde. 159 Millionen Dollar konnte Transformers 3 allein in China einnehmen (Quelle: L.A. Times). Das ist eine Summe, die bei der Endabrechnung der in den letzten Jahren immer wichtiger werdenden, weil als Rettungsanker fungierenden, weltweiten Einspielergebnisse rote in schwarze Zahlen verwandeln kann.

Vor ein paar Jahren wären diese Ergebnisse nicht nur wegen der fehlenden Kinos undenkbar gewesen. Die Restriktionen bei ausländischen Filmimporten weichen gemächlich auf und das auf Wunsch von beiden Seiten. Im Winter diesen Jahres führten Verhandlungen des US-amerikanischen Vizepräsidenten Joe Biden mit seinem chinesischen Amtskollegen Xi Jinping zu einer Lockerung der Quote. Vorher konnten jährlich 20 ausländische Filme in chinesischen Kinos gezeigt werden. Nun kamen 14 hinzu; einzige Voraussetzung: Sie wurden im IMAX-Format gedreht oder in 3D konvertiert bzw. gedreht (Variety). Auf den ersten Blick wirkt dies wie ein mauer Kompromiss; aber nur auf den ersten. Die US-Studios können noch mehr ihrer (sowieso) in 3D oder IMAX gedrehten tent-poles verwerten. Davon gibt es ohnehin wenige und die müssen auch in den Staaten all die kleineren Produktionen mitfinanzieren.

Die chinesischen Oberen versprechen sich von dem Deal eine Steigerung des Konsums, eine weitere Entfernung von einer rein produzierenden Marktwirtschaft. Früher fand Hollywood in China vor allem auf Raubkopien statt. Heute gibt es immer mehr gut verdienende Chinesen, die sich die Tickets leisten können. Sie nehmen 3D-Filme als Premium-Angebot in Kauf und verhelfen der Technik zu einer weit größeren Akzeptanz, als dies in Europa oder den USA der Fall ist. Wie die New York Times heraushebt, dürften 3D-Filme die ersten Kinoerlebnisse vieler Chinesen prägen.

Nichts ist (un)möglich
Für den Zugang zu dem wachsenden Markt wird allerdings teuer bezahlt. Damit sind nicht einmal die jüngsten Korruptionsvorfwürfe gemeint. Jeder Film, ob einheimisch oder nicht, muss vor seiner Veröffentlichung im Kinomarkt Festland-Chinas die Büros der SARFT durchlaufen. SARFT, das steht für State Administration of Radio, Film, and Television und verkappt mühsam und vielsilbig die zentrale Zensurbehörde, die darüber entscheidet, was die Chinesen im Kino sehen und was nicht. Was sie nicht sehen dürfen: Yun-Fat Chow, wie er in Pirates of the Caribbean – Am Ende der Welt einen bösen Chinesen spielt. Restaurant-Besitzer in Chinatowrn, die sich in Men in Black 3 als Aliens herausstellen. ‘Morde, Gewalt, Horror, Geister und Dämonen, Übernatürliches, […] die Verwechslung des Realen mit dem Falschen, des Unschuldigen mit dem Bösen, des Schönen und des Hässlichen.’ (L.A. Times) Flexibel zeigt sich die SARFT beim Geisterkram (siehe Painted Skin – The Resurrection). Als Aliens dargestellte Landsmänner gehen allerdings gar nicht.

Nun ist es für ein Hollywood-Studio zu verschmerzen, wenn, wie im Falle von Men in Black 3, 13 Minuten Film gekappt werden. Hauptsache, das Geld kommt rein, nicht wahr? Nicht ganz. Vom Profit ihrer Filme sehen die US-Studios nämlich nur 25 Prozent. Der Rest bleibt in China. Das ist eine der Auflagen der Import-Quote. Es gibt allerdings auch für Hollywood eine Möglichkeit, diese zu umgehen. Handelt es sich um Koproduktionen mit chinesischen Firmen, fällt der Film nicht in die Quote und die Finanziers erhalten bis zu 40 Prozent des Gewinns. Deswegen wurde Karate Kid in Zusammenarbeit mit der einflussreichen China Film Group gedreht. Iron Man 3, einer der wichtigsten Blockbuster der kommenden Jahre, erblickt mit Hilfe von DMG Entertainment aus Beijing das Licht der Welt.

Einen Haken haben die Koproduktionen. Natürlich müssen sie teilweise in China spielen, was höchstens den Drehbuchautor zum Haareraufen bringt. Ein positives Bild der Volksrepublik und ihrer Bewohner gehört ebenso zum Deal. Schon 2012 und Battleship biederten sich so den chinesischen Autoritäten und Zuschauern an. Im Spektakel von Roland Emmerich sind es die Chinesen, die die Archen bauen, in Battleship erkennen diese als erste, dass die Welt es mit Aliens zu tun hat. Die Koproduktionen stehen noch stärker unter der Fuchtel der SARFT, haben doch chinesische Investoren schon früh Einfluss auf die Produktion. Für Looper, ebenfalls eine DMG-Koproduktion, wurde beispielsweise eine chinesische Schnittfassung angefertigt. Die enthält deutlich mehr Szenen, die in Shanghai gedreht wurden.

Präventivschlag
Ich persönlich freue mich, wenn der Asiate in einem Film mal nicht als tumber Bösewicht auf den Plan tritt. Die Liaison zwischen China und den USA hat allerdings weitreichendere Folgen. Einerseits erhalten chinesische Investoren und Behörden bei Koproduktionen direkteren Zugriff auf die Inhalte. Andererseits tendieren die Studios vermehrt dazu, in Sachen China prophylaktisch die Samthandschuhe überzustreifen. Ausschließlich deswegen wurden die chinesischen Bösewichte in Red Dawn nachträglich als Nordkoreaner maskiert. Offizielle Beschwerden diesbezüglich hatte es nicht gegeben. Mit der einen Diktatur lässt es sich als Buchhalter offenbar besser leben als mit der anderen.

Die roasarote China-Brille dürfte einige zukünftige Blockbuster treffen. Im Mai wurde der Bau des 1,27 Milliarden Dollar teuren Komplexes Chinawood in Tianjin bekanntgegeben, der sich dezidiert an besagte Koproduktionen richtet. Chinawood beschäftigt sich mit der Kofinanzierung und soll Stätten für Postproduktion, 3D-Konvertierung und Marketing bereithalten; ein Auffangbecken mit Rundum-Sorglos-Paket für all jene Filme, welche die Quote umgehen wollen. Setzen sich die Koproduktionen durch, ist nicht abzusehen, welche inhaltlichen Veränderungen Hollywood-Blockbuster in Zukunft erfahren werden. Die netten Chinesen sind das kleinste Übel.

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