Kevin Spacey - Der mit dem Teufel pokert

26.08.2013 - 19:01 Uhr
Kevin Spacey
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Dieser moviepilot verbeugt sich vor Kevin Spacey. Nicht nur, weil er ihm den unschätzbaren Reichtum des Films anbot, sondern Respekt lehrte, selbst hinter dem Krüppel mit schlürfenden Gang eine impertinente Bedrohung zu vermuten. Lest selbst!

Die Nacht atmete tobend südöstlich der Waterloo Station. Lichter flackerten und säuselten im Rhythmus um neun Lettern, die brannten wie das unbemerkte Zwinkern des Teufels, nur eine Aufforderung gebend: „So kommt doch; hinein, hinein …“ Meine Füße folgten dem Ruf, vorbei an weißen Säulen, hinein in die Jahrzehnte, gar Jahrhunderte in heimeligen Sitzen. Es roch nach Staub, nach Schweiß, nach Adrenalin.
Dann stürmte er hervor, einen Fernseher in den Händen, und schrie mir die unbändige Wut seines Lebens entgegen. Instinktiv duckte ich mich und strauchelte in meiner Leidenschaft. Sie galt einem Akteur, dem ich jederzeit mit Hochachtung entgegen treten würde; auch wenn er mir nicht sogleich aufgefallen war und viel lieber verschlossen hinter seinen Rollen tanzte. Bis die flinken Schachzüge mich streiften und Unruhe stifteten.
Vielleicht nahm ich ihn zum ersten Mal wirklich wahr, in dieser Nacht des 6. Februar 2008.

Manchmal scheint der Höhepunkt eines Tages banal,
in einem amerikanischen Kleinod,
doch das Folgende kommt fatal,
wenn er auch missverstanden war, fast bis in den Tod.

Aber tatsächlich sah ich ihn viele Male zuvor, eine dichte Wolldecke über dem Röhrenfernseher und mir ausgebreitet, auf dem Boden kauernd mit Kopfhörern, deren Kabel kaum einen halben Meter reichten. Die Luft stand stickig in dieser selbst drapierten Zelle, die alle Filme vor meinen gängelten Eltern in Schutz nahm. Nach spätestens einer Stunde wellten sich beunruhigend die Haare; der Schweiß perlte ohnehin in jeder Jahreszeit aus den Poren, selbst wenn es vor klirrender Kälte war, die durch meine Schlafanzug bedeckte Haut pikte.

Niemals festigte sich in mir bewusster die Tatsache, Film bedeute Arbeit – und den Anstand die Kniescheiben zusammenzupressen, sofern ich 131 Minuten der zügellosen Affäre von Henry Miller und Anaïs Nin überstehen wollte, inmitten der Nacht auf einem Drittkanal, während die Welt nebenan von eben jener Amour fou nur zu träumen wagte. Es dürften weniger als zehn Minuten gewesen sein, derer sein Schauspiel auf der flackerten Mattscheibe herrschte; dennoch war es jede ungeschlafene Sekunde, jeden geschundenen Knochen wert.

Der Tumult führte nunmehr unentwegt,
entlang von Stunden – drei an der Zahl,
Eddie, Mickey, Phil und Artie hatte er all’ aufgelegt,
es war Zeit für eine neue Wahl.

Aber er blickte nicht aus einer satten Farbpalette, den frischen, knackigen Tönen der Digitalisierung entgegen. Sondern in: Rot, Grün und Blau. Denn ich kniete in häufig irrsinnigen Positionen und Variationen und nahm durch die unsägliche Nähe zu den Filmen manchmal nur die gröbsten Punkte wahr, die ein Röhrenfernseher in einiger Entfernung für das Auge schließlich zu einem wirklichen Bild transformierte.

Erst Jahre später jedoch, in jener beschwipsten Londoner Nacht, lugte ich hinter seine Fassade. Eher: Er ließ mich hinter diese Fassade spähen – den Turm an Professionalität und Eigensinn. Mit Verwunderung stand ich am östlichen Seiteneingang des Old Vic und beobachtete einen Mann, Gesicht und Haare zerzaust vom hastig entfernten Make-up, zermalmt wie nach einem Marathon, der auf zwei Stunden gestaucht worden war.

Rille um Rille kreiste ein kurzes Leben,
besang es selbst als Huldigung,
sang mit Inbrunst und Beben,
stahl ein Herz und blieb für immer jung.

Aus diesem Moment, und der Erinnerung an ihn, stammt der lebhafte Kern meiner Bewunderung für diesen Mann, der in seinem Aussehen die Mimikry des Gewöhnlichen abbildet und daraus mit scheinbarer Kleinstarbeit faszinierende Facetten quellen ließ.
Denn er entschied sich gegen eine monotone Abfolge immer gleicher Projekte, die vom Kommerz vorgegeben und selten umgangen werden, und belebte stattdessen die Talente junger Künstler, wie schon Jack Lemmon vor ihm „den Aufzug nach unten schickte“.

Dafür gleicht sein Leben einer sprunghaften Abspielnadel, die über bisweilen staubige Rillen kratzt und in ihrem Ächzen doch mit jeder Entscheidung eine alte Melodie anstimmt. Ein Leben zwischen scheuen Einsiedlern im Nirgendwo, zerfressenen Mythen und Todeskandidaten. Ein Leben im Film. Ein Leben im Theater. Ein Leben vor meinen Augen: schonungslos, herb, fern, schmunzelnd, einmalig.
Er reichte mir die Hand in eine zunächst unbekannte Welt. Alsbald sammelten sich Fremde in ihr, dann Freunde, starrten einander entgeistert an, zogen Zitate, die sie berühmt machten, und fochten Duelle mit Dialogsalben aus.

Der Trick des Teufels ward ein feiner,
denn als er leise in seinen Geschichten verschwand,
sträubte die Justiz statt seiner.
Hätt’ ihn nur ein einz’ger Mann erkannt …

Mit jedem geschriebenen Wort danke ich und verbeuge mich vor Kevin Spacey Fowler. Nicht nur, weil er mir den unschätzbaren Reichtum des Films anbot, sondern Respekt lehrte, selbst hinter dem Krüppel mit schlürfenden Gang eine impertinente Bedrohung zu vermuten. Denn manchmal bietet zuerst Film unendliche Möglichkeiten, dann das Leben.


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