Der erste Tatort nach der Sommerpause

26.08.2012 - 21:45 UhrVor 12 Jahren aktualisiert
Tatort Kritik - Hanglage mit Aussicht
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Tatort Kritik - Hanglage mit Aussicht
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Es fängt alles so gut an. Dann schlittert der erste Tatort nach der Sommerpause ins qualitative Abseits. Hanglage mit Aussicht, der neue Tatort aus Luzern, verlässt sich viel zu sehr auf die eklatanten Regelbrüche seiner Kommissare.

Der Sommer neigt sich dem Ende zu, der Tatort kehrt endlich zurück. Endlich? Nach der kriminologischen Durstzeit beglückt uns Reto Flückiger mit einem neuen Tatort aus Luzern. Tatort: Hanglage mit Aussicht beginnt auf dem Niveau des letzten Schweizer Tatorts vor der Sommerpause und schlittert gegen Ende rapide ab in die Untiefen verantwortungsloser Ermittler. Anders ausgedrückt: Es ist ein Wunder, dass überhaupt jemand diesen Tatort überlebt.

Lokalkolorit: Mord und Totschlag können die Schönheit der beeindruckenden Landschaft rund um den Vierwaldstättersee nicht mindern. Die vielen Panoramaaufnahmen aus dem Hubschrauber wirken teilweise wie ein Werbevideo für die Gegend, erst recht wenn das Feuerwerk zum Nationalfeiertag das Tal erleuchtet. Als sich die Geschichte entfaltet, gewinnen die Aufnahmen an Doppelbödigkeit. So schön ist die Gegend, dass jeder ein Stück vom Kuchen ab haben will, koste es, was es wolle.

Plot: Auf die große Party folgt der große Kater. Am Morgen nach dem Nationalfeiertag wird die Leiche eines Schweizer Mäzens gefunden. Anscheinend stürzte er aus der Seilbahn hoch über dem Tal in den Tod. Der jähzornige Bauer Arnold gerät in Verdacht und scheut keine Mühen, diesen zu erhärten. Dabei geraten Reto Flückiger (Stefan Gubser) und Liz Ritschard (Delia Mayer) aneinander. Flückiger glaubt an Arnolds Unschuld, Ritschard überraschenderweise nicht. Dass Arnold sie mit der Waffe bedroht und im Verhör ordentlich beleidigt, ist noch lange kein Grund, ihn des Mordes zu verdächtigen. Zumindest, wenn wir der Logik dieses Tatorts glauben, der die einzige Person mit dem Ansatz eines gesunden Menschenverstands auf die falsche Fährte schickt.

Unterhaltung: Wieder einmal leidet die Tatort-Unterhaltung aus der Schweiz unter der Synchro, aber dieses Thema ist derart abgegriffen, dass es in Hanglage mit Aussicht nicht überraschend kommt. Mit der Einführung der verschiedensten Verdächtigen (reicher Anwalt, Volksmusikerin, Auszubildender, Bergbauer…) kann der Tatort in seiner ersten Hälfte das Ratespiel am Laufen halten. War es eine Kurzschlusshandlung, Rache oder eine Verschwörung auf höheren Ebenen? Die schlussendliche Auflösung (irgendwie alles und doch nur ein Unfall) wird antiklimaktisch wie nebenbei serviert. Unfreiwillig komische Pluspunkte gibt es für den verrückten Ex-Freund der Wirtin. Der klettert den Berg hoch, lächelt sie mit manisch aufgerissenen Augen von draußen an, bricht in ihr Haus ein und bekommt… eine Portion Spaghetti. Das ist also Schweizer Gastfreundschaft.

Tiefgang: Der Tatort aus Luzern nutzt nicht ganz subtil, aber effektiv den Schweizer Nationalfeiertag als Rahmung seiner kriminellen Immobiliengeschäfte. Bauer Arnold verkörpert so gesehen die Tradition des Bundesbriefs, der Gründungsurkunde der Schweizerischen Eidgenossenschaft 1291. Wie so oft in diesem Tatort-Jahr gehört das große (ausländische) Geld zu den Schuldigen, die den schönen Schweizer Boden mit Wellness-Resorts verschandeln wollen. Alles schön und durchaus interessant, wären da nicht die Defizite in der Charakterzeichnung. Flückiger dreht in diesem Tatort am Rad und wird dafür belohnt. Er scherzt zunächst über die Höhenangst seiner Kollegin, nimmt von dieser Abschätzigkeit nicht Abstand, als diese vom verrückten Arnold bedroht wird. Er lässt einen Stalker ungeschoren davonkommen, hört vertrauliche Gespräche eines Anwalts ab und sieht zu wie Arnold diesen am Ende mit einer Mistgabel bedroht. Der erhält für sein deppertes Verhalten auch noch “Strukturförderung”.

Mord des Sonntags: Der Mäzen im Flussbett kann froh sein, dass er so früh aus diesem Tatort ausscheidet.

Zitat des Sonntags: “Weißt du was? Es können auch andere Recht haben. Nicht nur du.” (Schön wär’s.)

Willkommen zurück im Tatort-Land! Wie gefällt euch der erste Fall nach der Sommerpause?

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