Ein Tatort am Rande des Nervenzusammenbruchs

26.02.2012 - 21:45 UhrVor 13 Jahren aktualisiert
Tatort Kritik zu Der traurige König
BR
Tatort Kritik zu Der traurige König
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Tatorte, in denen die Ermittler selbst ins Visier geraten, können schnell daneben gehen. Bei Der traurige König, dem neuen Fall aus München, gerät die psychische Belastung Leitmayrs jedoch zum Vorteil.

Nachdem Tatort: Ein ganz normaler Fall zu einer drögen Ethikstunde auswucherte, bringt der schön betitelte, neue Münchner Krimi Tatort: Der traurige König wieder etwas Schwung in den Tatort aus dem Hause BR. Darin erschießt Franz Leitmayr (Udo Wachtveitl) unwissentlich seinen Nachbarn und muss mit den Konsequenzen erst einmal klar kommen. Zahnschmerzen wird er danach nicht mehr auf die leichte Schulter nehmen.

Lokalkolorit: Von München und Umgebung konnten wir in dem neuen Tatort zwar nicht viel sehen. Dafür war der Krimi viel zu stark auf den psychischen Zustand von Franz Leitmayr fixiert. Deswegen glänzte der Streifen in Sachen Lokales eher durch die einfache räumliche Trennung zwischen Nachbarn, die dennoch Welten ausmachen kann. Dass Leitmayr seinen eigenen Nachbarn in der Scheune nicht erkennt, ist schließlich bezeichnend für das großstädtische Dasein.

Plot: Leitmayr hat Zahnschmerzen und eine neue Kollegin will Ivo Batic (Miroslav Nemec) und ihm bei der Arbeit über die Schulter blicken. Tatort: Der traurige König beginnt damit ganz sanft, um die Zuschauer und die beiden Ermittler in Sicherheit zu wiegen. Als das brennende Auto entdeckt wird, setzt sich der Plot in Bewegung, doch so richtig ungemütlich wird es mit dem verwirrt wirkenden Siggi Aumeister, der vor den Polizisten mit einer Waffe herumwedelt. Die schlussendliche Auflösung, dass Siggi sich aus Schuldgefühlen und Trauer um seine Freundin töten lassen wollte, lässt diese Szene dann in einem ganz neuen Licht erscheinen. Andererseits machten seine wahllos daneben gehenden Schüsse auf die Polizisten von Anfang an stutzig.

Unterhaltung: Hat Franz Leitmayr überreagiert, als er dreimal auf Siggi schoss? Das ist die entscheidende Frage in Der traurige König, der sich auch der traumatisierte Polizist stellen muss. Deswegen konzentriert sich der neue Tatort in der ersten Hälfte auf den psychisch angeschlagenen Leitmayr. Der macht mit seinen zittrigen Händen, dem zerknitterten Jacket und seiner aufbrausenden Haltung einen zunehmend derangierten Eindruck, der auch der internen Ermittlung nicht verborgen bleibt. Wie behände der Krimi dann von Leitmayrs Krise zum Innenleben der Familie Aumeister springt, ist eine der großen Stärken dieses Tatorts. Anstatt eine Leitmayr’sche Egoshow bis zum Ende durchzuziehen, wird im rechten Moment der Fokus auf den tyrannischen Vater Schorsch Aumeister gelegt, der seinen Lieblingssohn indirekt in den Überfall auf einen Baumarkt und damit in den Tod getrieben hat. Höhepunkt ist dann die Szene, in der er dem ungeliebten Sohn Markus die Schrotflinte an den Kopf hält und dieser seinen jahrelangen Frust in die Welt hinausbrüllt.

Tiefgang: Wie gut kennen wir eigentlich unsere Mitmenschen? Franz Leitmayr jedenfalls erkennt in einer entscheidenden Extremsituation seinen Nachbarn nicht wieder und bringt diese ins Grab. Das offensichtliche, das nicht gesehen bzw. erkannt wird, durchzieht Tatort: Der traurige König, ob es sich nun um das Geschehen auf der anderen Straßenseite, das Replikat einer Waffe oder die Geheimniskrämerei innerhalb einer Familie dreht. Gescheitert wird in Der traurige König auf allen Seiten. Eine Randbemerkung: Schön auch, dass der stramme interne Ermittler in der Fahrstuhlszene mit Ivo Batic seinen Moment des (Selbst)Mitleids bekommt.

Mord des Sonntags: Notwehr, Totschlag oder ein provozierter Selbstmord? So oder so, der Abgang des verschwitzten, scheinbar verrückt gewordenen Siggi Aumeister hat durch seine Vieldeutigkeit diesen Titel verdient.

Zitat des Sonntags: “Ich dachte: Mach weiter! Lös den Fall, dann bist du wieder der Alte. Aber ich glaub, der bin ich nicht mehr.”

Ich war vom neuen Münchner Tatort positiv überrascht, aber hat er euch auch zugesagt?

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