Vielleicht kennt das jemand? Man geht allein ins Kino. Aus einem Grund. Und wenn man den Saal irgendwann verlässt, fühlt man sich, als sei alles, was vorher geschehen ist, ziemlich bedeutungslos und man kann jetzt einfach weiter machen. Vielleicht ist es auch das, was so einen Lieblings-Kinomoment ausmacht.
Kino bedeutet Emotion. Und der emotionale Teil in dir blendet die Nebensächlichkeit aus, dass hinter den Bildern, der musikalischen Untermalung, den Dialogen Arbeit steckt und das Werk dadurch etwas Künstliches, Unechtes darstellt.
Erinnere dich daran, wie du im Kinosessel gesessen hast, die Nachos oder das Popcorn auf deinem Schoß, das Getränk neben dir in der dafür vorgesehenen Ablage. Du bist entspannt und angespannt gleichzeitig. Ersteres, weil du dich jetzt, in diesem einen Moment, auf nichts anderes konzentrieren kannst, als auf das, was vor dir auf der Leinwand geschehen wird. Die Welt um dich herum ist ausgeschaltet. Du musst dir keine Sorgen machen um irgendwas, das in der Realität passiert. Zweiteres, weil du wissen willst, was dich erwartet und du eventuell schon lange darauf gewartet hast, endlich daran teilhaben zu können. Das ist gut, oder? Das macht es aus, ins Kino zu gehen.
Mein liebster Kinomoment ist wahrscheinlich einer, der einen ziemlich dramatischen Hintergrund hat und deshalb eigentlich kein schöner ist. Es war nicht einmal der beste Film, den ich je gesehen habe. Und er ist eigentlich einer von vielen, denn der wirklich tollste Kinomoment existiert für mich nicht. Wahrscheinlich könnte ich fünfzig gute Momente aufzählen. Mein erster Kinobesuch. Mein romantischster Kinobesuch. Mein witzigster Kinobesuch. All das sind besondere Erinnerungen, die mir erhalten bleiben, aber ein ziemlich prägender, der auch letztlich meine Zukunft in gewisser Weise mit gestaltet hat, ist der, als ich mir „Der Hobbit“ ansah.
Es war ein Dienstag und ich befand mich in der Wohnung meines damaligen Freundes. Ich saß an seinem PC, während er auf der Arbeit war und aus irgendeinem Grund stritten wir online und er meinte, ich solle bitte weg sein, wenn er wiederkäme. Ich war mir damals nicht mal bewusst, wie sauer er war und was er wirklich damit meinte, aber verletzt war ich trotzdem. Ich nahm meinen Kram und stieg in die nächste Straßenbahn. Ich schrieb kurz meiner Mitbewohnerin, bei der ich damals übergangsweise wohnte. Sie meinte, eine Freundin würde noch vorbeikommen. Ich wollte niemanden sehen und einfach nur meine Ruhe haben und es war für mich unvorstellbar, nun in die WG zurückzukehren, da ich auf dem Gästebett in der Küche nächtigte und mich somit nicht mal wirklich zurückziehen konnte. Es war eine schreckliche Situation.
Also stand ich irgendwann am Bahnhof, um die nächste S-Bahn von Potsdam nach Berlin zu nehmen - und entschied mich spontan, das Kino aufzusuchen. Ich kaufte vorher meine Lieblingschips, viel Schokolade, Cola, packte alles zusammen und kaufte mir eine Karte für den ersten Teil vom „Hobbit“, der schon eine Weile lief und deshalb höchstwahrscheinlich nicht überlaufen sein würde. Der Film war perfekt in diesem Moment, da er keinerlei emotionalen Anspruch an die Realität hatte. Ich setzte mich in die dritte Reihe von vorn, die ich komplett für mich hatte und die weit genug weg von den anderen Menschen im Saal war, da ich einfach nur allein sein wollte. Ich packte meine Sachen aus, machte es mir gemütlich, stopfte meine Frustchips in mich rein und versuchte, meinen Kopf auszuschalten, um mich auf eine „unerwartete Reise“ zu begeben.
Das gelang mir sehr gut. Irgendwie tauchte ich von der ersten Minute in diesen Film ein, war vollkommen für mich und schaltete die Welt einfach mal aus, mit allem, was dazu gehörte.
Ich bin diesem Film unglaublich dankbar, dass er in diesem Moment „da war“. In einer anderen Situation hätte ich sicher nicht diese Beziehung dazu aufbauen können. Ich hätte ihn sicher recht gut gefunden, witzig, irgendwie nett. Aber zu diesem Zeitpunkt war er mehr für mich als ein Film. Er hatte etwas therapeutisches aufgrund seiner Banalität.
Ich ging aus dem Kino mit einem guten Gefühl. Der Streit, das Verlangen nach Ruhe und der Wille zur Abschottung von einfach allem, alles war einfach weg und ich fühlte mich wieder gestärkt. Es war mir egal, was jetzt noch passieren würde, zumindest für den Moment.
Ich möchte jetzt gar nicht darauf eingehen, wie sich der Streit aufgelöst hat, wegen dem ich ja in die Welt von Mittelerde geflüchtet bin, ob er das hat oder wie es danach weiter ging. Worauf ich hinweisen wollte, war die Kernessenz dieses Textes: Manchmal ist Kino einfach alles, was man braucht.
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Wir bedanken uns ganz herzlich bei unseren Sponsoren. Hier erfährst du alles zum Prozedere des Schreibwettbewerbs und den Preisen. Eine Übersicht aller Texte des Schreibwettbewerbs findest du hier.
Denk daran: Stimme ab für Deutschlands Lieblingskino 2017!
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