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Meine 6 liebsten Studio Ghibli-Filme

22.06.2020 - 12:41 UhrVor 2 Jahren aktualisiert
Das Schloss im Himmel (1986)
Universum/Buena Vista
Das Schloss im Himmel (1986)
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Mit über 20 Filmen hat sich Studio Ghibli einen besonderen Status im Anime-Genre erarbeitet. Auf Netflix ist seit Monaten ein Großteil dieser Klassiker verfügbar. Ich habe mir jeden dieser Animes der letzten 30 Jahre angesehen. Es folgt meine Top 6.

Bei Wikipedia heißt im zweiten Satz: "Bekannte Anime-Produktionen des Studios sind zum Beispiel Mein Nachbar Totoro, Prinzessin Mononoke, Chihiros Reise ins Zauberland und Das wandelnde Schloss." Für viele Zuschauer dürfte allein diese kleine Auswahl zu den wahren Ghibli-Klassikern gehören und abseits von ihrem finanziellen Erfolg die allermeisten Rankings und Top-Listen schmücken.

Zu meinen liebsten Ghibli-Filmen zählen keine dieser vier Kandidaten. Bis auf Prinzessin Mononoke befänden sie sich nicht einmal in meiner Top 10. Das hier ist vielleicht eine untypische Liste, aber ich würde sie nicht machen, wenn ich die immer gleichen Favoriten ins Rampenlicht stellen müsste.

Das hier ist mein kleines, spezielles Ranking von sechs Studio-Ghibli-Filmen - manchmal bekannter und gängiger, aber manchmal vielleicht auch etwas ungewöhnlicher. Der Vollständigkeit halber habe ich Nausicaä aus dem Tal der Winde (1984) und Die rote Schildkröte (2016) in meine Auswahl mit einbezogen, auch wenn mir bewusst ist, dass der Erstgenannte streng genommen noch kein Film des Studio Ghibli war und es sich bei Letztgenannten nur um eine Co-Produktion handelte. Los geht's:

Platz 6: Der Mohnblumenberg (2011)

Nach seinem Regiedebüt hatte ich den Sohn von Hayao Miyazaki, Goro Miyazaki, in gewisser Hinsicht schon abgeschrieben. Die Chroniken von Erdsee (2006) zähle ich zu den schwächsten Filmen des Studio Ghibli. Fünf Jahre später kehrte Goro jedoch mit seiner zweiten Regiearbeit zurück und schaffte es damit gleich in meine Top-Liste.

Der Mohnblumenberg (2011)

Der Mohnblumenberg ist inhaltlich deutlich stimmiger und thematisch hervorragend ausgearbeitet. Zudem hebt sich Miyazakis Sohn stilistisch hervor. Er zeichnet seine Welt reduzierter, vielleicht weniger am Limit des Machbaren (im Gegensatz zum Vater), aber dafür mit einer eigenen, direkten Bildsprache, die sich auf die schönen runden Gesichter der Protagonisten und die malerische Umgebung fokussiert.

Thematisch funktioniert der Film mit einer Liebesgeschichte und seinem Gesellschaftsporträt auf zwei Ebenen. In den frühen 1960er Jahren befindet sich Japan gleichermaßen in einer Phase der Vergangenheitsbewältigung, sowie in einem bevorstehenden Aufbruch in die Moderne. Japan verarbeitet den Zweiten Weltkrieg bis heute auf viel subtilere und zurückhaltendere Weise.

Große Katastrophen und Naturspektakel können in Animes heute noch als Referenz auf die Atombombenabwürfe des Jahres 1945 verstanden werden. Das zeigt sowohl ein Klassiker wie Akira (1988), als auch ein modernes Beispiel wie Your Name. (2016).

Wenn Umi am Ende erneut die Flagge in Erinnerung an ihren verstorbenen Vater hisst, dann ist nicht mehr nur als schüchterner Rückblick zu verstehen, sondern gleichzeitig als eine bewusst präsent erhaltende Erinnerung mit der Japan in eine neue Zukunft blickt - in eine Zukunft mit einer frisch erweckten Generation an jungen Erwachsenen.

Platz 5: Wie der Wind sich hebt (2013)

Bis heute ist Wie der Wind sich hebt Hayao Miyazakis offiziell letzter Film, obgleich es in den letzten Jahren vermehrt Gerüchte gab, dass dem wohl doch nicht so sei. Auf der einen Seite hatte er sich hier für eine eher untypische Herangehensweise entschieden. Keine Romanvorlage, kein neues Fantasy-Abenteuer, nein, ein vergleichsweise harmloses Biopic sollte es werden.

Wie der Wind sich hebt (2013)

Auf der anderen Seite umso typischer, dass sich Hayao Miyazaki ausgerechnet für das Leben eines bekannten japanischen Flugzeugingenieurs entschied, lebte er damit doch einmal mehr seine Faszination für aller Art schnelle Flugzeuge aus (zuvor bereits mit Nausicaä aus dem Tal der Winde, Das Schloss im Himmel, Kikis kleiner Lieferservice und natürlich Porco Rosso).

Wiederum ungewöhnlich: Miyazaki musste sich trotz positiver Reviews recht viel Kritik anhören bei seinem Porträt eines Ingenieurs, der zu Zeiten des Weltkrieges Kriegsmaschinen für die Armee entwarf. Wie der Wind sich hebt mag vielleicht nicht kritisch genug mit der eigenen Figur umgehen, bedient sich währenddessen aber auch einer weitestgehend fiktionalen Erzählmethode, welche die Begeisterung und die Träume in den Vordergrund stellt.

Zudem darf nicht verkannt werden, dass sich Miyazaki mit Blick auf vereinzelte, erträumte Kriegsszenen jederzeit dem historischen Kontext bewusst war. Darf die Faszination für die Technik und das Genie dahinter niemals positiv konnotiert werden, weil die besagte Person leider für das falsche Regime zuständig war?

Schon Wernher von Braun sagte: "Die V2 funktionierte perfekt, nur leider landete sie auf dem falschen Planeten." Als Abschied inszenierte Miyazaki nicht nur wieder einen wunderschön gezeichneten und erzählten Film, er beendet sein Schaffen mit einem beeindruckenden, leicht wehmütigen Blick auf das Leben eines Idealisten - und vielleicht auch ein wenig auf sich selbst.

Platz 4: Tränen der Erinnerung – Only Yesterday (1991)

Dieser vierte Platz ist womöglich meine ungewöhnlichste Wahl und dürfte in nicht allzu vielen Top-Listen erscheinen. Tränen der Erinnerung - Only Yesterday ist Isao Takahatas einziger Film, der es knapp vor Die letzten Glühwürmchen und mit großem Abstand zu seinen anderen Werken in meine Liste geschafft hat. Der im Englischen Only Yesterday genannte Anime kam nach Die letzten Glühwürmchen ins Kino und ist weder visuell besonders aufregend, noch verfügt er über eine spektakuläre Geschichte.

Tränen der Erinnerung – Only Yesterday (1991)

Dieser Film ist vielleicht Ghiblis "normalster" bzw. bodenständigster Film. Ganz besonders macht Tränen der Erinnerung für mich die sehr zentrierte sowie introvertierte Geschichte über eine junge Frau. Daran muss man gewiss erst einmal anknüpfen können, aber in meinem Fall konnte ich die Erzählweise auf nahezu allen Ebenen nachempfinden.

Der Film handelt von dem Verhältnis des Erwachsenseins zu der eigenen Kindheit. Die Protagonistin Taeko erinnert sich in Abständen immer wieder an Schlüsselmomente ihrer eigenen Kindheit und beginnt diese neu zu reflektieren. Isao Takahata zeigt hier hervorragend die prägende Kraft der Kindheit, welche sich sowohl im Guten, als auch im Schlechten bis in die fortgeschrittenen Jahre des Erwachsenseins festsetzen.

Darüber hinaus spielt der Kontrast zwischen der Stadt und dem Landleben eine wichtige Rolle, wie er nicht selten in Animes vorzufinden ist. Dabei legt Takahata eine etwas andere Sichtweise auf das Verhältnis dieser beiden Lebensrealitäten. Es ist aber vor allem die gefühlvolle Herangehensweise und das emotionale Ende, welche Tränen der Erinnerung – Only Yesterday ihren ganz eigenen Charme und die möglicherweise unterschätzte inszenatorische Kraft verleihen.

Platz 3: Nausicaä aus dem Tal der Winde (1984)

Auf dem dritten Platz steht für mich eines der allerersten Werke von Hayao Miyazaki. Nausicaä - Prinzessin aus dem Tal der Winde wird meistens heimlich zu den Studio-Ghibli-Produktionen gezählt, obwohl er technisch gesehen ein Jahr vor der Gründung des Erfolgsstudios entstand. Der Erfolg des Films machte jedoch erst den Weg dahin frei und es ist Nausicaä, die Miyazaki als Kultfigur im Anime-Genre bekannt machte und mit dem einzigartigen Stil und der prägnanten Erzählweise über das Verhältnis zwischen Mensch, Natur und Technologie den Weg zu vielen weiteren Klassiker ebnete.

Alternativtitel: Nausicaä – Prinzessin aus dem Tal der Winde (1984)

Mir war dieser Titel noch vor kurzem kein geläufiger Name, da er nach all den Jahren offensichtlich stark hinter der öffentlichen Wahrnehmung von aktuelleren Filmen wie Prinzessin Mononoke (1997) und Chihiros Reise ins Zauberland (2001) zurückgefallen ist.

Für mich überträgt Nausicaä seine Botschaften allerdings besser. Ohnehin bin ich davon fasziniert, wie der Film innerhalb von zwei Stunden eine fremde Welt etabliert, die vor Kreativität, Ideenreichtum und Worldbuilding nur so strotzt. In Teilen wirkt der Film wie ein herausragendes Fundament für eine Trilogie, die wir nie zu Gesicht bekommen haben (zumindest der Manga hat die Geschichte weiter erzählt). Davon abgesehen ist es aber wieder die zauberhafte Inszenierung und die clevere Naturbotschaft, die Miyazaki hier zusammengeführt hat.

Es ist nicht nur der Kampf gegen die Natur, es ist der Umgang mit zerstörerischer Technologie, welche die Menschen in den Abgrund gerissen hat. Es ist das irrationale Verhalten der menschlichen Spezies, welche sich selbst noch in der Apokalypse gegenseitig bekriegt. Aber es ist auch das Stückchen Optimismus und Hoffnung, was dieses Erstwerk in einer feindlichen, dystopischen Zukunftsfantasie so einzigartig macht.

Platz 2: Erinnerungen an Marnie (2014)

Bei Erinnerungen an Marnie handelt es sich genauso wie bei Der Mohnblumenberg um die zweite Regiearbeit innerhalb des Studios. Es ist Hiromasa Yonebayashi, der bereits mit Arrietty (2010) ein beachtliches Debüt hingelegt hat. Erinnerungen an Marnie ist bis heute Ghiblis offiziell letzter Film, wenn man die Co-Produktion Die rote Schildkröte einmal ausklammert. Und es ist ein großartiger Abschluss nach ca. 30 Jahren Studio Ghibli, da mich der Film mit seinen emotionalen Charaktermomenten und wunderschönen Zeichnungen völlig überrascht hat.

Erinnerungen an Marnie (2014)

Ghibli erfindet sich immer wieder neu und kann ganz andere Arten von Geschichten erzählen, wenn man erstmal über den Tellerrand der Miyazaki-Filme hinaus schaut. Und dennoch hat mich dieses introvertierte Melodrama unerwartet mitgenommen.

Innerhalb des Studios wäre der Film am ehesten mit Tränen der Erinnerungen zu vergleichen, außerhalb dieses Kosmos' käme Erinnerungen an Marnie Geschichten wie Life is Strange (2015) bzw. Life is Strange: Before The Storm (2017) gleich. Im Kern geht es dabei um Problem-geplagte Jugendliche, die sich aufgrund ihrer zurückhaltenden und introvertierten Wesensart nicht wirklich als Teil der Gesellschaft fühlen. Erst der unverhoffte Eingriff von außen sowie die eigene Neugier und Beobachtungsgabe dienen schließlich als Auslöser eines eigenen, persönlichen Abenteuers.

Letztlich führt dies zur eigenen Reife, ja, in Coming-of-Age Tradition münden die Ereignisse zur persönlichen Befreiung und tragen, wenn auch nicht unmittelbar, zum Erwachsenwerden bei. Erinnerungen an Marnie hat mein Herz für solche Geschichte genau getroffen und schafft es mit seiner schwermütigen, gefühlvollen Herangehensweise, gepaart mit einem hervorragenden Soundtrack, ein einzigartiges Erlebnis zu kreieren.

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Honorable mentions: Die letzten Glühwürmchen (1988), Arrietty – Die wundersame Welt der Borger (2010), Prinzessin Mononoke (1997) und Kikis kleiner Lieferservice (1989)

Hier findet ihr meine Bewertungen aller Studio-Ghibli-Filme inklusive Kurzkritik. Diese Liste entspricht keiner Rangliste, aber anhand der Punktewertungen lassen sich meine Präferenzen grob ablesen.

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Platz 1: Das Schloss im Himmel (1986)

Auf dem ersten Platz landet doch wieder ein Film von Hayao Miyazaki. Es ist der Erste, der von Studio Ghibli entwickelt wurde und gehört neben Chihiros Reise ins Zauberland zu den wenigen Animes, die ich bereits in jungen Jahren sehen konnte. Vielleicht blicke ich auch deswegen etwas nostalgisch verklärt auf Das Schloss im Himmel zurück.

Das Schloss im Himmel (1986)

Der Film zählt zwar definitiv zu den Ghibli-Klassikern, aber meiner Wahrnehmung nach steht er im Vergleich zu anderen Werken bei vielen Zuschauern und Fans nicht in der aller höchsten Gunst. Nachvollziehen kann ich das eher weniger, da Miyazakis frühes Werk auf rein dramaturgischer und struktureller Ebene einer seiner best-ausgearbeiteten Geschichten ist. Währenddessen beschwört er eine klassische Abenteuergeschichte hervor und bedient sich dabei visuell und erzählerisch an den Büchern von Jule Verne und dem Roman Gullivers Reisen.

Mit der charakteristischen Gut-gegen-Böse-Zeichnung mag Das Schloss im Himmel für einige Beobachter vielleicht zu konventionell und einfach wirken, aber auf thematischer Ebene finden dabei so viele spannende und interessante Vorgänge statt, dass ich den Film auch gerne mit Star Wars (1977-2005) vergleiche.

Mit Blick auf die Charaktere findet sich hier die klassische Heldenreise, das Verhältnis zwischen einem einfach lebenden Protagonisten, der unverhofft zum Abenteuer gerufen wird, und einer Prinzessin, die sich einer skrupellosen, militärischen Organisation gegenübergestellt sieht. Thematisch ist es dann aber vor allem das Verhältnis zwischen Mensch und Technik (siehe auch Nausicaä), welches schon direkt in der Introsequenz in Form einer aufsteigenden sowie untergehenden Zivilisation aufgegriffen wird.

In der Folge ist es schließlich die Macht von zerstörerischer, aber auch reichhaltiger Technologie, der Umgang mit dieser und wie Miyazaki die Konsequenz aus jener Gegebenheit bewertet. Hier bricht die Geschichte am Ende mit ihrer vermeintlich einfachen Gut-gegen-Böse-Zeichnung und inszeniert die Zerstörung sowie die Abstoßung der verheißungsvollen Technologie.

Was haltet Ihr von meiner Liste? Was sind Eure Top-Ghibli-Filme?

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