Platz 10: Was geschah wirklich mit Baby Jane?
Der Film ist Thriller, Horror, Drama und Tragödie in Einem, und egal, welche Facette er aufsetzt, extrem intensiv. Bette Davis und Joan Crawford spielen absolut überzeugend ihre Rollen als verfeindete Schwestern - kein Wunder, da die Darstellerinnen auch privat verhasst waren. Ist die Eine durch einen Unfall an den Rollstuhl gefesselt, kann die Andere ungehindert ihren jahrelang aufgestauten Neid und Hass freien Lauf lassen - und tut dies auch zu genüge. Als Kinderstar Baby Jane wurde Davis weltberühmt, doch nur ihre Schwester konnte sich langfristig im Filmgeschäft etablieren. All diese Wut kann die Frau nun hinauslassen und ihr auf ihre Hilfe angewiesenes Opfer quälen - was zunächst als böser Scherz beginnt artet bald in Extreme aus... der Film aus 1962 ist nicht nur hochspannend und nervenaufreibend, sondern auch hintergründig - hier wurde sich schon mit dem Phänomen der Kinderstars auseinandergesetzt, und wie der zu frühe aber nicht ewig andauernde Ruhm sich auf die Psyche auswirken kann. Davis und Crawford spielen dermaßen exzessiv, dass das Herz nervös zu klopfen beginnt.
Platz 9: Wer hat Angst vor Virginia Woolf?
Es ist mir unmöglich, diesen Film kurz zu reviewen, ohne zu SPOILERN, also seid gewarnt: ich hätte nie gedacht, dass ein Ehedrama mit Elizabeth Taylor und Richard Burton in einer Parabel um Wahrheit und Fiktion endet, die mich darüberhinaus das Verständnis von Empathie überdenken ließ. Burton und Taylor erzahlen immer wieder Anekdoten über ihren Sohn - und wir glauben ihnen, da wir es als die filmische Wahrheit sehen. Am Ende stellt sich jedocj heraus, dass es diesen nie gab, und er nur in ihrer Fantasie existiert. Sie wissen das ganz genau, und können von dieser von ihnen so sehnlich gewünschten Person nicht loslassen, und tun daher so, als hätten sie eine Vielzahl an Erinnerungen an ihn. Ein tieftrauriger Film. Ich war den Tränen nahe - auch, weil ich das Gefühl von textbasierten Rollenspielen gut kenne. Auch zu fiktionalen Figuren kann man eine unheimliche Bindung entwickeln, als wären sie real.
Platz 8: Dem Himmel so fern
Julianne Moore findet heraus, dass ihr Mann verschlossen homosexuell ist. Sie sucht Rat bei ihrem schwarzen Gärtner, und freundet sich mit ihm an - bis sie miteinander gesehen werden und das Getuschel beginnt, und ihr als perfekt geltender Haushalt zum Zielobjekt von Ächtung und Hass wird. 2003 erschien dieser sozialkritische Film über die vorurteilsbehaftete Gesellschaft der 1950er Jahre. Dafür wurde nicht nur die Optik der damaligen Zeit übernomen, sondern der gesamte Film ist im Stil klassischer Dramen der goldenen Ära Hollywoods gedreht. Dramaturgie, Musik, Kamera, Farbgestaltung, Schauspielführung, Dialoge - wüsste man es nicht besser, würde man wirklich denken, man hätte einen Film der Fünfziger vor sich - und einen verdammt guten, mit wichtiger Aussage.
Platz 7: Warte, bis es dunkel ist
Audrey Hepburn spielt eine blinde Frau, in deren Haushalt eine mit Drogen gefüllte Puppe landet, ohne, dass sie deren Inhalt kennt. Natürlich wollen die "rechtmäßigen" Besitzer ihr Gut wiederhaben - und spielen ihr eine fiktive Geschichte vor, um ihr den Aufenthaltsort zu entlocken. Allerdings vergessen sie, dass fehlende Sehkraft nicht bedeutet, dass sie es nicht mit einer scharfsinnigen Person zu tun haben... Es wäre eine Untertreibung, zu sagen, Hepburn spiele die Blinde authentisch. Sie ist blind. Während dieser Zeit kann sie nicht gesehen haben. Niemand kann mir weismachen, sie hätte nicht ihr Augenlicht verloren. Dazu kommt noch ein raffiniertes Drehbuch sowie ein Feeling von Suspense, auf das selbst Alfred Hitchcock stolz wäre.
Platz 6: Mulholland Drive
David Lynch kreiert ein Meisterwerk aus Puzzleteilen, dessen hypnotischer Atmosphäre man sich nicht entziehen kann. Der Film erscheint am ersten Blick ohne Logik, da er seine zunächst lineare Story innerhalb weniger Sekunden dekonstruiert und eine komplett verdrehte Version der Ereignisse fortführt. Doch denkt man erstmal etwas über die filmischen Geschehnisse nachdenkt, dann scheint er, sobald man den richtigen "Schlüssel" gefunden, sogar extrem logisch und linear. Abgesehen davon eine absolut tranceähnlicher, düsterer und intensiver Szenenaufbau, wahrlich ein Meisterwerk des verschachtelten Thrillers.
Platz 5: Nymphomaniac 1 und Nymphomaniac 2
Lars von Trier war immer schon höchstkontrovers, und als er einen Film ankündigte, in dem es nicht nur um Nymphomanie geht, sondern der auch unsimulierte Sexszenen beinhaltet, wurden bereits im Vorfeld die Stimmen laut: Skandal, Skandal! Aber es wurde vergessen, dass von Trier außerdem ein Meister des Autorenkinos ist. Tatsächlich ist die fiktive Biografie ein Werk, dass unsere komplette moderne Gesellschaft in quasi all ihren Tabuthemen dekonstruiert, und zeigt, wie bigott einige Aspekte immer noch behandelt werden. Religion, Political Correctness, Pädophilie und Abtreibung werden vollkommen vorurteilsfrei behandelt. Zusätzlich ein 5-Stunden-Epos, der von schwarzem Humor bis dramatischen Inszenierungen, Wärme und Kälte, Sachlichkeit und Symbolik, Verständnis und Überzeichnung, Spannung und Trockenheit, Leid und Lust, Liebe und Hass, absolut alles bietet, was man sich wünscht.
Platz 4: Sunset Boulevard - Boulevard der Dämmerung
Ist es ein Film Noir? Eine Satire? Ein Biopic? Oder eine Tragödie? Wohl alles. Der vergessene Stummfilmstar Gloria Swanson spielt einen vergessenen Stummfilmstar, ihre vergangenen Erfolge sind tatsächliche Filme Swansons. Regisseure und Produzenten, sowie andere Schauspieler spielen sich ebenfalls quasi selbst - nur ihr Rollenname ist anders. Das alles verleiht dem Film um eine längst verblasste aber immer noch größenwahnsinnige Stummfilmdiva einen bitteren Nebengeschmack der Wahrheit. In diesem Werk trifft ein erfolgloser Hollywoodautor durch Zufall auf das Haus dieser einstigen Ikone - es gleicht einem Museum, einem Antiquitätenladen ihres vergangenen Ruhms - es ist eine Scheinwelt, um die Illusion aufrechzuerhalten, dass sie immer noch wie eine Göttin verehrt wird. Ein verzweifelter Film... und leider auch mit einer gewissen Authenzität.
Platz 3: Der Bockerer
Eine Perle des österreichischen Kinos. Karl Merkatz spielt in dieser fiktiven Biografie einen toleranten und lebensfrohen österreichischen Fleischhauer, zur Zeit, als der Nationalsozialismus Einzug in Österreich hält. Karl Bockerer, so der Name des Protagonisten, ist als einziger in seiner Familie nicht begeistert von der Ideologie, tut sie aber als moderne Erscheinung ab. Dabei wirkt sein Charakter zunächst etwas naiv, da er sich keiner Schuld bewusst ist, seinen Liberalismus weiterhin auszuleben - erst nach und nach bemerkt er, was hier eigentlich gespielt wird. Als er und andere immer weiter in die Enge getrieben und mundtot gemacht werden, wird er langsam aber sicher zum aktiven Anti-Nazi-Rebell. Die Wandlung ist nicht nur brillant, sondern auch sehr plausibel. Er unterstützt den Nationalsozialismus nicht, ist sich aber der Ausmaße des Radikalismus nicht bewusst. Es war außerdem mutig, in den 80er Jahren ein NS-euphorisches Österreich zu zeigen. In mehrere lebensnahe Episoden eingeteilt wohl das realistischste Abbild des damaligen Zeitgeistes, mit dem pazifistischsten Monolog seit der Schulklassenszene in 'Im Westen nichts Neues'.
Platz 2: Triumph des Willens
Ich habe bei keinem anderen Film in dieser Liste wohl derartig lange nachgedacht, ob ich ihn hineinnehmen sollte oder nicht. Wenn ich es tat, war mir klar, musste er ganz nach oben in die ersten 5 Plätze. "Triumph des Willens" von Leni Riefenstahl IST ein reiner Propagandafilm für die NS-Partei, und das kann niemand bestreiten. Sie selbst bezeichnete den Film als unparteiisches Dokumentarwerk, aber das ist TdW mitnichten. Euphorisch und voller Ekstase hat sie den Reichsparteitag 1934 mitinszeniert und dann als ästhetisches Filmprojekt gefilmt. Nichtsdestotrotz ist das letztliche Ergebnis ein Monument der Filmgeschichte, dass nicht nur vielen gefeierten Regisseuren - darunter u.A. Ridley Scott oder George Lucas - als Inspiration diente, sondern auch einfach ein packendes Erlebnis ist. Der Film sei gewiss nicht jedem empfohlen, und setzt ein enormes Maß an Reife und Differenzierung voraus, ist allerdings für jene, die diese Voraussetzungen erfüllen ein Rausch aus Gleichschritt, Symmetrie und Epik, Fahnen und Musik, Geschrei und Menschenmassen - ein Werk absoluter Ästhetik mit einer so unmittelbaren Atmosphäre, dass man dieses Böse sogar irgendwie zu spüren vermag. Schade, dass Riefenstahl nicht wie viele andere Filmschaffende nach Amerika ging und ihre unvergleichlichen Regiekünste für eine gute Sache eingesetzt hat.
Uuuuuuuuund...
Platz 1: Solange es Menschen gibt
Ich habe schon lang keinen dermaßen ergreifenden und großartigen Film mehr gesehen. Das Drama aus den 1950 handelt von zwei Müttern - eine weiß, eine schwarz - die über Jahre hinweg eine enge Freundschaft aufbauen. Beide haben Probleme mit ihren Töchtern: die Eine fühlt sich von ihrer Mutter aufgrund deren vollbeschäftigenden Schauspielkarriere schwer vernachlässigt, die Andere wendet sich von ihrer offensichtlich farbigen Mutter ab, da sie derartig hellhäutig ist, dass sie als Weiße durchgeht. Absolut gefühlsstarkes und intelligentes Kino. Alle vier Figuren können ihr eigenes Glück nur finden, indem sie einer anderen schaden. Wir können ihre Handlungsweise vielleicht nicht verstehen odrr hassen, aber würden sie es nicht tun, würde dieser Hass auf die jeweils andere Figur fallen. Alle Probleme und Themen sind ernst, niemand ist vollkommen und niemand will jemand anderes etwas Böses. Außerdem ein beißender Kommentar auf die Härten und Vorurteile der 50er Jahre, und wie sie die Gesellschaft salonfähig machten. Der beste Film, den ich dieses Jahr gesehen habe. Nachhaltig absolut beeindruckend.
Dann noch einen guten Rutsch ins neue Jahr an meine liebste Filmcommunity! Möge 2015 ein filmstarkes Jahr werden!