Mit Lederhose und Pickelhaube ins Kino

31.03.2014 - 08:50 UhrVor 10 Jahren aktualisiert
Die töllkühnen Männer in ihren fliegenden Kisten
20th Century Fox
Die töllkühnen Männer in ihren fliegenden Kisten
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Schon früh tauchten deutsche Figuren in Hollywoodfilmen auf. Als Nazis wurden sie gar unersetzliches Accessoire. In verschiedensten Ausprägungen bevölkerten sie die Leinwand und die folgende Artikelreihe widmet sich ihnen allen. Zumindest fast.

Im Piloten von Twin Peaks gibt es eine kurze Szene, die nicht weiter wichtig ist. Im Double R Diner ist Schichtwechsel. Shelly Johnson wird mit Bobby Briggs in einen düsteren Morgen mit unguten Überraschungen aufbrechen, dessen Folgen Millionen von Zuschauern fesseln werden. Shellys Ablöse Heidi wird stattdessen im Nirwana der Bedeutungslosigkeit verschwinden, sobald sie ihre Arbeit beginnt. Sie lacht nur kurz und bringt verlegen kaum ein Wort heraus, während sie auf die beiden trifft. Kaum mehr wird von ihr jemals zu sehen sein. Einen Nachnamen werden wir nie erfahren, aber wenn es ihn geben sollte, wird er wohl klanglich etwas von Schnitzel haben oder Sauerkraut, denn Heidi ist eine Witzfigur und ein Klischee. Ein Farbtupfer im nordamerikanischen Nirgendwo, der kurz amüsieren soll. Und dafür muss sie nicht viel machen, außer einfach nur deutsch zu sein.

Sicherlich hätte sie auch eine Französin sein können, aber dann wäre sie vielleicht etwas attraktiver gewesen – und wo ist der Witz daran? Oder Engländerin, aber dann wäre sie wohl etwas hochnäsiger gewesen und hätte nicht in die Szenerie gepasst. Eine Spanierin? Zu rassig. Eine Asiatin hätte vielleicht nicht die ausreichende Projektionsfläche für Spott. Diese Szene ist wirklich nicht weiter wichtig, aber sie fasziniert mich, weil mir scheint, dass gerade in dem Ambiente zu der Stelle mit der Absicht es keine bessere Figur in einem amerikanischen Film geben kann, als eine schüchterne Deutsche. Jede andere Nationalität hätte in einem solchen kurzen Moment, der sich nur auf oberflächliche Klischees verlassen kann, eine andere Wirkung gehabt. Ein kleiner Tupfer, der sehr viel sagen kann.

Es gibt in Hollywoodfilmen viele solcher großen und kleinen Momente, in denen Deutsche auftauchen – und sie fallen mir mehr auf, als wenn eine Person einer anderen Nationalität auf der Leinwand vor mir erscheint. Diese Figuren sind viel spannender für mich und viel näher an mir dran, weil ich im vermeintlichen Land von Sauerkraut und Würsten geboren und aufgewachsen bin. Sie zeigen, wie von diesem Phantasieprodukt „den Deutschen“ erzählt, wie über sie gedacht wird – wie die vielfältigen Bewohner eines vielschichtigen Land auf einen Nenner gebracht werden. Da offenbart sich vielleicht bloß ein ignoranter, arroganter oder karikierender Blick, der mehr über den Autor und das (Ziel-)Publikum aussagt, als über den Betrachteten, aber trotzdem auch etwas darüber zu sagen hat, was sie denn so sind, diese Deutschen.

Und die Deutschen sind in Hollywood vor allem da, um Spaß zu machen. Sie sind irgendwie immer seltsam – oder bedrohlich. Aber das geht ja oft Hand in Hand. In Blue in the Face erzählt Jim Jarmusch über seine Verwunderung, dass die Nazis in Filmen immer so sonderbar rauchen müssen. Darin spiegelt sich vielleicht aber einfach das Hinken des Dämonen, welches ihn verrät. Wer so böse wie die Nazis ist, der kann auch nicht normal sein und muss seine Fluppe exzentrisch zwischen Mittel- und Ringfinger tragen. Und so ist der Deutsche noch in seiner schlimmsten Ausprägung schon wieder irgendwie spaßig … zumindest in den Filmen. Er ist fast immer der Hanswurst, über den gelacht wird, damit sich die Furcht über sein realexistierendes Kriegstreiben nicht so stark ist oder weil er eben herrlich weltfremd ist.

So unterschiedlich sie dann auch sind, diese Figuren in all ihren Filmen, bei einem genauen Blick haben sie doch vieles gemeinsam und scheinen nur die unterschiedlichen Seiten einer Münze zu sein. Die steifen Preußen, die bierseligen Lederhosenträger, die Nazis, Dämonen und Snobs, die hochnotpeinlichen Naivlinge, Nihilisten und Phantasten, die Barbaren, Wissenschaftler und Schöngeister, mal als Witzfigur, mal mit vollem Ernst dargestellt, sie alle sind deutsch. Sie alle haben diesen gemeinsamen Nenner, der sie immer auf den ersten Blick erkennbar verbindet. Einen Nenner, der sich aber gerade erst durch das gegenseitige über einander Erzählen entwickelt und das Deutschsein erfindet und eben sofort erkenntlich macht. Ein Nenner, der seit einem Jahrhundert in Verhandlung ist, sich verändert und verschiebt, der auf offensichtlichen Unterschieden im sozialen Miteinander fußt, wie auf der Forterzählung „ewiger“ Klischees.

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