Supersex: Netflix verfilmt die Geschichte eines der größten Porno-Stars aller Zeiten – aber auf die langweiligste Art und Weise

23.02.2024 - 14:50 UhrVor 2 Monaten aktualisiert
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In der Netflix-Serie Supersex erfahren wir die Lebensgeschichte des italienischen Porno-Stars Rocco Siffredi. Erwartet allerdings kein zweites Boogie Nights. Hier kommt eine riesige Enttäuschung auf uns zu.

"Ich habe in 95 Tagen 50 Sexszenen gedreht." Das erzählte Schauspieler Alessandro Borghi im März 2023 dem Online-Magazin Today.it  über die Entstehung der italienischen Netflix-Serie Supersex. Die Aufmerksamkeit hatte er damit sofort auf seiner Seite. Knapp ein Jahr später feiert die siebenteilige Miniserie über den Porno-Star Rocco Siffredi auf der Berlinale 2024 ihre Premiere. Doch was steckt hinter dem Hype?

Borghi versprach im erwähnten Interview nicht nur zahlreiche Sexszenen, sondern auch eine Abrechnung mit der italienischen Bigotterie. Er habe die umstrittene Rolle des Rocco Siffredi gewählt, um sich "ein bisschen mit allen zu streiten." Nach den drei Episoden, die im Rahmen der Berlinale Special Gala gezeigt wurden, stellt sich aber Ernüchterung ein. Supersex ist alles andere als ein mutiges Netflix-Projekt.

Neue Netflix-Serie: Supersex taucht in die Vergangenheit von Porno-Star Rocco Siffredi ein

Zu Beginn der Geschichte befindet sich Rocco Siffredi (Borghi) auf dem Höhepunkt seiner Karriere. Im Blitzlichtgewitter bewegt er sich durch die Menge, alle Augen kleben an ihm. Er ist einer der größten Stars der Branche, seit Jahren im Geschäft und gefragter denn je. Umso überraschender kommt seine Ankündigung vor laufender Kamera, dass er sich aus der Pornowelt zurückziehen will. Rocco Siffredi – dieser Name war einmal.

Hier könnt ihr den Trailer zu Supersex schauen:

Supersex - S01 Trailer (English Subs) HD
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Ein Geist aus der Vergangenheit jagt Rocco einen Schauer über den Rücken. Es dauert nicht lange, bis auch die Serie die erzählerische Gegenwart verlässt und ins Italien der 1960er und 1970er eintaucht. In der idyllischen Hafenstadt Ortona wächst der junge Rocco im Kreis seiner Familie auf und fiebert vor allem auf ein Ereignis hin: die Rückkehr seines Halbbruders Tommaso (Adriano Giannini), sein größter Held.

Tommaso verkörpert alles, was sonst keiner der halbstarken Jungs um Rocco ist. Mühelos scheint ihm das Glück in die Hände zu fallen. Er besitzt sein eigenes Auto und muss sich um sein Aussehen keine Gedanken machen. Lässig, charmant und großzügig lächelt er sich in das Herz der Menschen von Ortona. Am wichtigsten aber ist: Er geht mit dem schönsten Mädchen der Stadt aus. Rocco will genauso sein wie er.

Netflix' Supersex hangelt sich ideenlos von einer Station zur nächsten in Rocco Siffredis Leben

Im Lauf der Zeit tritt eine zweite große Inspiration in Roccos Leben: Supersex. Der pornografische Comic über die titelgebende Heldenfigur, deren Superkraft Sex ist, wird bald zu seiner persönlichen Bibel. Jede zerknitterte Seite kennt er bis ins kleinste Detail auswendig. Supersex legt den Grundstein für Roccos spätere Karriere in der Pornoindustrie. Doch ganz so geradlinig verläuft der Einstieg nicht.

Adriana Giannini als Tommaso in Supersex

Immer wieder tauchen wir in Roccos Vergangenheit ein und lernen eine Station seiner bewegten Lebensgeschichte kennen. Der Verlust eines Bruders, die Entfremdung von der Familie und die Entdeckung von Paris als ultimativen Ort der Liebe (und gebrochenen Herzen): Das Zentrum der Serie ist seine Beziehung zu Tommaso. Von Folge zu Folge offenbaren sich hier mehr Abgründe, Streitereien und Gewalt.

Adriano Giannini spielt sich als bedrohliche, impulsive Präsenz in die Serie. Er ist der Geist, der Rocco in der Gegenwart keine Ruhe lässt und als narrativer Motor für sein Leiden fungiert. Etwas Verheerendes ist zwischen den beiden vorgefallen. Dieses Geheimnis, das zögerlich enthüllt wird, genügt allerdings nicht, um Supersex in eine packende Geschichte zu verwandeln. Denn alles drumherum ist völlig uninspiriert.

Supersex fehlt die eigene Superkraft: Eine Netflix-Serie vom Fließband auf der Berlinale

Angefangen bei der monotonen Erzählstruktur, die nur obligatorische Punkte abhakt, um die Grundmotivation der Figuren zu erklären, bis hin zum völlig nichtssagenden Look, dem ein paar Neonlichter genügen, um Nachtclubstimmung heraufzubeschwören: Supersex reiht sich zu den vielen austauschbaren Netflix-Serien, die keine eigene filmische Identität besitzen, obwohl die Vorlage kaum aufregender sein könnte.

Saul Nanni als junger Rocco Siffredi in Supersex

In Supersex sollte die gleiche Energie sprudeln, mit der Paul Thomas Anderson die Geschichte des (fiktiven) Porno-Stars Dirk Diggler in Boogie Nights bündelt. Der Film ist Drama und Satire zugleich. Ein mitreißender Blick hinter die Kulissen der Industrie, der erbarmungslos den Niedergang skizziert und uns trotzdem ein Stück des Traums leben lässt. Supersex fühlt sich leider zu keiner Sekunde so lebendig an.

Die ersten drei Episoden rauschen mit dem notwendigen Minimum an Interesse durch Siffredis Werdegang, um von einem Ort zum anderen zu kommen. Die Fragen über (toxische) Männlichkeit, Geschlechterrollen und die gesellschaftliche Wahrnehmung der Welt, in die Rocco eintaucht, werden nur angekratzt. Auch der Zwiespalt zwischen Geschäft und Gefühlen, zwischen Porno und Leidenschaft ist kaum greifbar.

Und so richtig zum Streiten ist Supersex auch nicht. Die Serie wählt Harmlosigkeit statt Biss. Um unbequemes Terrain wird ein großer Bogen gemacht. Bloß nicht anecken. Bloß keine frechen, aufrüttelnden Entscheidungen. Netflix hat einen Weg gefunden, selbst die ungewöhnlichsten Geschichten mit einer genormten Gleichgültigkeit zu erzählen. Selbst Siffredis softcorigster Porno dürfte mehr Ecken und Kanten haben.

Die ersten drei Episoden von Supersex laufen in der Sektion Berlinale Special Gala bei den 74. Internationalen Filmfestspielen Berlin. In Deutschland startet die Serie am 6. März 2024 bei Netflix. Alle sieben Episoden werden gleichzeitig veröffentlicht.

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