Da sitzt Hannah Arendt vor mir dachte ich, als ich mich mit Schauspielerin Barbara Sukowa und Regisseurin Margarethe von Trotta zum Interview traf. Am 10. Januar startet der Film Hannah Arendt in den Kinos und zeigt uns eine Philosophin, die wir so schnell nicht wieder vergessen werden. Die Geschichte dreht sich um den Adolf Eichmann-Prozess in Israel, dem Hannah Arendt beiwohnt. Daraufhin schreibt sie das Buch “Eichmann in Jerusalem – Ein Bericht von der Banalität des Bösen”, welches sich mit dem Prozess auf kontroverse Weise auseinandersetzt. Hannah Arendt ist ein starker, wichtiger und gleichwohl unterhaltsamer Film und ich hatte die Chance, mich mit einer kleinen Gruppe von Reportern zuerst mit der Regisseurin und anschließend mit der Hauptdarstellerin zu unterhalten.
Frage: Wie kam es denn zu Hannah Arendt?
Margarete von Trotta: Die Idee entstand 2002, 2004 hatten wir das erste Drehbuch und natürlich wäre es schön gewesen, zeitnah mit den Dreharbeiten zu beginnen, aber das Geld ist halt leider erst so spät zusammen gekommen. Zum Anfang wollten wir eigentlich ein Biopic machen, haben dann aber sehr rasch begriffen, dass wir das gar nicht hätten erfüllen können. Dem Film dann auch eine Tiefe zu verleihen, das wäre wirklich wie ein Ritt über den Bodensee gewesen, von einer Station zur nächsten. Hannah Arendt hatte ja auch ein sehr bewegendes Leben. Die Flucht 1933 aus Berlin nach Frankreich. Nach dem Einmarsch der Deutschen ist sie dort in ein Internierungslager gekommen und von da aus konnte sie fliehen, Gott sei Dank, da die, die dageblieben sind, alle nach Auschwitz gekommen sind. Und dann ging sie mit ihrem Mann 1941 nach New York, wo sie dann auch geblieben ist.
Frage: Und warum haben Sie sich für den Eichmann-Prozess als Hauptaugenmerk entschieden?
Margarete von Trotta: Wir haben uns gefragt, was war das herausragende Ereignis in Arendts Leben? Und das ist nun mal der Eichmann-Prozess. Ich fand diese Gegenüberstellung spannend – Eichmann und sie. Das ist eben keine philosophische Abhandlung, wie in ihren anderen Büchern. Hier gibt es einen direkten Gegner – eine Situation wie in einem Duell. Sie guckt ihn an und erkennt etwas, schreibt dies dann auf, daraus wird ein bekanntes Buch und er wird auf ewig mit diesem Begriff „Banalität des Bösen“ verbunden sein.
Frage: Was macht Hannah Arendt so authentisch im Film?
Margarete von Trotta: Hannah Arendts Freundin Lotte Köhler und ihr letzter Assistent Jerome Kohn sind während des Schreiben des Drehbuchs ein bisschen wie unsere Familie geworden. Wir haben sie sehr oft getroffen. Bis zum Schluss haben wir Jerome E-Mails geschickt und nach ihrer Lippenstiftfarbe gefragt.
Frage: Sie hat sich ja ganz lange immer wieder mit Philosophie und Denken beschäftigt.
Margarete von Trotta: Na ja, sie hat ja auch gelehrt und hat Philosophie unterrichtet.
Frage: Hatten Sie denn nie Bedenken, dass diese Darstellung einer politischen Philosophin und ihre Auseinandersetzung mit einem Naziverbrecher, dass man dabei scheitern könnte? Die Motive dieser Person und der ganze geschichtliche Zusammenhang…?
Margarete von Trotta: Das fragen einen nur die Deutschen. Die fragen einen immer: Hatten sie nicht Angst zu scheitern? Natürlich hatte ich Angst zu scheitern. Aber wenn ich diese Angst nicht überwinden würde, könnte ich überhaupt nie ein Thema angehen. Die Angst des Scheiterns ist immer da. Sie zu überwinden, den Mut aufzubringen, es dennoch zu versuchen, das ist das Spannende.
Frage: Ich habe gelesen, dass Hannah Arendt ihre schwierigster Film war. Warum ist das so?
Margarete von Trotta: Ja. Einen Film über eine Denkerin zu machen, das ist ja nun nicht das, wonach man gerade drängt. Ich dränge mich zwar immer danach, eine Herausforderung anzunehmen. Ich liebe das einfach und denke, je älter ich werde, desto mehr Mut muss ich auch haben. Ich möchte nicht ins Grab gehen und denken: Ach, hätte ich nicht doch noch – warum hast du nicht, weil du einfach Angst hattest zu scheitern. Man muss den Schwierigkeitsgrad erhöhen und deswegen ist das mein schwierigster Film.
Frage: … und die persönliche Motivation? Die hätte mich jetzt noch interessiert.
Margarete von Trotta: Über Rosa Luxemburg führte eigentlich ein direkter Weg dann zu Hannah Arendt. Rosa Luxemburg hat noch mit Hoffnung ins Jahrhundert geblickt. Dieses Vertrauen in das kommende Jahrhundert. Sie war noch optimistisch und dachte, dass nun alles besser werden würde. Und dann führt die Spur zu meinem Film Rosenstraße, in dem Frauen um ihre Männer kämpfen. Sie sind mittendrin in der finsteren Zeit, wie Hannah Arendt diese Zeit später nennen wird. Dann kommt man zu Hannah Arendt und sie blickt zurück. Also, die eine blickt nach vorne, mit großer Euphorie, die andere blickt zurück und analysiert das Jahrhundert auf eine sehr brillante Weise. Dies war für mich die Klammer.
Frage: Es wurde Hannah Arendt ja zum Vorwurf gemacht, dass sie so kalt und gefühllos sei…
Margarete von Trotta: Ja, das wurde ihr zum Vorwurf gemacht. Absolut. Dieser Vorwurf besteht ja heute noch. Ich war gerade in Israel und da kam eine Frau, die den Film gesehen hatte und sagte, sie würde sie hassen, sie wäre kalt, herzlos und gefühllos. Sie hatte also die gleichen Vorwürfe, die auch im Film aufkamen. “I hate Hannah Arendt”, sagte sie. Da habe ich gesagt: “Na, wenn sie den Film gesehen haben, dann haben sie ja vielleicht gemerkt, dass sie so kalt und herzlos nicht ist.” Da hat sie gesagt: “I hate her even more.”
Nun wollten wir auch von der brillanten Hauptdarstellerin wissen, wie sie zu der Rolle der Hannah Arendt kam und vor allen Dingen, ob sie im Film echte Zigaretten rauchen musste …
Hier ein kleiner Vorgeschmack und Auszug aus dem Film