Southland - Nicht jeder macht im Süden Urlaub

23.04.2015 - 09:30 UhrVor 9 Jahren aktualisiert
Ben McKenzie und Michael Cudlitz in SouthlandWarner Home Video
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Polizeiserien sind eigentlich nicht wirklich meins. Doch das, was Ann Biderman da mit Southland geschaffen hat, ist für mich große Kunst und harter Tobak zugleich. Wenn ihr die Serie brav guckt, gibt's einen Stempel ins Muttiheft.

Als Southland bezeichnet man den südliche, urbane Region von Los Angeles. Hier ist nicht alles so schick wie auf dem Hollywood Boulevard. Ganz im Gegenteil, hier herrscht nahezu die pure Anarchie: Banden bekriegen sich, Leute werden am helllichten Tag erschossen oder erstochen, Kinder dealen mit den härtesten Drogen. Die Polizei hat somit alle Hände voll zu tun.

Wir begleiten mehrere Polizisten auf ihrer Streife und Detectives an Tatorte, alles wird festgehalten in einem dokumentarischen Stil, der uns glauben lässt, wir seien direkt mit dabei. Von einem Protagonisten können wir in Southland nicht sprechen, denn wir begleiten gleichwertig den Arbeitsalltag von beispielsweise den Streifenpolizisten Ben Sherman (Ben McKenzie) und John Cooper (Michael Cudlitz), aber auch den von Detective Lydia Adams (Regina King). Es ist egal, welchen Rang die Charaktere innehaben, für uns stehen sie alle auf der selben Stufe und haben (mal ganz ehrlich) einen Job, den wir nicht wollen.

Ben Sherman ist anfangs der Neue im Los Angeles Police Department. Frisch von der Polizeischule wird er nicht nur von den Kollegen gepiesackt, sondern auch von seinem Mentor Officer John Cooper gescheucht und herumkommandiert. Was sich für uns zunächst anfühlt, als wäre es pure Boshaftigkeit, stellt sich später als perfekte Ausbildungstaktik heraus. Auch Detective Adams hat es in ihrem Beruf nicht leicht. Tagtäglich hat sie es mit Mordfällen zu tun, nicht selten sind Kinder die Opfer der Gewalttaten.

Bis hierher klingt es alles wie schon zigmal gesehen, oder? Eine Polizeiserie wie jede andere auch. Es wäre so einfach, wenn dies der Fall wäre, denn dann hätte NBC die Serie einfach im Programmfenster hinter eine der vielen Law & Order-Serien klatschen können. Doch zum Glück hat Serienschöpferin Ann Biderman, die ebenfalls die gefeierte Serie Ray Donovan erfunden hat, es nicht bei einer simplen Darstellung der Polizeiarbeit belassen und uns in den Alltag der Charaktere eingeführt, denn wenn die Uniform abgelegt ist, hören die Menschen ja nicht auf, Polizisten zu sein. Dass das nicht immer leicht ist, können wir uns schon denken.

Ben Sherman beispielsweise stammt aus einem reichen Elternhaus. Was jedoch niemand weiß: Ben hat mit seinem Vater gebrochen, seine Mutter hat grausame Dinge miterleben müssen. Mindestens genauso viele Geheimnisse hat Officer John Cooper. In der Ehe läuft es nicht so gut, was nicht nur an seinem harten Job liegt, sondern auch an seinem fehlenden Interesse an seiner Frau. Detective Adams steht auf einem ganz anderen Level von Problemen, denn sie hat gar keine Familie. Verheiratet mit ihrer Arbeit kümmert sie sich nebenbei um ihre pflegebedürftige Mutter und bricht des Öfteren unter dem Druck zusammen, den ihr ihre innere Uhr immer wieder aufhalst.

Ja, sicher. Wir sehen hier viel polizeiliche Professionalität, jedoch dürfen wir auch erkennen, dass in jedem noch so gewissenhaft arbeitenden Cop ein Mensch steckt, der seine Grenzen hat. Das Problem ist wahrscheinlich, dass die Cops, die wir in Southland zu sehen bekommen, ihre Grenzen erst während der Arbeitszeit strapazieren. Ist das Privatleben trennbar vom Beruf? Bringt der Streifenpolizist seine angestaute Wut mit zur Arbeit? Und dann beginnen wir als Zuschauer unsere Moralvorstellung zu hinterfragen: Können wir nachvollziehen, warum der Polizist dem Gangster eine drüber gezogen hat? Würden wir genauso handeln? Bei den meisten Episoden kriegen wir auf keine Frage eine Antwort. Was zurück bleibt, ist ein furchbar beklemmendes Gefühl und das Bedürfnis sofort weiterzugucken, denn sonst verheddern sich die eigenen Gedanken.

Southland lebt von einem großartigen Cast. Nach seinem Erfolg bei O.C., California spielt Ben McKenzie hier den ruhigen Neuling Sherman. Oft erkennen wir Parallelen zu seiner Figur in der Jugendserie: zurückhaltend, ehrgeizig und in Extremsituationen mit einem Hang zur körperlichen Übertreibung ausgestattet. Trotzdem ist auf jeden Fall schauspielerisch einiges mit ihm passiert, was vielleicht auch daran liegen mag, dass das Skript zu Southland ein wenig mehr hergibt als es die "Probleme mit Marissa"-Bücher der jungen Kultserie getan haben. Auch Regina King präsentiert eine Glanzleistung. Nach Nebenrollen in 24 und dem Biopic Ray spielt sie hier alle ihre Partner an die Wand, bis wir sie schließlich hinter der verschlossenen Tür ihrer Wohnung zusammenbrechen sehen.

Der intensivste aller Charaktere in Southland ist jedoch Officer John Cooper. Während der Arbeitszeit ist er ein Arschloch, sowohl auf Kollegenseite als auch im Umgang mit Verdächtigen. Cooper markiert immer wieder sein Revier und verbirgt seine Schwachpunkte. Und von denen gibt es eine Menge. Michael Cudlitz (The Walking Dead, Band of Brothers - Wir waren wie Brüder) spielt diese stark wirkende, jedoch innerlich unfassbar kaputte Persönlichkeit mit einer immensen Präsenz. Wenn ihr nach Staffel eins glaubt, den Charakter dieses Mannes zu kennen, dann täuscht ihr euch.

Gewertet wird das Gesehene niemals, das müsst ihr schon allein schaffen. Einzig eine Erzählerstimme gibt einem anfangs einen Einstieg in die Geschichte. Ich möchte mit einem Zitat ebendieser Stimme schließen:

Die meisten Cops schaffen es, trotz all dem Chaos um sie herum ruhig zu bleiben, aber in ihrem Herzen wissen sie, dass jeder seine Belastungsgrenze hat.

Die Belastungsgrenze von Southland war übrigens nach einer Staffel bei NBC noch nicht erreicht. Vier weitere folgten auf dem Kabelsender TNT. Zum Glück!

Welche ist eure liebste Cop-Serie?

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