Nach den großen Erfolgen von Doku-Dramen wie Todesspiel und Deutschlandspiel, die Interviews von Zeitzeugen mit Original-Bildmaterial und nachgestellten Szenen (sogenannte Reenactments) vermischen, war es für das ZDF gestern mal wieder an der Zeit, anlässlich des Jubiläums des Mauerfalls auf dieses bewährte Rezept zurückzugreifen. Diesmal ging das Ganze aber ziemlich nach hinten los.
Foto-Show: die Bilder zum Doku-Drama “Deckname Annett – Im Netz der Stasi”
Deckname Annett – Im Netz der Stasi drehte sich um die wahre Geschichte der ostdeutschen Doppelagentin Rosel Staudte. Nach der Verhaftung ihres Mannes und Schwiegervaters durch die Stasi arbeitete Staudte für die Stasi, um zumindest ihren Sohn behalten zu können. Heimlich war sie jedoch zugleich für den westdeutschen Geheimdienst tätig und wurde so zur Doppelagentin, bevor ihr die endgültige Flucht in den Westen gelang.
In ihrer Inszenierung konnten die Erlebnisberichte von Rosel Staudte leider kaum fesseln. Vor allem die grausamen Reenactments unterstützten das Erzählte kaum, sondern warfen den Zuschauer eher aus der Geschichte. Die Spielszenen waren entweder unglaublich dröge und uninspirierte Bebilderungen des Sprechertextes. Beispielsweise, als erzählt wurde, dass für Rosel Staudte nach der Verhaftung ihres Mannes nichts mehr so ist wie es einmal war und sie dabei gezeigt wurde, wie sie sich ertappt, den Tisch fälschlicherweise immer noch für zwei Personen zu decken. Geht es noch einfallsloser? Oder sie waren unnötige Wiederholungen und Verdopplungen von bereits Erzähltem. Zum Beispiel, als der Sprecher sagt “auch die Stasi kommt jetzt immer wieder in den Elektroladen und erkundigt sich nach Kurt König”, daraufhin kommt ein Stasibeamter in den Elektroladen und fragt “Wo ist denn eigentlich der Herr König?”. An einigen Stellen sorgten Text und Bilder sogar für eine Diskrepanz von Erzähltem und Gezeigtem, was wiederum vor allem an Übertreibungen und Dramatisierungen der Reenactments lag. Was Immersion und Spannung steigern sollte, sorgte für eine unfreiwillige Karikatur der Geschichte.
Der Kern der Geschichte, die Spionagetätigkeit von Rosel Staudte, wurde in zehn Minuten abgefrühstückt und Details zu großen Teilen ausgespart. Dafür wurden die Ränder der Geschichte umso länger ausgebreitet. Dadurch, dass Deckname Annett versuchte, sowohl die Kontextgeschichte als auch die persönliche Geschichte von Rosel Staudte zu erzählen, wurden beide Teile letztendlich nur unzulänglich abgebildet. Etwas weniger wäre hier wohl etwas mehr gewesen.
Deckname Annett – Im Netz der Stasi rekapitulierte einen eigentlich recht interessanten, aber auch eher unspektakulären Erlebnisbericht, der durch zahlreiche dilettantische Reenactments unnötig aufgebläht wurde. Am meisten konnte der Film fesseln, wenn er als stringente Dokumentation präsentiert wurde und Archivmaterial das Erzählte bebilderte. Als Doku-Drama versagte Deckname Annett aber auf voller Linie und die Verbindung von Spielszenen mit klassischen Doku-Elementen funktionierte hier an keiner Stelle.
Was denkt ihr über Deckname Annett? Habt ihr die Zukunft spannender Dokumentationen gesehen oder eine Stunde voller Langeweile?