Tatort: Selbstjustiz auf bayerisch

20.12.2010 - 07:00 Uhr
Freispruch um jeden Preis?
ARD / BR
Freispruch um jeden Preis?
Wieder einmal lieferte der Münchner-Tatort erstklassige Unterhaltung zu einem schwierigen Thema.

Selbstjustiz ist immer ein heikles Thema. Dessen waren sich auch die Macher des Tatort: Nie wieder frei sein bewusst. Denn Batic und Leitmayr stecken wie auch die Zuschauer in der Zwickmühle. Sie sind frustriert weil ein Serienkiller scheinbar wegen einer Kleinigkeit nicht verurteilt werden kann und auf freien Fuß kommt. Sie lassen ihren Frust an der zunächst tatsächlich unsympathisch gezeichneten selbstbewussten Verteidigerin aus.

Doch der Film begnügte sich nicht mit einseitiger Darstellung, mit dem boulevardesken Bedienen von Klischees. Denn dort, wo der Pöbel, wo die BILD-Zeitungs-Mentalität regiert, bleibt der Rechtsstaat auf der Strecke. Der verdächtige Markus Rapp war letztlich schuldig, doch immer wieder wurden berechtigte Zweifel an seiner Schuld deutlich.

Die Macher des Tatort: Nie wieder frei sein lieferten kein Psychostück über die geschundene Seele des Täters ab, keine Entschuldigung oder auch nur Erklärung, warum er tat, was er tat. Statt dessen konzentrierten sie sich auf die Folgen der Tat und was sie für die Opfer und alle Beteiligten bedeuten. Nie wieder frei sein, nie wieder ohne Angst leben zu können. Die Hilflosigkeit der Polizei, die zwiespältige Rolle der Verteidigung und doch die Erkenntnis, dass Faustrecht keine bessere Alternative zum fehlerhaften Justizsystem ist.

Die karrieregeile Pflichtverteidigerin, gespielt von Lisa Wagner, die den Freispruch für den Mörder erkämpft, wird am Ende zur tragischen Figur. Als sie erkennt, dass er schuldig ist und weiter morden wird, bringt sie ihn um. Sie wird selbst zur Mörderin und Batic und Leitmayr müssen sie festnehmen. Es mag ungerecht erscheinen, aber es ist der einzige richtige Weg. Wieviel schlechter wäre dieser Tatort, würden die Kommissare gnädig ein Auge zudrücken und sie laufen lassen, weil sie ja das “Richtige” getan hat.

Dinah Marthe Golch hat hier ein sehr kluges Drehbuch abgeliefert, das Christian Zybert mit viel Gespür für Zwischentöne umgesetzt hat. Ein ungewöhnlicher Fall, der da anfing, wo andere enden und gerade durch seine ungewöhnliche Konstruktion überzeugen konnte. Batic und Leitmayr beweisen somit wieder mal, dass sie trotz mancher mittelprächtigen Episode immer noch exzellente, provozierende Krimiunterhaltung abliefern können, die andere Teams erstmal nachmachen müssen. Denn wo in bei anderen Tatorten Themen gerne mal mit dem großen Zeigefinger und bemühter Moral ankommen, zeigte sich hier trotz heiklen Themas das Gespür für Nuancen, das weniger am Skandal als an der schwierigen Realität interessiert ist.

Deine Meinung ist gefragt: Wie gefiel dir der Tatort: Nie wieder frei sein? Jetzt bewerten und mitdiskutieren!

Das könnte dich auch interessieren

Angebote zum Thema

Kommentare

Aktuelle News