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Three rifles, supplies for a month, and Mozart - Robert Redford, Mega-Actor

04.05.2015 - 10:45 UhrVor 10 Jahren aktualisiert
» ... perhaps he knew, as I did not, that the Earth was made round so that we would not see too far down the road.«
Universum/SquareOne
» ... perhaps he knew, as I did not, that the Earth was made round so that we would not see too far down the road.«
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Wohl beinahe jedem, Vollblutcineast wie Gelegenheits-Kinogänger, ist der Name Robert Redford ein Begriff. Erst vergangene Woche erfuhr er mit dem Chaplin Award der Film Society of Lincoln Center eine weitere Ehrung für sein Lebenswerk. Er ist Humanist, Umweltschützer und als Begründer des populären Sundance Festivals so etwas wie ein Schirmherr des modernen Independent-Kinos. Doch nur wenige schenken ihm entsprechende Beachtung, wenn es gilt, die wirklich ganz großen Schauspieler der Filmgeschichte zu benennen - vermutlich aus verschiedenen Gründen... woran ich mit diesem Artikel natürlich nichts ändern kann. Einmal versuchen, dagegen anzuschreiben, möchte ich hiermit trotzdem.

Darsteller-Hypes habe ich nie so ganz verstanden. Kriterien, nach denen ein Film für mich reizvoll wird, wären beispielsweise: Meine Erfahrungen mit dem jeweiligen Regisseur, das behandelte Thema oder Besprechungen durch Freunde/Kritiker, die mein Interesse wecken. Ja, manchmal will ich auch nur ein bisschen mitreden. Meine Bewertung bemesse ich grundsätzlich anhand des Drehbuchs sowie den Bildern, die dafür gefunden werden. Über die herausragende Darbietung eines Mimen oder eines Ensembles freue ich mich selbstverständlich ebenfalls, doch in der Regel ist das lediglich mein I-Tüpfelchen, wenn alle Räder ineinander greifen (im Rahmen eines kammerspielartigen Szenarios kann eine Einzelleistung freilich etwas mehr an Gewicht gewinnen). Klar gibt es Persönlichkeiten, die ich ausnehmend gerne mag. Kein Schauspieler auf diesem Planeten jedoch rettet mir einen Streifen, der durchweg schlampig/uninspiriert inszeniert ist oder dessen zugrunde liegendes Skript vor Einfalt nur so trieft. Schlecht bleibt schlecht. Ich habe schon Laiendarsteller gesehen, die durch hervorragende Führung auftrumpfen sowie millionenschwere Akteure, die offenbar ziemlich verheizt wurden, wenn sie sich durch unglückliche Rollenwahlenwahl nicht sogar selbst schadeten. Auf allein sie zu setzen, wenn im ungünstigsten Fall darüber hinaus rein gar nichts für den Film spricht, scheint mir jedenfalls regelmäßig ein recht heikles Unterfangen. Robert Redford nun wirft mein Filmverständnis zwar nicht über den Haufen - aber er ist derjenige, der es beträchtlich durcheinander wirbelt. Plötzlich eröffnet sich vor mir die Schauspielerei viel klarer als zuvor als singuläre Kunstform.

Seine Vita weist auf dem Papier nicht unbedingt schwindelerregend viele Hits aus, was die Gefahr, ihn zu übersehen und weniger wertzuschätzen, sicherlich begünstigt. Jenseits von Afrika - obwohl mittlerweile leicht in Vergessenheit geraten - heimste seinerzeit 7 Oscars ein, an Die Unbestechlichen, Der Clou und Butch Cassidy und Sundance Kid - Zwei Banditen wird man sich zumindest erinnern, Der Pferdeflüsterer verliert - mit beiden Beinen in den 90'ern - gegen seinen Ruf, dahinter erste Fragezeichen und für den einen oder anderen wird Redford möglicherweise ewig der lächelnde Blonde sein, der Pferdeherzen heilt und Frauenherzen bricht. Unterm Strich kein Ankommen also gegen die ungleich illustreren Filmographien Robert de Niros, Marlon Brandos, Jack Nicholsons und anderer. Auch kann ich nicht behaupten, Filme wie Havanna oder Der Unbeugsame wären etwa sträflich unterschätzt respektive grob missverstanden - Redford hat unbestreitbar viel Durchschnittliches gedreht. Und doch ist so gut wie alles unter seiner Mitwirkung ein kleines bis mittelschweres Ereignis.

Dies hängt, vermute ich, damit zusammen, wie er vermeintliche Gegensätze in sich vereint und auflöst. Das Aussehen des jungen Redford verspricht Glanz & Glamour, sein Schauspiel dagegen fällt allenfalls auf durch Präzision, die Abwesenheit von Overacting und Allüren, bisweilen sogar zarte Kühle. Er ist ungemein attraktiv (das Wort trifft zu, weil es weiter greift als bis zu den Konturen eines hübschen Gesichts oder eines muskulösen Körpers), bestätigt aber nicht im Geringsten Macho-Ideale von Härte und Überlegenheit. Für einen bloßen Posterboy ist er seit jeher zu charismatisch. Sein Blick verrät ihn - heute mehr als früher - um sein Wissen, was Einsamkeit bedeutet. Noch kaum eine überflüssige Bewegung oder Geste von ihm hätte meine Aufmerksamkeit erregt. Das ist so gut, dass man es erst einmal bemerken muss. Nahtlos, für meine Begriffe, hätte Redford sich in das europäische Autorenkino gefügt, von mir aus, um einen Vorschlag zu unterbreiten, gerne unter Jean-Pierre Melville (Die drei Tage des Condor inspirierten mich zu diesem Gedankenspiel). Leider sollte es nicht dazu kommen.

Mit jenem faszinierenden Erscheinungsbild korrespondiert zum einen die Privatperson Redford, die seit Jahrzehnten - abgeschieden vom Hollywood-Trubel - ein Anwesen im verschneiten Utah bewohnt und unnötigen Trubel meidet, zum anderen aber auch so manche Figur, die er im Laufe seiner Karriere auf der Leinwand verkörperte: Jay Gatsby, Sonny Steele aus Der elektrische Reiter sowie, natürlich, der namenlose Skipper aus All Is Lost als mutmaßlich das Redford-Sinnbild sind je auf ihre Weise Abtrünnige - nirgendwo zugehörig, aber keineswegs ohne Identität und stark genug, Hoffnung und Haltung zu bewahren, was auch immer die Zukunft für sie bereithalten möge. Die Vorstellung, der verlorene Segler repräsentiere den letzten Mensch, erhebt das minimalistischen Werk von J.C. Chandor zu einer bewegend-intensiven Endzeiterfahrung. Gatsby schließlich trifft in Nick Carraway einen Bewunderer, Steele in der Reporterin Alice und der Schiffbrüchige notwendig in uns, weil wir die einzigen Zeugen seines Erlebens auf hoher See sind.

Dabei ist zweitrangig, ob Redford sich frei auf weiter Flur befindet oder innerhalb sozialer Kreise operiert - jeder Film, in den man ihn hineinsteckt, erweckt wie automatisch das Gefühl, als wäre er um ihn herum gebaut worden. Besonders ins Auge gestochen ist mir das bei Spy Game - Der finale Countdown von Tony Scott - an und für sich ein eher gehaltloser, cheesy Spionage-Thriller mit teils enervierenden Mainstream-Zugeständnissen. Wie cool und süffisant Redford die Kiste jedoch für sich einnimmt, entlockt mir auf Nachfrage zahlreiche Superlative. Zu jeder Sekunde könnte sein Auftritt hier in Arroganz umschlagen, wie ein Film wie dieser es von ihm gewissermaßen ja auch einfordern sollte. Doch es passiert nicht. Prädikat: Eigentlich "uninteressant"; mit und wegen Redford: "Ganz gut". Ein Klassenunterschied, der bis zum Superhelden-Genre durchschlägt. Ob man Risiken damit einging, einen 78-jährigen Redford als Haupt-Antagonisten auf das junge Zielpublikum des kommerziell ausgerichteten Captain America 2: The Return of the First Avenger loszulassen? Mitnichten, die Entscheidung entpuppt sich als spektakulärer, um nicht zu sagen hellsichtiger Besetzungs-Coup. Würde ich gefragt, wie man sein Spiel den üblichen Blockbuster-Gepflogenheiten anpasst und gleichzeitig einen augenzwinkernden Stempeldruck sondergleichen hinterlässt, ich müsste nicht lange überlegen, denn ein galanter Verweis drängt sich geradezu auf. Zwar fand ich den Film ansonsten nicht merklich kreativer als die sonstige Standard-Kost aus dem Hause Marvel, aber das war mir ausnahmsweise und zu meiner eigenen Verblüffung egal. Redford magic all the way.

Vielleicht ist jetzt ein ungünstiger Zeitpunkt, zuzugeben, dass ich im Grunde gar nicht weiß, was en détail einen soliden von einem ausgezeichneten und einen ausgezeichneten von einem herausragenden Darsteller unterscheidet, aber man soll ja ehrlich bleiben. Fan sein hat bekanntlich viel mit Sympathie, inneren Berührungspunkten und solchen Sachen zu tun, und doch erst an diesem Punkt wird es abseits streng gestaffelter Bestenlisten so richtig spannend. Könnte man immer so genau erklären, warum man gerade von etwas oder jemandem verzaubert ist, wäre man es gar nicht. Und so ähnlich verhält es sich letztlich mit all unseren Vorlieben. Doch zurück zu den Dingen, die ich bestimmt weiß: Niemanden sehe ich vor der Kamera so gerne wie Robert Redford.

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