Von edlen Rittern und streunenden Hunden

21.10.2013 - 08:50 UhrVor 10 Jahren aktualisiert
Die Sieben Samurai
KSM
Die Sieben Samurai
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Zynische Kämpfer gegen eine ungerechte Welt oder ehrenvolle für ihre Herren. Blutige Actionfilme oder shakespearesche Dramen. Die Filmwelt der Samurai ist vielfältig und nur durch die ewigen Tonsuren geeint. Riskieren wir einen kurzen Überblick.

Durch Samurai-Filme wurde die Entwicklung des Westerns entscheidend beeinflusst. Ein gewisses Weltraummärchen entlieh seine Ideologie von Ritterlichkeit von ihnen, wenn nicht gar sein ganzes Weltbild. Und ein deutscher Rapper benannte sich nach dem Ehrenkodex der Samurai, dem Bushidō. Mit ihren Kämpfern für Ehre und Glückseligkeit hat die japanische Kultur den Westen mit am nachhaltigsten durchdrungen. Und doch, wenn nicht gerade Tom Cruise oder Keanu Reeves in ihre Rüstungen steigen, dann sind diese Filme alter Kaffee. Selbst in Japan sind sie größtenteils in den Fernseher verschwunden und leben eher von ihrem Ruf und ihren Versicherungen einer guten alten Welt. Sie sonnen sich in einer glorreichen Vergangenheit, die einen Blick zurück gerne belohnt. Denn einstmals wurde die Seele einer Nation mit auf Zelluloid gebannten Schwertern umkämpft. Schauen wir also auf die jidaigekis und die chambaras, ohne die der japanische Film nichts gewesen wäre.

Mit dem ausgehenden 19. Jahrhundert hatte das Medium Film seinen Weg nach Japan gefunden. Langsam und sicher breitete es sich aus, während eben auch ältere Menschen vor den Leinwänden saßen, die rasende Veränderungen erlebten, die in die feudale Welt der Shogune, Daimyō und Samurai geboren worden waren. All die nun entstehenden Filme, in denen diese gerade erst vergehende Welt der Samurai porträtiert wurde, entsprachen also noch den Lebenswelten vieler Zuschauer. Es war ein bisschen wie mit den USA und dem Western. Doch während der Western erst einen Mythos schaffen sollte, auf dem sich die Identität eines Landes entwickeln konnte, da warfen die Filme in Japan einen Anker aus. Sie boten etwas Sicherheit in einem alles umfassenden Taumel, der drohte alles komplett umzukrempeln.

Mami, was ist ein Samurai?
Im strengen Kastensystem des japanischen Mittelalters waren Samurai quasi das Äquivalent zu Rittern. Soviel ist den meisten klar. Was ihn aber idealerweise kennzeichnet, das ist schon komplizierter. Wer einen Überblick erlangen möchte, der schaue sich am besten die Samurai Trilogie (Samurai I: Musashi Miyamoto, Samurai II: Duel at Ichijoji Temple und Samurai III: Duel at Ganryu Island) von Hiroshi Inagaki an. Darin wird die Legende des Berühmtesten aller Kämpfer, Musashi Miyamoto, nacherzählt. Ihr braucht in Japan nur Musashi sagen und jeder weiß, wovon ihr redet. Es gibt tausende Verfilmungen, aber diese hat nicht nur einen Oscar gewonnen, sondern breitet vor uns stilvoll aus, wie aus einem wilden, ungehobelten Kämpfer ein belesener, ausgeglichener Meister seines Fachs wird. Manch einer wird beim Gucken dieser Filme zwangsläufig an einen blauäugigen, blonden Jungen aus dem Weltall denken müssen, der langsam zum Jedi reift, wenn vor unseren Augen aus einem Eber ein Poet, Kaligraph und Künstler wird, der mit dem Schwert und dem Leben umzugehen weiß, wie kein anderer. Denn idealerweise sollten sie erleuchtete Brunnen der Weisheit sein, die mit dem Pinsel genauso kunstfertig sein sollten, wie mit dem Schwert.

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Doch eines an Musashi passt nicht ganz ins Bild, denn er war ein Rōnin, ein herrenloser Samurai. Ähnlich wie die deutschen Ritter standen Samurai idealerweise in einem Schutz- und Trutzbündnis mit einem Fürsten, einem Daimyō. Dafür dass er Land und eine Handvoll Vorteile bekam, hatte er seinem Herrn bedingungslos zu gehorchen und sich für ihn aufzuopfern. Für ihn musste er kämpfen. Es war seine Pflicht (giri), die sein Leben bestimmte. Und im Zentrum des Ganzen stand ein komplexer, widersprüchlicher Kodex, der Bushidō, der diese tragische, schwere Ehre regelte. Die Verborgene Festung, in der Toshirô Mifune einen Samurai spielt, der seiner Herrin bis ans Ende folgt, zeigt dies alles als humanistische Heldengeschichte. Die Geschichte der 47 Rōnin, die wohl meistverfilmte Geschichte des Genres, zeigt da eher die extreme Form und weist auf den komplizierten Wald aus Formalien und Ritualen, der zwischen Samurai und Daimyō herrschte. Ein Fürst wird darin von seinem Herrn wegen eines formellen Fehlers zum rituellen Selbstmord (seppuku, auch als hara-kiri bekannt) aufgefordert. Dieses seppuku sollte die Ehre des Fehlenden und seiner Familie wiederherstellen beziehungsweise war dies der Preis um sich von einer Schande reinzuwaschen (oder es sollte verhindern, unehrenhaft von der Hand des Feindes zu fallen). Die Gefolgsleute dieses Fürsten waren nun aber der Meinung, dass dieser Selbstmord zu Unrecht eingefordert wurde. Die Folge war, dass der Fürst seinem Herrn gehorchte und sich ganz dem Ritual entsprechend ein Messer in den Bauch rammt, es quer durchzog und dann von einem Assistenten durch das Abschlagen des Kopfes erlöst wurde, während die 47 Samurai, nun herrenlos, sich gegen dieses Unrecht stellten, ihrem Fürsten auch nach dessen Tod weiter dienten und ihn rächten – indem sie den Herrn ihres Herrn jagten.

Aber giri war nicht das Einzige, was das Leben eines Samurai bestimmte. Wie bei den Yakuza gab es da noch das weniger klar definierbare ninjo: Mitgefühl mit anderen, aber auch die Liebe. Die sieben Samurai beispielsweise kämpfen für ein armes Dorf, das sich ihre Dienste vom Mund abspart, aus ninjo. Sie gehorchen keiner Pflicht und werden auch nicht von Ehre oder Gewinn gelockt. Sie tun es in diesem Epos aus Mitgefühl und weil ihnen kein giri einen anderen Sinn im Leben gibt. Akira Kurosawa, der im Westen bekannteste japanische Regisseur, der wie kein anderer für Samurai-Filme steht, obwohl er auch viele andere Genres beackert hatte, er also macht aus dieser humanistischen Geschichte einen Epos, an dessen Ende vor allem die Vergänglichkeit von Ehre steht und so das Ende der filmischen Verklärung der Samurai einläutete.

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