Warum Hollywood sein Geld im Ausland scheffelt

05.12.2011 - 08:50 Uhr
Tim und Struppi - Die amerikanischen Zuschauer warten noch auf sie
Sony
Tim und Struppi - Die amerikanischen Zuschauer warten noch auf sie
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Habt ihr euch schon Die Abenteuer von Tim und Struppi im Kino angeschaut? Ja? Ein alter Hut? Ich weiß. Doch nicht für die Amerikaner. Dort startet der neue Spielberg erst am 21. Dezember. Aber warum ist das so?

Wenn es um die großen Zahlen mit den vielen Nullen hintendran geht, dann kann dieses Jahr im Filmbereich kaum jemand die internationale Box Office schlagen. Zusammen haben die sechs großen Studios dieses Jahr in Übersee, also außerhalb der USA, schon Anfang November 11,694 Milliarden Dollar umgesetzt. Der Vorjahresrekord wird damit dieses Jahr deutlich überholt. Dass Hollywood mehr und mehr auf die internationalen Märkte schielt, hat meine Kollegin Katrin vor ein paar Monaten beschrieben. Doch verändert diese Form der Globalisierung dauerhaft die Filme selbst?

Tim und Struppi machen es vor
Letzte Woche flatterte die Nachricht durch die Box Office-Portale, dass Die Abenteuer von Tim und Struppi – Das Geheimnis der ‘Einhorn’ von Steven Spielberg international bereits 207 Millionen Dollar eingespielt hat. Denn in Deutschland, Frankreich und sogar China ist der Film längst angelaufen, während die USA noch immer auf das Mo-Cap-Event warten müssen. Das so ein großer Film derart früh international anläuft, hatte bis vor kurzem Seltenheitswert. Doch dieses Jahr gesellen sich Tim und Struppi in erfolgreiche Gesellschaft.

Fast & Furious Five, Thor und Rio starteten alle zunächst in Übersee, bevor sie auch in heimischen Gefilden den Zuschauern präsentiert wurden. Ihre Box Office-Zahlen können sich bekanntlich sehen lassen. Früher wurden größtenteils gewagte oder potenziell nach Verrissen schreiende Filme zuerst international getestet, um sie dann mit etwas positivem Buzz in die US-Kinos zu schicken. Heute und insbesondere dieses Jahr werden vermehrt Blockbuster so vermarktet. Doch warum setzen die Studios ausgerechnet jetzt auf internationale Märkte und was hat das für Auswirkungen?

Piraten wohin wir blicken
Die Gründe für den Strategie-Wechsel in Hollywood sind vielfältig. Fangen wir beim einfachsten an. Es gibt international einfach mehr Geld zu scheffeln als noch vor zehn oder fünfzehn Jahren. Gerade der chinesische Markt entwickelt sich rapide und da dort nicht nur viele Kinos gebaut werden, sondern auch der Absatz der Filme leichter läuft, als noch vor ein paar Jahren, spähen die Studios auf die wachsende Zahl von chinesischen Zuschauern, die statt Raubkopien Kinokarten kaufen.

Ein weiterer, ebenfalls recht einleuchtender Grund, ist die internationale Beliebtheit von 3D. Während die amerikanischen Zuschauer und damit der Markt gesättigt ist und Wachstumspotenziale in diesem Bereich ausgeschöpft scheinen, lassen sich 3D-Filme international immer noch gut verkaufen. Das ist unter anderen darauf zurückzuführen, dass es auch hier Länder gibt, die die bei uns gewohnte Verbreitung der 3D-Technik erst noch aufholen müssen. Auch dazu gehört China.

Außerdem spekulieren die Studios darauf, dass ein früher internationaler Start die Verluste durch die Filmpiraterie eingrenzt. Abgefilmte amerikanische Versionen der Blockbuster waren dank des Internets schließlich immer schon sehr früh im Rest der Welt abrufbar. Durch die neue Strategie drehen die Studios den Spieß um. Ob sie sich dauerhaft rechnet, können wir jetzt natürlich noch nicht wissen.

Who the fuck is Tintin?
Für Die Abenteuer von Tim und Struppi – Das Geheimnis der ‘Einhorn’ lohnt sich der frühere internationale Start vor allem, weil die Comics in den USA kaum jemand kennt. Die Abenteuer von Tim und Struppi ist ein Mega-Blockbuster, der vor allem für den internationalen Markt produziert wurde. Dort verkauft sich die Marke Tim und Stuppi wie geschnitten Brot. In den USA dagegen wird der Film bereits mit Fußball verglichen, da das kommerzielle Potenzial von Tim und Struppi dort ein echte Unbekannte ist.

Dass so ein großes Budget für solch ein gewagtes Projekt ausgegeben wurde, verdanken wir also größtenteils dem wachsenden internationalen Markt, der den Studios nicht entgangen ist. Die Abenteuer von Tim und Struppi ist damit die Krönung eines Trends, der spätestens mit den Bourne-Filmen begann. Seitdem geraten Europa und Asien verstärkt zum Schauplatz großer Hollywood-Abenteuer. Spielten zunächst sicherlich die kostenspieligen Drehbedingungen in den USA eine Rolle, sehen wir zur Zeit eine ganze Schwemme von internationalen Ko-Produktionen. Bei diesen können wir kaum mehr ausmachen, ob es sich überhaupt noch um echte Hollywood-Filme handelt. Erwähnt seien hier natürlich die Harry Potter-Filme, Wer ist Hanna?, Inglourious Basterds, Hänsel & Gretel: Hexenjäger, aber auch The Tourist, der das Gros seines Einspiels dem weltweiten Markt zu verdanken hat.

Der Drachenkaiser
Dass ein gewagter Abenteuerfilm wie der neue Spielberg gedreht wurde, spricht sicherlich für diesen Aspekt der Globalisierung. Doch grundsätzlich müssen wir differenzieren zwischen exotischen Schauplätzen und lokalen Stars, die vermehrt Einzug in Hollywood-Produktion finden sowie den Stoffen der Filme. Denn langfristig gesehen, werden wir wohl kaum europäische Projekte wie Die Abenteuer von Tim und Struppi – Das Geheimnis der ‘Einhorn’ zu sehen bekommen. Stattdessen dürfte ein stärkeres Mainstreaming stattfinden, das die Filme international weichklopft.

Vielleicht gibt es dann weniger US-Message-Movies und hier und da mal einen Asiaten in der dritten Reihe von rechts. Beispielhaft sind nämlich eher Filme wie Die Mumie: Das Grabmal des Drachenkaisers und Kung Fu Panda 2, die dezidiert auf den asiatischen Markt schielen. Bei ersterem werden Brendan Fraser und Co. durch ein paar chinesische Stars unterstützt, aber echte asiatisch besetzte Hauptrollen gibt es trotzdem nicht. Bei letzterem verhindert die Tatsache, dass alle Figuren Tiere sind, grundsätzlich, dass das Problem der asiatischen Besetzung überhaupt zum Thema wird. Politisch inkorrekt ausgedrückt heißt das: Die Filme bleiben weiß und die Stories im Grunde ebenso. Nur werden sie noch häufiger verkauft als vorher. Der große Gewinn auf dem internationalen Markt bleibt also vor allem das: ein finanzieller Gewinn der Studios, kein künstlerischer für die Zuschauer.

Freut ihr euch darüber, die Filme vor den Amerikanern zu sehen?

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