Als Avatar im Dezember 2009 ins Kino kam, löste der Aufbruch nach Pandora eine nie zuvor gesehene Welle an 3D-Filmen aus. Das 3D von Avatar war bahnbrechend in jeder Hinsicht und avancierte in kürzester Zeit zum Gesprächsthema Nummer eins unter Filmfans. Auch die vor drei Jahren erschienene Fortsetzung Avatar: The Way of Water sorgte mit ihren berauschenden 3D-Welten für Staunen.
Was hat Teil 3 dieser Erfahrung hinzuzufügen? Während viele Menschen Avatar weiterhin als 3D-Phänomen wahrnehmen, ist Regisseur James Cameron weitergezogen und hat seinen Fokus auf Performance Capture gerichtet. 3D ist nur noch ein Nebengedanke bei der Inszenierung seiner Mega-Blockbuster. Was ihn wirklich interessiert, sind die echten Emotionen seiner Schauspieler:innen vor der Kamera.
Im Zeitalter von KI begibt sich Cameron auf die Suche nach dem Wahrhaftigen in seinen digitalen Welten. Mit Performance Capture kann er jede noch so unscheinbare Nuance festhalten und ins Kino transportieren. Warum das so wichtig ist, erzählt er uns im Interview zum Kinostart von Avatar: Fire and Ash. Die Entwicklung steht am Ende einer Reise, die vor knapp vier Dekaden ihren Anfang genommen hat.
Moviepilot: Mit Terminator 1 und 2 hast du zwei wegweisenden Anti-KI-Filme gedreht. Jetzt schauen Menschen den Trailer zu Avatar 3 und sagen: "Sieht aus wie KI." Haben wir so schnell verlernt, Bilder richtig zu sehen?
James Cameron: Das ist wirklich ein Problem. Denn wir haben weder bei The Way of Water noch Fire and Ash generative KI verwendet. Wenn ich einen Film drehe, will ich auf keinen Fall, dass die Leute denken, das hätte einfach eine künstliche Intelligenz gemacht. Ich will mit meinen Filmen genau das Gegenteil bewirken. Die sollen phantasmagorisch sein – wie ein Traum, etwas unheimlich Lebendiges und Reales. Tief im Inneren wissen wir, dass diese Welten eigentlich nicht existieren, und trotzdem taucht man komplett ein und kann sich den Bildern nicht entziehen.
KI brauche ich dafür nicht. Wir haben unseren eigenen Prozess, um diese Welten und Figuren zu erschaffen – ein Prozess, den ich seit über 30 Jahren entwickle. Das hat in den frühen 90ern angefangen, genau genommen schon in den späten 80ern mit The Abyss. Da gab es diese CG-Gesichtsanimation mit dem Wasser. Eine Wassermanifestation, die wir "Pseudopod" nannten. Das war der erste Schritt Richtung Avatar, ehe der flüssige Metallmann in Terminator 2 folgte. Ich habe sehr früh von digitalen Möglichkeiten bei meinen Filmen Gebrauch gemacht und sie immer weiter entwickelt.
Zusammen mit George Lucas bist du vermutlich der einflussreichste Filmemacher, was das digitale Kino angeht. Was hat dich damals angetrieben?
Ich wollte wissen, wie weit man damit gehen kann, gerade im Hinblick auf digitale Figuren. Wie fotorealistisch können sie werden? Wir sind sehr weit gekommen in diesem Gebiet. So weit, dass die Leute nicht mehr unterscheiden können, ob wir eine Live-Action-Aufnahme vor uns haben oder eine CG-Kreation. Wir mischen beide Welten. Jack Champion, der Spider [in den Avatar-Filmen] spielt, ist das beste Beispiel – ein echter Schauspieler, der so sehr mit der CG-Welt verschmilzt, dass man kaum noch eine klare Grenze ziehen kann.
Hast du die dir zur Verfügung stehenden technologischen Möglichkeiten direkt vor Augen, wenn du einen Avatar-Film schreibst? Oder schreibst du einfach alles, was dir einfällt, und machst dir über den Rest später Gedanken?
Ich schreibe generell alles, was mir einfällt, und suche dann nach einem Weg, wie ich es umsetzen kann. Das hat sich seit der Wassermanifestation in The Abyss nicht verändert. Da habe ich etwas geschrieben, das sich zuerst niemand vorstellen konnte, und trotzdem existiert jetzt der Film mit genau dieser Idee. Alle, die an dem Projekt beteiligt waren, mussten über sich hinauswachsen, um das zu ermöglichen. Ich wollte das nächste Level erreichen und computergenerierte Bilder kinoreif machen.
Bei Terminator 2 hatte ich einen ganz bestimmten Moment im Kopf. Also rief ich die VFX-Leute von ILM an – Dennis Murren und sein Team – und fragte: "Können wir das machen?" Er sagte: "Ich weiß es nicht, aber lass es uns herausfinden." Ich sagte: "Gut, denn ich habe es schon ins Drehbuch geschrieben. Macht euch auf was gefasst." Auch bei Avatar habe ich ganz bewusst einen Film geschrieben, durch den der Wunsch drang, mit technischen Möglichkeiten ein neues Level des Filmemachens zu erreichen.
Hattest du bei Avatar 3 Angst, dass es kein neues Level geben könnte?
The Way of Water und Fire and Ash sind für mich eine große Produktion, die wir in zwei Filme aufgeteilt haben. Das war das erste Mal, dass ich mir keine Sorgen gemacht habe, wie wir das schaffen würden, weil wir es schon so oft geschafft haben. Ich konnte also noch viel freier schreiben, was ich sehen wollte. Meistens beginne ich mit den Figuren. Was haben sie bereits erlebt? Was sollen sie als Nächstes erleben? Oft arbeite ich auch rückwärts und denke mir Dinge aus, die ich unbedingt sehen will – und dann überlege ich mir, wie die Geschichte an diesen Punkt kommt. So war es zum Beispiel bei The Way of Water mit den ganzen Unterwasserkreaturen. Das war etwas Neues.
Ist diese digitale Schmiede, die du mit Performance Capture, CG-Welten und 3D geschaffen hast, für dich die purste Form des Kinos? Könntest du jemals wieder zurück zu einer traditionelleren Art des Filmemachens gehen? Und wenn nicht, wie lässt sich der Avatar-Weg noch steigern?
Ich glaube nicht, dass wir noch eine weitere neue Stufe erreichen können – zumindest aus technischer Perspektive. Wir sind vor 20 Jahren von einer Klippe gesprungen. Beim ersten Avatar wollten wir CG-Wälder, CG-Kreaturen, CG-Figuren. Alles sollte real aussehen. Das haben wir geschafft. Wenn man sich jetzt Fire and Ash anschaut, kann da nur noch feinjustiert werden. Das nächste Level ist nicht das Worldbuilding und auch nicht das Spektakel, obwohl es davon im neuen Film sehr viel zu sehen gibt.
Das nächste Level sind die menschlichen Emotionen, die wir mit Performance Capture einfangen, und die daraus entstehenden Konflikte. Es geht nicht mehr darum, wie diese Welten aussehen, sondern wie ich sie lebendig, wie ich sie spürbar machen kann. Wenn es diese Neugier nach Emotionen nicht gibt, schaut niemand einen Drei-Stunden-Film. Nur so kann man sich noch stärker darauf einlassen und will wirklich wissen, was als Nächstes passiert. Alle Figuren müssen sich echt anfühlen.
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Avatar: Fire and Ash läuft seit dem 17. Dezember 2025 im Kino.