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Wenn das Bild die Story überragt

03.02.2016 - 13:00 UhrVor 9 Jahren aktualisiert
Lubezki und Iñárritu: wahre Bild-Meister
Twentieth Century Fox Film Corporation
Lubezki und Iñárritu: wahre Bild-Meister
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Wer "The Revenant" gesehen hat, teilt wohl das Gefühl, dass irgendetwas mit diesem Film nicht stimmt. Was genau, das bleibt jedoch fast verborgen, kaschiert durch die meisterhaft gedrehten Bilder. Wo bleibt jedoch die Story, die erzählt werden soll?

Nach Birdman oder die unverhoffte Macht der Ahnungslosigkeit beweist Alejandro González Iñárritu erneut ein Meister der Kameraführung und der langen Bildsequenzen zu sein. Die Kampfszene am Anfang des Films ist erstklassig gedreht - eine interessante und mitreissende Art eine "Actionszene" darzustellen. Im Allgemeinen geht er sehr sparsam mit Schnitten um und benutzt diese meistens um abrupte Wechsel oder Gegensätze anzuzeigen, als um Kontinutät zu simulieren. Dies führt dazu, dass man viele Schnitte aktiv wahrnimmt.

Meisterhaft ist auch (erneut) die Fotografie von Emmanuel Lubezki, der die Philosophie Iñárritus gänzlich aufnimmt und sich auf minimalistische Einstellungen konzentriert: Die Wildnis wird so zum Protagonisten des Films.

Bilddarstellung und Bildaufnahme sind also überwältigend, mitreissend und lassen einen tiefen Eindruck übrig. Ganz anders sieht es mit der Story und mit den Charakteren aus. Der Film wirkt wie eine Aneinanderreihung von Episoden, welche die missliche Lage und die ungehäuren Schmerzen des Protagonisten (Leonardo Di Caprio) darstellen. Es gibt keine wirkliche Klimax, kaum eine erzählerische Entwicklung. Ausserdem werden die einzelnen Personen ungenügend umrissen, sodass am Ende "Bösewicht" (Tom Hardy) und "Held" wie völlig fremde Personen erscheinen. Der Versuch die Gefühle des Protagonisten durch Visionen darzustellen und so eine zusätzliche, tiefere narrative Ebene zu schaffen, kann auch nicht als gelungen betrachtet werden. Anders gesagt: Iñárritu hätte problemlos darauf verzichten können.

All diese (wohl gewollten) Entscheidungen führen dazu, dass man kaum Empathie oder Antipathie verspürt. Die Scherzen und die brutale Härte der Situation sind nachvollziehbar, doch fehlt jegliche Spannung, die zum Mitfiebern verführt. So bleiben am Schluss ganz viele spektakuläre Bilder und Sequenzen im Gedächtnis hangen, die Geschichte und das Schicksal des Protagonisten konnten jedoch kaum die eisige Kälte des Settings durchdringen.

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