Wenn der Hund im Tiefkühlfach landet: Dieser Horror-Thriller beweist, warum 90 Minuten die absolut beste Filmlänge ist

21.05.2023 - 20:50 UhrVor 11 Monaten aktualisiert
Sleep läuft in der Woche der Kritik in Cannes
Lewis Pictures
Sleep läuft in der Woche der Kritik in Cannes
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Eine Schlafstörung hat desaströse Folgen im Horror-Film Sleep, der auf engstem Raum eine lustige wie gruselige Geschichte über eine Ehe erzählt. Vormerken, bitte!

Ich habe zwar erst gestern Martin Scorseses 206-Minüter Killers of the Flower Moon abgefeiert und teile keineswegs die Meinung mancher Kollegen, das Kriminalepos sei auch nur eine Minute zu lang. Aber ich bleibe dabei: Seit ein paar Jahren gehen (zu viele) Filme längenmäßig aus dem Leim. Superheldenfilme, die an der 180-Minuten-Marke kratzen, dürften das bekannteste Beispiel dafür sein. Eine echte Plage ist die Annahme, 2 Stunden seien der Grundstock der Filmlaufzeit, nicht ihre äußere Grenze.

Würde wirklich jemand 40 Minuten aus dem fast 147 Minuten langen Jurassic World 3 vermissen? Und geben das Wort Family, Corona-Bier-Gelage und Auto-Karambolagen genug Treibstoff her, für eine Fast and Furious-Raserei jenseits der 120 Minuten? Ich bin zwar keine Schnittmeisterin, aber ziemlich sicher, dass so einige Genrefilme von der inoffiziell besten Filmlaufzeit profitiert hätten: 90 Minuten. Der südkoreanische Horror-Film Sleep, der diese Woche in Cannes Premiere feiert, zeigt mal wieder, warum die eineinhalb Stunden ein Comeback verdienen.

Sleep unterhält mit kurzweiligem Horror und Spaß auf engstem Raum

Zunächst ein Geständnis: Sleep zählt 95 Minuten, aber das Argument bleibt das Gleiche. Jason Yu, ehemaliger Regie-Assistent von Bong Joon-ho (Parasite, Snowpiercer) gibt mit Sleep sein Regie-Debüt. Vor der Kamera des gewitzten Kammerspiels steht Parasite-Star Lee Sun-kyun. Statt in einer Villa, wohnt er diesmal als erfolgloser Schauspieler in einem kleinen, aber feinen Apartment mit seiner schwangeren Ehefrau (Jung Yu-mi aus Train to Busan).

Regisseur Yu verschwendet keine Zeit auf langwierige Exposition, sondern startet seinen Film selbstsicher wie ein Veteran: Die Frau wacht auf, sieht den Mann auf der Bettkante sitzen, der Grusel nimmt seinen Lauf.

  • Sleep läuft in der La Semaine de la Critique 2023 einer unabhängigen Nebensektion des Festivals von Cannes.

Er leidet plötzlich an einer Schlafstörung, die bizarre, dann stetig gefährlichere Haken schlägt. Nachts aufwachen, rohes Fleisch, ein Ei (mit Schale) und eine Sardine verschlingen – damit kann man irgendwie leben. Morgens aufwachen und entdecken, dass dein Ehemann den fluffigen weißen Zwergspitz ins Tiefkühlfach gestopft hat – Zeit für eine Intervention.

Sleep

Mit jeder weiteren Minute und Nacht verleiht Sleep seinem Konzept einen neuen fiesen oder überraschenden Schnörkel, wobei der Horror sich nahezu vollständig in Wohnzimmer, Schlafzimmer oder Bad abspielt. Ist er krank und Heilung möglich? Oder hat ein übernatürliches Wesen Besitz von ihm ergriffen? Oder trifft beides zu?

Sleep leidet nicht unter dem Django-Unchained-Syndrom

Sorgsam gestreute Schockszenen, absurde Pointen und ein echtes Interesse am Innenleben dieses Pärchens zeichnen Sleep aus. Das ist kein weltbewegendes Genre-Ereignis, aber ein knackiger Horror-Film mit Geister- und Komödien-Einschlag. Nicht zuletzt, weil dieser Film genau zur richtigen Zeit anfängt wie aufhört. Sobald erste Zweifel an der inneren Logik des Grusels aufkommen, läuft der Abspann.

Denn wer kennt nicht den Moment im Kino, in dem ein Film den idealen Endpunkt passiert und in weiteren zwanzig oder dreißig Minuten den Rest Wohlwollen verspielt, während man in Gedanken die Füllmenge der eigenen Blase schätzt? Taufen wir dieses Phänomen an dieser Stelle als "Django-Unchained-Syndrom".

Sleep leidet jedenfalls nicht darunter und mehr Filme sollten die Würze in der Kürze anstreben. Falls 90 Minuten zu viel verlangt sind, würde ich mich schon mit 100 zufriedengeben. Oder 110? Bitte!?

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