Was könnte es Schöneres für einen Filmschaffenden geben, als den eigenen Namen im Kino zu sehen, wie er in großen Lettern auf der Leinwand prangt, um zu bezeugen, dass der folgende Film von niemand Geringerem als von einem höchstpersönlich inszeniert wurde? Eigentlich nichts, es sei denn, das fertige Werk hat wenig mit der Vision des Regisseurs zu tun, weil das Studio seine eigenen Vorstellungen vom Endprodukt hatte. Um in solchen Fällen nicht mit einem Film identifiziert zu werden, der ganz anders geplant war, gibt es die naheliegende Möglichkeit, ein Pseudonym zu verwenden.
Die Geburt von Alan Smithee
Ein Vorgehen, das in der Filmindustrie der USA allerdings erst seit Ende der 1960er-Jahre erlaubt ist und zur Erfindung des Pseudonyms Alan Smithee führte, von dem heutzutage viele Kinogänger schon einmal gehört haben dürften, das in seinen jungen Jahren aber ein wohlbehütetes Geheimnis war. Vor der Geburt von Alan Smithee war die Director's Guild of America (DGA) strikt gegen die Verwendung von Regie-Pseudonymen eingetreten, damit Studios Regisseure nicht zu deren Verwendung zwingen und so eventuell ihren Marktwert schwächen konnten. In gegenwärtigen Internet-Zeiten kaum vorstellbar, war der Grund für das Auftauchen von Alan Smithee im Vorspann jahrzehntelang nur Eingeweihten bekannt. Hätte jeder gewusst, dass bei einem Film von Alan Smithee irgendetwas dermaßen schiefgelaufen ist, dass sein Regisseur nicht mit ihm in Verbindung gebracht werden möchte, wäre es aus Studiosicht auch unklug gewesen, ihn weiterzuverwenden.
Zum ersten Mal kam Alan Smithee als Regisseur von Frank Patch - Deine Stunden sind gezählt zum Einsatz, wie die Los Angeles Times zusammenfasst, damals allerdings noch als Allen Smithee. Frank Patch-Hauptdarsteller Richard Widmark sorgte für die Ersetzung des ersten Regisseurs Robert Totten durch Don Siegel, weder Totten noch Siegel wollten jedoch als Urheber des Endprodukts genannt werden. Erstmals in ihrer Geschichte gestattete die DGA die Verwendung eines Pseudonyms, bei dem es jedoch zu beachten galt, dass es nicht tatsächlich einen Regisseur gab, der diesen Namen trug. Somit wurde aus dem auserkorenen Allerwelts-Nachnamen Smith zunächst Smithe, dann Smithee, um ganz sicher zu gehen. Sogar eine weibliche Variante namens Alana Smithee wurde erfunden, aber nie genutzt. Beim Kinostart von Frank Patch - Deine Stunden sind gezählt im Jahre 1969 wurde die Regie von Alan Smithee schließlich sogar ausdrücklich von der Kritik gelobt.
Einmal im Business angekommen, trugen in den folgenden Jahrzehnten zahlreiche Filme den Namen Alan Smithee, der nicht nur zum ersten, sondern lange Zeit auch einzigen Pseudonym der DGA wurde. Gerne kam er auch bei umgeschnittenen TV- oder Flugzeug-Versionen von Filmen zum Einsatz, die gegen den Willen ihrer ursprünglichen Regisseure entstanden.
Kein Name, keine Kritik, kein Geld
Mit dem Verzicht auf die Nennung als Regisseur eines Film geht seitdem allerdings nicht nur die Erleichterung einher, dass ein als verunglückt empfundenes Werk nicht den eigenen Namen trägt. Der nun anonyme Urheber darf öffentlich weder über seinen erfüllten Wunsch nach einem Pseudonym sprechen, noch darf er das Werk öffentlich kritisieren. Unter Umständen muss er auch auf Tantiemen aus der Aufführung des Films verzichten, so die Regelungen der Director's Guild of America . Bei Fällen wie American History X, in denen die Unzufriedenheit des Regisseurs mit dem fertigen Film schon vor Kinostart öffentlich wurde, durfte Alan Smithee gar nicht erst einspringen, da seine Natur als Pseudonym so von vornherein klar gewesen wäre, wie Vice berichtet. Ohnehin geht der Erlaubnis zur Verwendung eines Pseudonyms ein unter Umständen mehrstufiges Verfahren voraus.
Der Tod von Alan Smithee
Doch so wie Alan Smithee entstand, fand er schließlich auch sein Ende: Durch Zwist um die endgültige Form eines Films. Ende der 90er-Jahre drehte Arthur Hiller nach einem Skript von Joe Eszterhas eine Satire namens Fahr zur Hölle Hollywood (OT: An Alan Smithee Film: Burn Hollywood Burn), in der ein Regisseur namens Alan Smithee seinen neuesten Film nur unter Pseudonym veröffentlicht sehen will, was sich als problematisch erweist, da er ja nun mal tatsächlich Alan Smithee heißt. Passenderweise wollte Arthur Hiller der fertigen Film wegen Uneinigkeiten mit Eszterhas auch nicht unter seinem Namen in den Kinos wissen, weswegen Alan Smithee tatsächlich als Regisseur einspringen musste. Allerdings bei einem seiner letzten offiziellen Einsätze, denn nun war das Geheimnis endgültig in der Öffentlichkeit angelangt, und das Pseudonym hatte seine Nützlichkeit verloren.
Das heißt aber nicht, dass seitdem kein Regisseur mehr (zumindest offiziell) anonym bleiben könnte: Alan Smithees Nachfolger hören auf Namen wie Thomas Lee (statt Walter Hill bei Supernova) oder Harry Kirkpatrick (statt Alec Baldwin bei Shortcut to Happiness - Der Teufel steckt im Detail), kommen aber bisher auf nicht annähernd so viele Filme wie ihr großes Vorbild. Außerhalb der Reichweite der Director's Guild of America kommt Alan Smithee hingegen auch heute noch zum Einsatz, wenn auch nicht mehr unter dem Deckmantel der Verschwiegenheit.