Wer sind wir jetzt?

28.10.2017 - 08:50 UhrVor 6 Jahren aktualisiert
Nichts ist geblieben. Außer der Musik.
Magnolia Pictures / moviepilot
Nichts ist geblieben. Außer der Musik.
K
6
16
Menschen treten in unser Leben, und sei es nur hier auf moviepilot. Sie hinterlassen Spuren, werden Freunde, wir gewinnen sie lieb. Manche gehen und kommen nicht wieder. Aber wir vergessen sie nicht. Heute erinnern wir uns an einen Freund, der uns viel zu früh verlassen hat.

Wir alle haben Freunde hier, neue kommen hinzu, manche gehen. Immer wieder verschwinden Leute aus unserer Freundesliste, aus den unterschiedlichsten Gründen. Manche kommen wieder, unter anderem Namen. Mitunter finden wir sie sogar wieder. Aber nicht alle. Viele sind verloren, ihre Worte gelöscht.
Manche Freunde gehen für immer. Sie gehen leise und unbemerkt. Ihr Leben auf moviepilot verstummt. Aber sie sind nicht fort. Sie haben Spuren hinterlassen. Worte. Erinnerungen. Von Zeit zu Zeit tauchen ihre Kommentare unter einem Film auf, den wir grad suchen, oder wir schauen in ihrem Profil vorbei. Wir lachen über Worte, die wir schon tausendmal gelesen haben. Finden Diskussionen wieder, die wir vor Jahren geführt haben. Vielleicht sind wir dann ein kleines Bisschen glücklicher oder trauriger, als noch fünf Minuten zuvor. Vielleicht hinterlassen wir eine Nachricht in ihrem Gästebuch. Einfach nur so, weil wir gerade an sie gedacht haben, sie gerade vermisst haben. Auch wenn wir wissen, dass da nichts mehr kommen wird, nichts mehr kommen kann.
Wir vergessen sie nicht.

Das Profilbild, der Text, ein paar Listen und Privatnachrichten, die Bewertungen und Kommentare. Oftmals sind sie das Einzige, was wir je von dieser Person gekannt haben. Jedoch kennen wir dank dieser Worte so viel von einem Menschen, bedeutet uns die Person so viel. Nur selten lernen wir sie auch da draußen kennen. Und trotzdem waren sie uns wichtig, waren sie da, wenn wir über Filme diskutieren wollten, sie teilten ihre Gedanken und Erlebnisse, einen kleinen Teil ihres Lebens, mit uns, waren Freunde.
Sie waren da.
Sie bleiben.

So wie Heiko. Heiko hat sein Profil crab1973 nicht gelöscht, keine Lust mehr gehabt oder lieber woanders weiterdiskutiert. Heikos Leben hat einfach irgendwann aufgehört. Aber seine Worte sind noch da. Wie sein Kommentar zu I Melt with You und zu so vielen anderen Filmen.
Erinnert ihr euch?

Wer sind wir jetzt?

Sind wir die, die wir waren? Waren wir das jemals, oder ist das alles nur ein idealisiertes Bild von uns selbst in der Vergangenheit?
Waren wir wütend? Waren wir melancholisch? Wissen wir das überhaupt noch, oder ist uns das alles in den Kompromissen der Vergangenheit entglitten?
Wollten wir die Welt ändern? Wollten wir Menschen werden, die ihren Idealen treu bleiben, oder muss man das alles aufgeben um Erwachsen zu werden?

Wer sind wir jetzt?

Mark Pellington versucht sich nach einem Thriller, einem Konzertfilm und etwas mystischen am Genre des Charakterdramas und man kann ihm durchaus bescheinigen, dass ihm das sehr gut gelungen ist.

Die Geschichte vierer Jugendfreunde, die sich auf eine Woche Party und Wiedersehen in einem Strandhaus treffen, beginnt durchaus bekannt. Sogar auf das unangenehmste bekannt.
Die Figurenkonstellation könnte durchaus aus Unerträglichen wie „Hangover“ sein, die Handlung könnte sich, zu jeder Minute, in ein völlig zerlabertes Midlife Crisis Problemfilmchen verwandeln. Zum Glück tut sie das nicht und entwickelt sich sogar wesentlich überraschender als ich dachte und auch wesentlich krasser.
„I melt with you“ bietet einem keine leichten Antworten, keine durchgekauten Lösungsvorschläge und der Telefonjoker ist leider die Ex-Frau, die ein glückliches neues Leben führt.
Nichts ist geblieben von den großen Idealen, wenig von der engen Bindung zueinander und der Alkohol und die Drogen sind nur noch dazu da, von der eigenen Misere abzulenken.

Nichts ist geblieben. Außer der Musik.

Da fährt Regisseur Pellington wirklich schweres Geschütz auf. Sicherlich ist das eine Frage des Geschmacks und des Alters, aber dieser Mix aus ist einer der besten Soundtracks, die ich je hören durfte. Da tummeln sich Bauhaus, Pixies, Adam and the Ants, Sex Pistols, The Specials um nur einige zu nennen. Ein Fest für die Freunde wirklich genialer 80er Musik.
Die Songs sind super in den Film mit eingewoben, stören niemals, verstärken sogar den Eindruck, dass die Protagonisten eine Vergangenheit heraufbeschwören möchten die längst tot ist.

Die Darsteller laufen zur absoluten Höchstform auf, schaffen es immer wieder einfach nur durch Blicke ihre tiefe Verzweiflung und Zerbrechlichkeit preiszugeben.
Rob Lowe und Thomas Jane rufen vielleicht sogar die beste Leistung ihrer Karriere ab. Das Jeremy Piven und Christian McKay stark unterschätzte Schauspieler sind, wusste man schon vorher.

Trotz der Musik ist „I melt with you“ ein eher leiser Film über das Scheitern am Leben und den Verlust von vielem, was einem in seiner Jugend wichtig war.
Natürlich auch ein bewegendes Drama über Freundschaft und die Frage, wie weit man bereit ist dafür zu gehen.

Wer sind wir jetzt?

Kann man diese Frage überhaupt beantworten, wenn man vergisst wer man war?

Den Originalkommentar findet ihr hier.

Das könnte dich auch interessieren

Angebote zum Thema

Kommentare

Aktuelle News