Wie das Peter Lustig-Andenken (fast) beschmutzt wurde

25.02.2016 - 13:00 UhrVor 8 Jahren aktualisiert
Peter Lustig in seiner Sendung Löwenzahn
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Peter Lustig in seiner Sendung Löwenzahn
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Vor vierzehn Jahren ist Peter Lustig eine journalistische Ungeheuerlichkeit widerfahren. Von ihm getätigte Interview-Aussagen wurden vom Boulevard aus dem Kontext gerissen. So wucherte das Gerücht, der beliebte, vorgestern verstorbene Löwenzahn-Moderator würde Kinder eigentlich gar nicht mögen.

Wenn Aussagen aus dem Zusammenhang gerissen werden, entstehen Missverständnisse oder werden bewusst produziert. Das ist Internet-Kultur und damit irgendwie auch Zeit-Kultur, diese verkürzte Darstellung von Sachverhalten. Ein solches bewusst produziertes Missverständnis ramponierte das Andenken des vorgestern verstorbenen Löwenzahn-Moderators Peter Lustig zumindest in Teilen, wie der Zeit-Redakteur Kai Biermann  befürchtet.

Vor 14 Jahren veröffentliche die Stuttgarter Zeitung ein gewöhnliches, ein ehrliches, ungeschöntes Peter Lustig-Interview. Der verantwortliche Redakteur war Kai Biermann, der Titel: "Die Leute denken, ich trage Birkenstock". Wenige Tage später schrieb die Bild-Zeitung "Peter Lustig – ich kann Kinder nicht leiden" und bezog sich dabei auf ebenjenes Interview. Kurz danach titelte die Hamburger Morgenpost "Schock-Geständnis". Ein Großteil des Artikels klingt so: "Kinder sind klebrig, störend und laut', gesteht der Erkläronkel mit der Latzhose. Und das nach 27 Jahren Kinder-Fernsehen. Ein Skandal!" Als würde man Claudia Roth mit einem Hummer-SUV durch ein Naturschutzgebiet brettern sehen - ein gefundenes Fressen.

Tatsächlich hatte Lustig in dem Interview gesagt: "[...] ich kann gut mit Kindern umgehen. Vielleicht weil ich ihnen sage: Ich nehme dich so, wie du bist, du mich aber bitte auch, und so kommen wir gut klar. Sicher, Kinder stören und sind klebrig, na und? Das wissen die doch selbst." Natürlich mochte Peter Lustig Kinder: "Nur in der Sendung möchte ich sie nicht, mit Kindern zu drehen ist anstrengend, und sie gehören einfach nicht vor die Kamera. Das ist Quälerei, immer."

Der Redakteur Biermann kokettiert jetzt mit einem Schuldgeständnis , das aber eher als Schuldzuweisung funktioniert. Denn das Format, in dem die Stuttgarter Zeitung das Peter Lustig-Gespräch im Jahr 2002 veröffentlichte, ist eigentlich eines, das Objektivität garantiert: Die Zeitung veröffentlichte ein Gesprächsprotokoll, also die sterile Wiedergabe einer Konversation, unkommentiert, uneditiert. Wer hier was aus dem Kontext reißt, hat nichts als üble Nachrede im Sinn. So schrieb auch der Journalist Kai Biermann in seinem als Schuldbekenntnis getarnten Nachruf: "Beim Schreiben des Protokolls verfälschte ich nichts, ich wollte ihn zeigen, wie ich ihn erlebt hatte: offen, uneitel, ehrlich. Aber ich erkannte nicht, welche Gefahr sich in seinen Worten verbarg. Ich sah nicht, dass man ihn missverstehen konnte."

Der Autor beschließt seinen Artikel mit einer Anekdote. "Als ich heute einer Kollegin von seinem Tod erzählte, war ihre erste Bemerkung: 'Ach, das war doch der, der Kinder nicht ausstehen konnte.' Lieber, verehrter Peter Lustig, es tut mir leid." In den Kommentaren unter dem gestern bei moviepilot veröffentlichten Nachruf lässt sich dergleichen allerdings nicht entdecken. Es überwiegen dort die Ehrerbietungen an eine prägende Kindheitsfigur, daneben ein paar Wortspiele mit dem Nachnamen, etwas Zynismus. Ganz so ramponiert ist das Bild von Peter Lustig also doch nicht.

Hier  könnt ihr das Gesprächsprotokoll in voller Länge nachlesen.

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