Wir schauen Homeland - 4. Staffel, 3. Folge

14.10.2014 - 08:50 UhrVor 10 Jahren aktualisiert
Claire Danes in Homeland
Showtime
Claire Danes in Homeland
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Ist Quinn der neue Brody? Wer steckt hinter der Ermordung von Carries Vorgänger? Und wie viel kostet eigentlich eine Flasche Weißwein in Islamabad? Diese und andere Fragen wirft Homeland in der 3. Folge der 4. Staffel auf.

Nach der Doppelfolge vergangene Woche liegt es nun an Homeland, das Tempo für die 4. Staffel zu finden. Shalwar Kameez heißt die 3. Episode, welche uns zunächst die voller Hassliebe erwartete Titelsequenz zurückbringt. Die folgt dem bekannten Muster, tauscht Brody im Labyrinth gegen Drohnen-Fadenkreuze und John Kerry aus und wirkt ein wenig chaotisch und zusammengeschustert. "Wie unsere Heldin", könntet ihr jetzt entgegnen, aber dass Carrie (Claire Danes) dazu in der Lage ist, mit Jazz im Ohr einen gleichmäßigen Joggingrhythmus aufreicht zu erhalten, anstatt gegen einen elektrisch geladenen Zaun zu stolpern, zeugt von ihrer Zielstrebigkeit und Kontrolle. Das bekommen auch neue Team-Kollegen in Islamabad zu spüren. Als Station Chief des örtlichen CIA-Ablegers muss sie sich Respekt verschaffen, während sie insgeheim ihr eigenes Ding durchzieht. Im Aufbau potenzieller Konflikte, und damit ist die Episode beschäftigt, wirkt das etwas träge, was aber auch daran liegt, dass wir noch zwischen zwei nicht unmittelbar verbundenen Schauplätzen navigieren müssen.

Homeland - S04E03 (Shalwar Kameez)

Dass sich die kommenden Folgen eher auf Islamabad als einen Hotel-Pool irgendwo in D.C. konzentrieren, verspricht das Ende der 3. Homeland-Folge. Quinn (Rupert Friend) vertreibt seinen Suff glücklicherweise nicht mit wirklich  wichtigen  YouTube -Videos , weshalb er wieder in den Bann der CIA-Arbeit und Carries gerät. Denn genau das möchte uns Autor Alexander Cary weismachen: Der Traum vieler Shipper könnte wahr werden, wenn der PTSD-Killer und die bipolare Agentin ihre seit der 2. Staffel vorhandene sexuelle Spannung ausleben. Es könnte aber ebenso der Albtraum all jener Zuschauer werden, die von einer Liebesbeziehung Carries zu einem traumatisierten Killer bereits nachhaltig geschädigt wurden. Tendenziell sehe ich mich eher im zweiten Lager, insbesondere weil wir drei Staffeln auf Carries Befreiung aus der rothaarigen Umklammerung warten mussten.

Andererseits haben wir dank Shalwar Kameez eine spannende Konstellation vor uns: Carrie gelingt in dieser Episode so gut wie alles. Sie befreit die Botschaft vom Hausarrest, staucht einen muffelnden Mitarbeiter/Konkurrenten zusammen, verschafft sich Autorität am neuen Arbeitsplatz (die Loyalität muss noch geprüft werden), erringt in Teerschwaden die Sympathien der Botschafterin und knüpft hinter deren Rücken Kontakt zu ihren Helfershelfern Fara und Max. Daran schließt sich die Verführung von Aayan (Suraj Sharma) an, gleichermaßen widerwärtiges Spiel mit den Gefühlen eines Hilflosen und beeindruckende Manipulation. Die Mörderin seiner Familie verspricht ihm Sicherheit und vielleicht noch etwas mehr. Insofern bildet die Quinn-Szene, entschlackt um die Wunschträume unserer Lieblings-Fanfiction, eine einleuchtende Ergänzung: Quinn, von Dar Adal weichgeklopft und ohne vorstellbare Perspektive außerhalb der Agency, drängt darauf, sich von der Schuld reinzuwaschen. Carrie empfängt ihn mit offenen Armen und einem Satz, der Versprechen oder Abfuhr verheißen kann: "I fucking love you, Quinn." Dahergesagt, bedeutungslos und damit verletzend, aber vielleicht ein Funke Hoffnung, Perspektive. Ob die Homeland-Autoren das psychologische Macht-Ungleichgewicht zwischen Killer und Chefin ausschlachten (meinen Segen haben sie) oder zugunsten einer sympathischeren Heldin auf romantische Konventionen setzen, muss die 4. Staffel erst noch zeigen. Meinen Argwohn hinsichtlich dieser Storyline kann ich nicht verhehlen.

Die sonstigen dramaturgischen Entwicklungen in Islamabad fallen nämlich vielversprechend aus. Ich könnte den ganzen Tag zusehen, wie Carrie Verfolgern durch clevere Tricks entkommt (Kindern Geld geben!). Zudem erleben wir Carrie in einer ungewohnten Situation. Obwohl sie schon vorher im Team arbeitete (oder mindestens im selben Raum), liegt die Verantwortung für die ganze CIA-Station in Islamabad bei ihr, ebenso die Bereitschaft der Untergebenen, für sie durchs Feuer zu gehen. Eine entsprechende Weiterbildung samt Team-Building-Wochenende in der Cholistan-Wüste  ist wohl nicht drin. So liegt der Schatten ihres verstorbenen Vorgängers auf ihrem Weg zur Führungspersönlichkeit. Ein Einzelgänger war er, kaum gemocht, aber effektiv und vielleicht hat ihn einer seiner Agency-Kollegen verraten. Gut möglich, dass sich die Homeland-Autoren auch hier weniger für die psychologischen Nuancen interessieren als die Maulwurfjagd. Insofern können wir einen weiteren Punkt auf unsere lange Liste mit dem Titel "Potenzial" schreiben. Hier sei zusätzlich die ungewöhnliche Mutter-Vater-Konstellation zu vermerken, welche Carrie wider Erwarten in Islamabad auffindet. Unabhängig von ihrem Mentor Saul will sie sich profilieren und ist auf ihn und dessen Kontakte zu seiner alten Flamme in der Chefetage der Botschaft trotzdem angewiesen.

Ein bedeutendes Hindernis liegt den Autoren aber noch im Weg und ich bin mir nicht sicher, ob sie es wahrnehmen: Ohne Brody, aber mit einer gestörten Balance im Figurenensemble, könnte die Agentin mit (ein bisschen) Herz zu Super-Carrie mutieren. Abseits vom Kerndreieck Brody-Saul-Carrie haben sich die Homeland-Autoren nur gelegentlich mit charakterkonstruierendem Ruhm bekleckert. Selbst eine psychologisch wichtige Figur wie Dana wurde durch die immer gleiche dramaturgische Mangel genommen, von wandelnden Drehbuchleichen wie Mike, Estes und Random Drunk Dude With Important Questions (RDDWIQ) oder inkonsistenten Gegenspielern wie Majid Javadi gar nicht erst zu reden. In der neusten Folge können wir zusehen, wie Fara (Wüstentänzer - Afshins verbotener Traum von Freiheit) bei Aayan hart failt, wie es unter einem YouTube-Video heißen würde. Carrie springt ein. Aber warum gibt es Fara dann überhaupt? Das Worst-Case-Szenario: (schon wieder) nur wegen der  Verwandtschaft am Telefon. 

TIL: Hand hoch, wer gegoogelt hat! Ich gehöre jedenfalls dazu und kann euch nach intensiver Recherche mitteilen, dass Shalwar Kameez (oder Salwar Kamiz) eine in Indien, Afghanistan, Bangladesch und Pakistan verbreitete Kleiderkombo ist, die in der Regel aus einer weiten, Pyjama-artigen Hose (Shalwar) und einem langen Hemd (Kameez) besteht. Ein Schal (Dupatta, nicht zu verwechseln mit dem Tuch, das Carrie trägt) kann dazu getragen werden. In den meisten der genannten Länder ist der Shalwar Kameez sowohl bei Frauen als auch bei Männern beliebt. Beim AVClub  wird der Titel dieser Homeland-Episode als Verweis auf die Team-Arbeit von Quinn und Carrie gelesen. Shalwar funktioniere nicht ohne Kameez. Er kann aber ebenso auf den möglichen ISI -Mitarbeiter im Video verweisen (wobei mehrere Männer im Mob einen tragen, aber keiner einen farblich so markanten) oder aber die Bewegungsfreiheit andeuten, um die Carrie in Islamabad kämpft. Dafür spricht die Popularität bei den Einheimischen, die universelle Einsetzbarkeit in verschiedensten Bevölkerungsschichten und Temperaturen sowie der Schnitt. Shalwar und Kameez sehen nämlich ungeheuer bequem aus.

Zitat der Folge: "We were young. We were stupid. It was Beirut."

Mehr: Wir schauen Homeland - 4. Staffel, Folge 1 & 2

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