Es ist egal, ob es um den fürsorgenden und liebenden Vater geht, der sich in einen durchgeknallten Killer verwandelt (Shining), eine alternde Filmdiva, die den Tagen ihres Ruhms hinterhertrauert (Sunset Boulevard - Boulevard der Dämmerung) oder eine Mutter, die ihre Kinder liebt und von anderen für untauglich befunden wird (Eine Frau unter Einfluß), diese zu erziehen. Es ist dieser Zustand oder der "Schubser", der uns als Zuschauer eine Filmwelt eröffnet, die uns immer wieder in ihren Bann zieht und fasziniert - der Wahnsinn von Filmfiguren.
Auch mir sind im Laufe der Zeit immer wieder Filme begegnet, die mich mit ihren Charakteren mitfühlen ließen oder zutiefst verstört haben. Die in der Lage waren, die Abgründe im menschlichen Geist darzustellen und einen zum Teil auch an eigene Grenzen zu führen. Ich konnte nicht fassen, welche Welt des Irrsinns sich mir zum Beispiel in Aleksey Germans "Es ist schwer, ein Gott zu sein" offenbarte. Die Unfassbarkeit des Abgebildeten, was sich mit eigenen Weltbildern nicht vereinbaren ließ und das sich völlig eigener Moral und Wertvorstellungen bediente; führte mich an eine emotionale Grenze (nicht zuletzt aufgrund der grandiosen Kameraarbeit) und definierte die Frage nach einem "Normalen", im Sinne eines "gesunden" Geistes, neu. Die Irritation und den Schmerz, den ich mit Liv Ullmann (Persona) empfand, als diese jegliche Bezüge zur Realität verlor und sich nur nach einem Dasein auf der Bühne sehnte. Manches Mal auch eine kühle Distanz und Respekt, den ich z.B. bei der Aussage in Aguirre, der Zorn Gottes empfunden habe, als Kinski mit puren Willen die Vögel zum Fallen von den Bäumen befehligen wollte und nicht klar war, ob dies seine Rolle oder sein ureigenes Wesen gewesen ist.
Die Abbildung von Menschen, die sich an der Grenze der Rationalität und gesunden Empathie bewegen ist ein häufiges Thema in der Welt des Films und eines, das mich auch immer wieder in seinen Bann zieht, sofern dieses "gut" (was auch immer diese Zuschreibung im Kontext bedeutet) inszeniert ist. Es ist das Mitlaufen an einer Grenze und die Darstellung von einem Ausbruch, der einen in dunklen Gedankenspielen vielleicht selbst mal überkommt. Es ist die Neugier, wie viel ein Mensch aushalten kann. Es ist das häufige Unverständnis und die Hoffnungslosigkeit oder auch Liebe des Umfeldes, dass dem Leidenden entgegengebracht wird und das eine Reaktion beim Zuschauer auslöst (ob Mitgefühl oder Abneigung sei mal dahin gestellt).
Die Gründe warum man sich diesen Filmen widmet mögen unterschiedlich sein, aber, dass diese eine Faszination auslösen ist unbestritten und führt zu immer neuen Darstellungen dieses Themenbereiches in der Filmwelt. Vom frühen Film (z.B. Das Cabinet des Dr. Caligari) bis zum neuen Film (z.B.Blue Jasmine) ist es die Faszination und Unergründlichkeit des Themas und auch die Polarisierung, die dieses auslöst und warum auch ich mir immer wieder Filme ansehe, um diesem Gefühl erneut zu begegnen.