Boardwalk Empire - Abstieg in den Sündenpfuhl

14.02.2012 - 08:50 UhrVor 12 Jahren aktualisiert
Boardwalk Empire
HBO
Boardwalk Empire
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Eine furiose Zusammenstellung an Crew und Cast, bis in die letzten Ecken ausgefeilte Drehbücher und Kulissen, die Nostalgie-Herzen höher schlagen lassen – mit dem Serien-Epos Boardwalk Empire ist HBO mal wieder ein ganz großer Wurf gelungen.

Schon allein die Produktion der ersten Folge war eine Kampfansage an die Serien-Konkurrenz: Stolze 18 Millionen US-Dollar ließ sich Erfolgssender HBO 2008 die Dreharbeiten zum Piloten seines neuen Projekts Boardwalk Empire kosten und legte damit den Grundstein für einen bald darauf folgenden Preisregen. Vorausgegangen war die Verpflichtung von Gangster-Experte und Star-Regisseur Martin Scorsese, die der pompösen Premiere endgültig die Krone aufsetzte. Doch allein viele Millionen Scheinchen und eine Star-gespickte Crew-Besetzung machen noch keine gute Serie. Alle, die sich dem Sog dieses Dramas unerklärlicherweise bis jetzt entziehen konnten, will ich heute mit meinem Herz für Serie bekehren und auf einen kleinen Spaziergang auf den Boardwalk von Atlantic City einladen.

Und da gibt es im wahrsten Sinne einiges zu sehen. Denn eine der größten Stärken der eindringlichen Gesellschaftsstudie ist die Detailverliebtheit bei Kostümen und Setdesign, sodass der Zuschauer ein ungemein leichtes Spiel hat, in die heute ungewohnte Welt der 20er Jahre abzutauchen. Egal ob redegewandter Politiker, zwielichtiger Gangster oder der einfache Mann auf der Straße, die Outfits der Mimen wirken stets maßgeschneidert und helfen so auch der Einordnung in verschiedene Gesellschaftsklassen. Denn Boardwalk Empire lässt seinen historischen Blick stets schweifen: Von der Gosse zum Bürger zum geldgierigen Politiker und wieder zurück, die Grenzen sind fließend. Dabei kreist alles um den Alkohol, denn in Zeiten der anhaltenden Prohibition muss jeder schauen, wo er sein liebstes edles Tröpfchen herbekommt.

Mit wieviel Sünde kannst du leben?
Dieser Aufgabe hat sich ein Mann voll und ganz verschrieben: Enoch Thompson, kurz Nucky (Steve Buscemi), Schatzmeister der Stadt New Jersey. Er ist der Heavy-Hitter im Geschäft mit dem illegalen Alkohol und hält damit alle noch so verwobenen Fäden der Stadt in seinen Händen. Und dieses Handwerk beherrscht er wie kein Zweiter, er verkehrt in allen Kreisen der Stadt und putzt Klinken wo es nur geht. Dank seiner großzügigen und spendablen Art liegen ihm die Bürger der Stadt zu Füßen und es liegt ihm schwer am Herzen, dass sich das so schnell nicht ändert. Denn in seiner Position als Kämmerer verfügt er allein über die Finanzen der Stadt und das nutzt der skrupellose Politiker nicht ungern zu seinen Gunsten aus. Der extravagante Lebemann lässt es sich eben gerne gut gehen und hält damit auch nicht hinterm Berg und so verwundert es nicht, dass er mindestens genau so viele Feinde wie Freunde zählt. Und die werden nicht müde, ihm seine erhabene Position streitig machen zu wollen.

So hat Nucky stets alle Hände damit zu tun, sein komplexes Beziehungsnetzwerk zu balancieren und darf dabei aber nie vergessen, dass er in dieser Stadt der Sünde nur wenigen Menschen vertrauen kann. Denn auch wenn die Gesetzeshüter sich einen Faux-Pas nach dem anderen genehmigen und nicht wirklich ernst zu nehmende Gegner seiner Untergrund-Operationen sind, so muss er sich doch immer wieder umblicken und evaluieren. Diese nie sichtbare, aber deutlich spürbare Angst im Nacken beschwört eine spannende Atmosphäre, in der sich der Zuschauer niemals zu wohl fühlen darf. Nuckys Suche nach seinen wirklichen Vertrauten und Freunden wird zum Kern der Erfolgsserie, denn es sind die, zugegeben raren, intimen Momente der Schwäche und Verletzlichkeit, die den skrupellosen Geschäftsmann zur liebenswerten Figur machen und uns den tragischen Antihelden ans Herz wachsen lassen.
Aber nicht nur Nuckys Charakter ist mit interessanten Widersprüchen angereichert, auch seine Geschäftspartner, Freunde oder Familie wandeln stets auf einer feinen Linie zwischen Gut und Böse. In dieser korrupten Welt muss eben jeder für sich selbst entscheiden, mit wie viel Sünde er leben kann…

Moralische Ambivalenzen aus berühmter Feder
Boardwalk Empire stammt aus der Feder des renommierten Drehbuchautors Terence Winter, der seine Unterwelt-Affinität schon als Schreiber von 25 Folgen der Kultserie Die Sopranos unter Beweis stellte, und basiert auf einem Tatsachenroman des US-Autors Nelson Johnson. Denn auch wenn manche Charaktere frei erfunden sind, so beruht der Großteil der Personen auf wahren Persönlichkeiten der 20er Jahre – ein wahres Fest für Historiker! So schuf Winter eine eindringliche Gesellschaftsstudie bis zum Kragen angereichert mit hinterhältigen Intrigen, moralischen Ambivalenzen und gnadenloser Gewalt, die nur so vor Authentizität strotzt und mit einer stilsicheren Inszenierung das Gesamtbild abrundet. Der durchweg perfekt besetzte Cast trug die Handlung mit darstellerischer Brillanz durch die bisher zwei Staffeln und ich für meinen Teil kann es kaum erwarten, bis Staffel drei den Weg auf meinen Flimmerkasten findet.

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