Burlesque Darstellungen im Film

08.09.2011 - 08:50 Uhr
Tournee von Mathieu Amalric
Farbfilm
Tournee von Mathieu Amalric
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Mit Tournée startet am 8. September ein Film über die erotische Performance-Kunst Burlesque im Kino. Ein guter Anlass, sich mal anzusehen, was es eigentlich damit auf sich hat und wie dieses Thema auf der Leinwand bislang angegangen wurde.

Der Name Burlesque kommt eigentlich aus dem Italienischen und bedeutet soviel wie „sich über etwas lustig machen“. Und so ist im Burlesque bis heute das parodistische Moment eigentlich viel wichtiger als das erotische. Auch wenn Christina Aguilera uns etwas anderes weiß machen will: Die echten Stars zeigten sich über den Film Burlesque ziemlich enttäuscht. Im Burlesque geht es um die Stärkung der weiblichen Sexualität, während der Film nicht in der Lage sei, eine starke Frauenfigur zu entwerfen. Auch optisch passt die Darstellung nicht so ganz: Der Körper von Christina Aguilera hat mit den oft vollschlanken und grell geschminkten Damen ebenso wenig gemeinsam, wie ihre glatt polierte Performance mit der Selbstironie der echten Stars.

Die Anfäge des Burlesque im Zirkuszelt
Burlesque, wie wir es heute in den Medien sehen – meist im Zusammenhang mit Dita Von Teese – ist nur das Wiederaufleben eines Phänomens der Populärkultur, das schon über 100 Jahre alt ist. Und so gibt es auch nicht erst seit letztem Jahr Filme darüber. 1933 kam der Streifen Ich bin kein Engel ins Kino, in dem Mae West eine Tänzerin beim Zirkus spielt. In der Tat entwickelte sich der Burlesque-Tanz aus den erotisch angehauchten Rahmenprogrammen von Zirkussen, den sogenannten Sideshows. Aus einer solchen stammt auch die Figur, die Mae West verkörpert und die sich später als Löwenbändigerin emanzipiert.

Frauen als erotische Alleinunterhalter in den 40ern
In den Jahren vor dem Zweiten Weltkrieg hatte sich Burlesque als eigenständige Kunstform etabliert. Teil der Vorführungen war neben den Tanzeinlagen aufreizend bekleideter (nicht nackter!) Frauen auch immer ein Comedy-Programm. Nach und nach verdrängten die Tänzerinnen jedoch ihre männlichen Kollegen und übernahmen selbst den Unterhaltungsteil. Auch heute noch sind Burlesque-Künstlerinnen viel mehr als nur Tänzerinnen und erfreuen ihr Publikum mit Akrobatik und Zauberei. So ist es auch zu erklären, dass die Filme, die zu Beginn der 40er Jahre im Burlesque Milieu spielen, sich fast ausschließlich mit den Damen beschäftigen: Dance, Girl, Dance zeigt zwei Freundinnen, von denen sich eine für die Karriere als Prima-Ballerina entscheidet, während die andere Burlesque Tänzerin wird. Lady of Burlesque, der von einem Mordfall im Burlesque-Milieu handelt, basiert auf einem Roman von niemand Geringerem als dem Pin Up und Burlesque Star Bettie Page.

Die 50er: Burlesque meets Pin Up
Bettie Page verdeutlicht, was mit Burlesque in den 50er Jahren passiert: Der Stil ging teilweise nahtlos in andere Formen der Darstellung von Weiblichkeit über, unter anderem in den Pin Up Stil. Gemeinsam ist den beiden, dass die Frauen sich nicht komplett entblößen, sondern die Erotik eher suggerieren als darstellen. Der Titel Striporama, einem weiteren Burlesque Film aus dem Jahr 1953, ist da etwas missverständlich. Hier handelt es sich nämlich um einen Zusammenschnitt von Burlesque-Revuen, der mit einer recht minimalistischen Rahmenhandlung im Kino gezeigt wurde. Deutlich mehr Handlung hatte da Manche mögen’s heiß mit Marilyn Monroe, den Schauspieler Jack Lemmon als auf 2 Stunden ausgedehnte, 5 minütige Burlesque Show beschreibt.

Realistischere Perspektiven in den 60ern
In den 60er Jahren näherte sich der Film dem Thema dokumentarischer an. Zwar wurden mit Gypsie – Königin der Nacht und Die Nacht, als Minsky aufflog Spielfilme gedreht, doch basierten diese auf wahren Begebenheiten. So ist ersterer ein biographischer Streifen über die Burlesque Künstlerin Gypsy Rose Lee und der zweite eine fiktive Darstellung der Erfindung des Striptease. In Die Nacht, als Minsky aufflog wird ein frommes Amish Mädchen Tänzerin und zieht auf der Bühne versehentlich blank. Das hat es so nicht gegeben, aber die dargestellten Figuren haben dennoch reale Vorbilder. Auch der Film Cabaret mit Liza Minnelli als erotische Tänzerin stellt eine realistische Annäherung an das Thema dar, da er auf der Autobiographie von Christopher Isherwood basiert.

New Burlesque und erste Dokumentarfilme
Dann aber setzten sexuelle Revolution und die erhöhte Akzeptanz von Pornographie der Begeisterung für den Burlesque Stil ein Ende, bis Ende der 90er mit dem New Burlesque eine Wiederbelebung stattfand. Seit der Jahrtausendwende ist diese auch im Kino angekommen. Das begann 2002 mit der Filmversion des Musicals Chicago, in dem Catherine Zeta-Jones als sexy Sängerin auftritt und Renée Zellweger erst ihren Liebhaber ermordet, um dann eine ähnliche Karriere wie ihr erotisches Vorbild anzustreben. Mal abgesehen von einigen Reinfällen haben auch die Filme der letzten zehn Jahre versucht, dieser Kunstform auf ernstzunehmende Weise gerecht zu werden. So porträtierte 2005 The Notorious Bettie Page das Leben eben dieser Künstlerin. 2009 entstand mit A Wink and a Smile eine Dokumentation zu dem Thema. Der Film begleitet eine Gruppe von zehn Frauen, die im Rahmen eines Burlesque Workshops ihr erotisches Potential entdecken. Burlesque Undressed ist ebenfalls ein Dokumentarfilm, der die Geschichte dieser Kunstform nachvollzieht und insbesondere das Verhältnis der heutigen Stars der Szene mit ihren Ursprüngen vergleicht.

Ein Blick in die Kinozukunft des Burlesque
Wir könnten jetzt glauben, New Burlesque hat es geschafft, als ernstzunehmende Kunstform anerkannt zu werden. Die Darstellung von Christina Aguilera als trällerndes Sexobjekt in Burlesque spricht jedoch dagegen. Vielleicht kann ja Regisseur Mathieu Amalric mit seinem Film Tournée eine Art Lanze für den erotischen, aber auch selbstironischen Tanz brechen und zeigen, dass es hierbei nicht um Voyeurismus und Degradierung der Frau zum Sexobjekt geht, sondern dass Burlesque vielmehr eine Möglichkeit der Frau ist, sich auch selbstbewusst als sexuelles Wesen darzustellen. Dass er keine Magermodels, sondern echte Burlesque Stars wie Dirty Martini mit ins Boot – oder vielmehr auf die Bühne – geholt hat, ist schon mal ein guter Anfang.

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