David Cronenberg und der Sex in seinen Filmen

15.03.2013 - 08:50 UhrVor 11 Jahren aktualisiert
Holly Hunter in Crash
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Holly Hunter in Crash
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Heute feiert David Cronenberg seinen 70. Geburtstag. Wenige große Namen im Filmgeschäft machen so eigenwillige Filme wie der Kanadier, nicht zuletzt wegen seiner ungewöhnlichen Darstellung von Sex. Wir schauen uns seinen Stil genauer an.

Ein Ehepaar streitet sich. Die Frau erkennt ihren Mann nicht mehr wieder. Jahrelang kannte sie ihn als einen ruhigen, zärtlichen Menschen, der keiner Fliege was antun könnte. Doch in letzter Zeit zeigt er sich von einer anderen, härteren, gewaltsamen Seite, die ihr Angst macht. Der Streit kommt allmählich ins Schaukeln, normale Wortwechsel weichen den Aggressionen und der Angst. Es wird lauter und die Emotionen erreichen ihren Gipfel in Handgreiflichkeiten, der Konflikt der Eheleute nimmt gewaltsame Züge an und endet schließlich mit ebenso leidenschaftlichem Sex auf den Treppenstufen.

Diese Szene in A History of Violence ist bezeichnend für das Schaffen von David Cronenberg. Der Sex ist in seinen Filmen ein ebenso wichtiger Bestandteil wie die Gewalt, so gut wie immer gehen sie sogar Hand in Hand und existieren gar nicht unabhängig voneinander. Am deutlichsten ist dies in dem vielleicht verstörendsten Werk des Kanadiers, Crash, zu erkennen. Dort zeigt er uns, ganz grob und vereinfacht ausgedrückt, das tote Verhältnis zweier Eheleute zueinander, die entdecken, dass sie von Autounfällen sexuell erregt werden. Dabei verzahnt er Sex und Gewalt so beklemmend, dass es wahrlich kein Wunder ist, dass so viele Zuschauer den Film als unerträglich empfinden. Schließlich gibt Cronenberg ihnen, wie so oft, nichts Vertrautes – mit eisiger Kälte und befremdlicher Distanz zeigt er seine Figuren beim Geschlechtsakt, welcher meist ungewohnt abstoßend ist.

Warum macht er das? fragt sich der Zuschauer und sieht sich damit vielen weiteren unangenehmen Fragen gegenüberstehen. Warum inszeniert ein Regisseur die schönste Sache der Welt so eng mit der vielleicht hässlichsten und schlimmsten Sache der Welt, der Gewalt? Womöglich, weil sie näher beieinander liegen, als uns lieb ist. David Cronenberg deutete es selbst in einem Interview an: Sowohl die Gewalt, als auch der Sex würden offenbaren, wer wir wirklich sind. In keiner anderen Situation würden wir, im wörtlichen und übertragenen Sinne, so sehr die Hüllen fallen lassen und den Schutz um unser wahres Ich aufgeben. Da liegt es nahe, diese beiden Dinge miteinander zu verschmelzen oder sie zumindest Hand in Hand gehen zu lassen.

Dementsprechend verkommen die Sexszenen nie zum reinen Selbstzweck, wie wir bei oberflächlicher Betrachtung nachvollziehbar annehmen könnten. Sie spiegeln die Gefühle der Protagonisten wieder und reflektieren ihre Ängste und Charakteristika. Und gerade weil Sex einen klaren Blick auf den Menschen ermöglicht, wird er von Cronenberg genutzt, um sein Publikum in einen Zustand von Unbehagen zu werfen. So könnten wir theoretisch die Hoffnung darauf, dass die Figuren in Crash sich nur nach außen hin kalt und emotionslos geben, bis zum Ende hin aufrecht erhalten. Doch stattdessen blicken wir auf ihre wahre, ebenso kalte Persönlichkeit und werden deprimiert zurückgelassen.

Gleichzeitig bringt Cronenberg anhand seiner Sexszene seine Faszination für den menschlichen Körper, der bekanntermaßen stets ein zentrales Element in seinen FIlmen ist, zum Ausdruck. Er selbst bezeichnet sich als Atheist und begründet damit, dass für ihn die menschliche Existenz in erster Linie durch den Körper begründet ist und nicht in einer spirituellen Form, was schließlich dazu führt, dass er in seinen Filmen den menschlichen Körper intensiver erforscht, als es womöglich andere Filmemacher tun würden. Verständlicherweise stößt das nicht bei jedem Zuschauer auf positives Feedback, doch wir sind zuversichtlich und glücklich darüber, dass das David Cronenberg auch mit 70 Jahren genauso wenig interessiert wie früher.

Was sagt ihr zu David Cronenbergs Darstellung von Sexualität?

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