Disneynature - Wenn Tiere zu Menschen werden

11.09.2015 - 08:50 UhrVor 8 Jahren aktualisiert
Im Reich der AffenWalt Disney Studios
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Die Makaken, die in Sri Lanka durch die Bäume schwingen sind auch einfach zu putzig. Besungen von Lorde wirken die Affen im Trailer zu Im Königreich der Affen wie Tänzer in einem Musikvideo, mit der Folge, dass sie keine Tiere mehr sind.

Disney beteiligte sich bereits früh an ersten Naturdokumentationen. Die Disney True-Life Adventure-Serie veröffentlichte zwischen 1948 und 1960 zahlreiche Wildtierfilme, darunter Weiße Wildnis und Wunder der Prärie. Roy E. Disney, Neffe von Walt Disney, arbeitete an den Filmen mit, die eine ganze Generation von Amerikanern prägten. Die Serie kam auf acht Oscar-Gewinne. Doch es gab auch Kritik über Ungereimtheiten.

Die Darstellung der Lemminge war widersprüchlich. True-Life Adventure soll dafür verantwortlich sein, dass viele Menschen an suizidale Lemminge glauben. Das Fischereiministerium von Alaska  schreibt dazu: "Lemminge bringen sich nicht um. Es ist ein Mythos, aber es ist unglaublich, wie viele Menschen diesen Mythos glauben.“ Demnach hätten die Mitarbeiter der True-Life Adventure-Produktion Weiße Wildnis die Lemminge von der Klippe gestoßen. Einzelne Szenen sollen dann so geschnitten worden sein, dass alles nach einem Massensuizid aussah. Diese Zeiten sind zum Glück lange vorbei.

Filmplakate von Weiße Wildnis und Wunder der Prärie


Das Märchen der Naturdokumentation

Das Studio Disneynature präsentiert uns vermeintlich ungeschönte Einblicke in das Leben diverser Wildtiere. Sie bedienen sich dabei allerlei Mechanismen, die die Tiere zu Menschen machen. Neben dem Schnitt von Szenen und der Zusammensetzung von Handlungsketten, ist es vor allem der Sound, der manipulativ eingesetzt wird. In Im Reich der Raubkatzen wird der Zuschauer beispielsweise von einem Erzähler geführt.

Im Original stammt die Stimme von Samuel L. Jackson. Der Pulp Fiction-Star ist passenderweise die Stimme von Gott in der Vertonung des Neuen Testaments in The Bible Experience . Bei Naturdokumentationen gibt es nämlich ein großes Problem: Die Natur ist still bzw. hat sie nur natürliche Geräusche, wie das Prasseln von Regen auf einem Wasserloch oder das Stürmen des Windes über eine Prärie. Verkauft das Kinotickets? Dann lieber Gott kommentieren lassen. In Im Reich der Affen bekommt übrigens Tina Fey diese Rolle.

Im Reich der Raubkatzen


Aus Naturdokus werden Telenovelas

Ruhige Szenen mit komponierten Stücken oder Popmusik hinterlegt und werden so dramatisiert. Der Zuschauer soll sich schließlich mit den Tieren und ihren Schicksalen identifizieren. Die Tiere werden gefilmt und danach eine Geschichte konstruiert. Die Steppe wird zum Schauplatz eines Streits zwischen zwei 'Familien' (nicht Rudeln), die einen jahrelangen Konflikt miteinander haben. Deshalb bekommen die Tiere auch Namen und eine klare Rollenverteilung. Im Reich der Affen wird Maya als "kluge und findige Affendame mit der blonden Bob-Frisur“ beschrieben. Ernsthaft?

So werden Wildtiere in der Natur zu (ungefragten) Darstellern einer Telenovela, die mit dem wissenschaftlich erforschten Verhalten von Tieren in ihrer Umgebung wenig zutun haben. Können wir dann überhaupt noch von einer Naturdokumentation sprechen? Disneynature glaubt selbst nicht mehr daran und nennt sein Werk Spielfilm . Besonders bitter ist die Manipulation in Anbetracht des wunderschönen Bildmaterials, das die Kameramänner von Disneynature filmen.

Im Reich der Affen


Sie liefern grandiose Detailaufnahmen der Wildtiere. Auch die Landschaftsaufnahmen sind spektakulär. Trotz toller Bilder bleibt bei mir aber ein bitterer Beigeschmack. Erwachsene können (hoffentlich) zwischen Fiktion und Realität unterscheiden. Bei Kindern ist die eigene Interpretation aber begrenzt. Genau dort liegt die Gefahr bei den Dokumentationshybriden, die keine Grenze mehr zur Fiktion ziehen. Der nächste Schritt wäre eine Realverfilmung von Der König der Löwen. Darauf kann ich aber gut und gerne verzichten.

Wie findet ihr diese Art von Filmen?

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