Das enttäuschende Einspielergebnis von Pixels hat die internationale Filmkritik in ihrer Ablehnung gegenüber Adam Sandler bestätigt. Wie nahezu alle Komödien des einst erfolgsverwöhnten Komikers wurde das Gamer-Nerd-Abenteuer mit Hämekübeln übergossen (18% auf Rotten Tomatoes , 27 auf metacritic ) und als neuerlicher Anlass betrachtet, seine Karriere für beendet zu erklären.
Das US-Branchenblatt Variety saugte sich geradewegs fünf Gründe aus dem Ärmel, warum Adam Sandler kein Star mehr sei, und mehr oder weniger alle Filmmagazine verfassten Neuauflagen ihrer schon seit Jahren mit den Worten Sandler und Kassengift überschriebenen Box-Office-Analysen.
Die Filmkritik liebt es, sich im Recht zu wähnen: Dass das breite Publikum, längst aber auch der Rest einst beinharter Sandler-Fans, dem für sie ohnehin stets unerklärlichen Erfolg des ehemaligen Stand-Up-Comedians ein Ende zu setzen scheint, empfindet sie als pure Genugtuung. Anders lassen sich der apodiktische Spott und die selbstzufriedenen Pamphlete contra Sandler nicht erklären – wenn sie schon mehrheitlich an dem vorbeigehen, was dessen Kino nach wie vor zu einer außergewöhnlichen Angelegenheit macht.
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Adam Sandler ist der Filmkritik liebster Prügelknabe. Seit jeher weigert sie sich in beharrlicher Weise, ihm ein spezifisches Komödientalent zuzuerkennen oder eine ernsthafte Auseinandersetzung mit seinen Filmen zu wagen. Herunter gebrochen wird sein Werk für gewöhnlich auf dessen dezidiert spätpubertären Humor – Sandlers konstantes Widersetzen, erwachsene Figuren zu spielen – und die daraus resultierenden kindlich-vulgären Zoten.
Nichts ist in der klassischen amerikanischen Filmkomödie offenbar weniger sophisticated als ein kaum verschleierter (nicht kunstvoll, sondern offensiv unterhalb der Gürtellinie positionierter) Pipi- und Kackawitz: Je künstlerisch (wenn auch nicht kommerziell) widerstandsfähiger Adam Sandler seine Kinoblödeleien auf einen infantilen Nenner bringt, desto entschiedener sind die Abgrenzungsversuche einer sich für derartigen Humor selbstredend zu intelligent fühlenden Filmkritik.
Lediglich vereinzelt haben Fürsprecher den Versuch unternommen, in Sandlers Filmen eine Art geistiges Erbe von Jerry Lewis zu erspüren. Oder seinen krassen Humor als Schutzmauer zu begreifen, die, wenn sie erst einmal sanft eingerissen ist, große Sensibilitäten freilegt.
Alle Sandler-Komödien zumindest erzählen von Kindsmännern, deren Kommunikationsschwierigkeiten weniger auf eigenes Unvermögen, denn gesellschaftliche Widerstände zurückzuführen sind. In Billy Madison erschweren Machtstrukturen einer Hoteldynastie und Rivalitätsdenken schnöseliger Wohlstandserben die Entwicklung des Protagonisten, in Happy Gilmore sind es eng abgesteckte Grenzen traditionsreicher Sportarten und Etiketten der sie repräsentierenden Schickeria (ein Thema, das Waterboy - Der Typ mit dem Wasserschaden erneut aufgreift).
Big Daddy handelt von den komplizierten und schließlich vor Gericht ausgetragenen Versuchen eines ewigen Tagträumers, der unkonventionelle Sorgerechtsansprüche durchzusetzen versucht, und in Little Nicky - Satan Junior muss Sandler als teuflischer Tunichtgut Himmel und Hölle gegen machthungrige Familienmitglieder verteidigen.
Sein bislang vielleicht radikalster Film, die Antihochzeitskomödie Der Chaos-Dad, zeigt Sandler als einen zu zweifelhaftem Medienruhm gelangten Vater, der die spießbürgerlichen Verhältnisse seines Sohnes mit Anarchismus kontaminieren muss, um schlussendlich dessen Zuneigung zu gewinnen.
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Es geht in diesen Komödien also um Verlierer mit juvenilem Rebellengestus, um liebenswerte und gleichsam harmoniebedürftige Störenfriede. Adam Sandlers Figuren stammen selten aus proletarischen und noch seltener aus gehobenen Verhältnissen, versuchen sich aber stets zu eigenen, durchaus extremen Bedingungen mit ihnen zu arrangieren.
Sie verschanzen sich hinter derbem Ulk, einem nonkonformistischen Habitus und vielen streitlustigen Anzüglichkeiten, aus denen einerseits ein soziales Gefüge entsteht, das Sandlers prominenten Kollaborateuren (Rob Schneider, Allen Covert, Nick Swardson) Raum für ebenso durchgeknallten Unsinn bietet, die andererseits aber auch auf Zuflucht gewährende Mechanismen zurückgreifen: Sandlers Geschichten handeln von meist realitätsnahen Milieus, deren Ungerechtigkeiten seine Figuren nur sittenwidrig zu begegnen wissen.
Dass sie ihre unterschiedlichen Annäherungen mit brachialen Versöhnungsmanövern herstellen, durch sie letztlich aber ein besseres Miteinander ermöglichen – eine Begegnung auf Augenhöhe nämlich, die soziale Konstruktionen und Benachteiligungen von Minderheiten zerschlägt –, macht die Filme auch als humanistisches und nicht allein hochvergnügliches Kino relevant.
Adam Sandler, der einen für Star-Verhältnisse eher rigiden
Presseumgang pflegt (Interviews gibt er nur in Ausnahmefällen und
zumeist Fernsehstationen), weiß natürlich um seinen schlechten Stand bei
Filmkritikern. Wohlwollende oder gar begeisterte Reaktionen ruft er bei
ihnen nur hervor, wenn er das übliche (oder das als üblich empfundene)
Schema seiner Komödien durchbricht, um vermeintlich ernsthaftere und
tragikomische Rollen in Filmen "etablierter" Regisseure und
Kritikerlieblinge zu spielen (Punch-Drunk Love, Spanglish, Wie das Leben so spielt).
Diese Filme aber markieren keine Abkehr von seinen Motiven,
sondern verhandeln sie lediglich unverstellter: Zwischen den
nachdenklichen Betroffenheitsgesten im 9/11-Drama Die Liebe in mir und der eskapistischen "Beilegung" des Nahostkonflikts im ungleich schrilleren Leg dich nicht mit Zohan an
besteht allenfalls ein tonaler beziehungsweise genredienlicher
Unterschied. Von der Filmkritik gepriesen wurde freilich nur der
vordergründig seriösere der beiden, obwohl alle Sandler-Komödien von
Aussöhnung und Solidarität erzählen – die einen auf herausfordernde und
zum Teil subversive Art, die anderen bekömmlicher und darin auch ein
bisschen weniger interessant.
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Leider kündigte ihm ein über Jahre hinweg zugeneigtes Publikum
ausgerechnet in jenem Moment die Treue, als Adam Sandler seine
künstlerischen Motivationen nicht länger nach schnöden
Qualitätskinokriterien auszurichten bereit war (konkret: als er mit der
Cross-Dressing-Groteske Jack und Jill
endgültig klarstellte, dass er sich ganz buchstäblich in kein Korsett
schnüren lässt).
Unter den vielen zuletzt unverdient gefloppten
Sandler-Filmen bildet insbesondere die mit viel jiddischem Witz
angereicherte Fantasy-Komödie Cobbler - Der Schuhmagier
einen Höhepunkt. Sie setzt sich über erzählerische Grenzen ebenso wie
über Sandlersche Komödienkonzepte hinweg, indem sie ihre Hauptfigur in
unterschiedlichste menschliche Körper und damit vollkommen
gegensätzliche Milieus, Geschichten und Genretopoi steckt: Mal tritt der
Star als brandgefährlicher Gangster, mal als schwuler Gigolo auf; und
manchmal mimt er auch ganz einfach eine resolute Trans*Frau.
Im warmherzigen Finale des unberechenbaren Films setzt der von Sandler
gespielte, magische Schuster seine Fähigkeit schließlich für eine
Aktivistengruppe ein, die gegen Immobilienhaie und für einen
lebendigeren Wohnkiez kämpft. Gesehen hat diesen Film beinahe niemand,
sein US-Einspiel belief sich auf 24,000 Dollar.
Nun, da Sandlers Deal mit Sony Pictures ausläuft (und der anstehende Hotel Transsilvanien 2 das – wie wir aus vielen geleakten E-Mails wissen: sehr angespannte
– Verhältnis zwischen dem Studio und seinem Star vorerst beendet),
werden sich die kommenden Filme des kommerziell angekratzten Komikers
einen anderen primären Verwertungskanal als das Kino zueigen machen. Viel ist geschrieben worden über den Vier-Filme-Vertrag, den Adam
Sandler und der Video-on-Demand-Dienst Netflix jüngst geschlossen haben,
vor allem natürlich wieder einmal viel Hämisches.
Man könnte meinen, es
kam seinen Kritikern allzu recht, dass Statisten vom Set des derzeit
produzierten Ridiculous 6
marschierten, weil sie sich von dessen Drehbuchvorgaben rassistisch
beleidigt fühlten. Ob es sich dabei vielleicht um ein Missverständnis,
um schlechte Kommunikation oder bedauerlicherweise fälschliche Eindrücke
des aus dem filmischen (finalen) Zusammenhang gerissenen Materials
gehandelt haben könnte, spielte in der Berichterstattung keine Rolle.
Ein mit einfach gemachter Ideologiekritik versehener Stempel markiert
Sandlers Kino schließlich ohnehin seit jeher.
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Tatsächlich
ist die Kooperation mit Netflix das Zweitbeste, was Sandlers Karriere
bislang passieren konnte (das Erstbeste wäre seine Kündigung bei
Saturday Night Live, aus der 1995 die Entscheidung hervorging, im Kino
Fuß fassen zu wollen). Adam Sandler ist immer dann in seinem Element,
wenn er sich nach Lust
und Laune austoben, besonders aber den ästhetischen Vorgaben
irgendwelcher modischen Filmtrends widersetzen darf.
Eine Abkehr von den
Performance-Zwängen des Mainstream-Kinos also, das ihm bald schon keine
zuverlässige Heimat mehr für transgressiven und überbordenden
Komödienwahnsinn bieten möchte, kann da nur konsequente, wenngleich aus
der Not geborene Karrierepolitik genannt werden: Wenn Sandler bei einem
Streaming-Service anheuert, der sich hinsichtlich seiner Zugriffszahlen
weitgehend bedeckt hält (zugleich aber nach eigenen Angaben Sandlers
jüngere Filme überdurchschnittlich erfolgreich vertreibt), stellt er
sich nicht zuletzt schützend vor seine Kunst.
Eine Kunst, die zumindest von nachfolgenden Generationen hoffentlich als das erkannt wird, was sie ist: großes Kino, im Guten wie im Schlechten, immer mit dem Herz am rechten Fleck.