Golden Globes schlittern in die Krise

18.01.2011 - 10:50 Uhr
Ricky Gervais begrüßt die Gäste bei den Golden Globes 2011
NBC
Ricky Gervais begrüßt die Gäste bei den Golden Globes 2011
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Früher waren die Golden Globes einmal die gerechtere Alternative zum Oscar. Doch abgesehen von wenigen Überraschungen drehte sich die gestrige Verleihung hauptsächlich um die Globes selbst: zum Leidwesen vieler anwesender Stars.

Die Golden Globes waren vielleicht nie die unterhaltsamste Veranstaltung unter den Preisverleihungen, aber im Gegensatz zum Oscar fällte die Hollywood Foreign Press Association (HFPA) wenigstens ein paar mutige Entscheidungen (siehe Brokeback Mountain). Nur redet nach der Verleihung am Montag kaum jemand über die Filme. Die Schuld daran tragen jedoch nicht die Medien. Die HFPA selbst hat sich diese Suppe eingebrockt. Bestechungsskandale beuteln die Golden Globes derzeit, was Ricky Gervais, Gastgeber der Show, als willkommene Munition für seine bissigen Monologe nutzte.

Eigentlich sollten wir heute nur über The Social Network, Annette Bening und Michael Douglas reden. Wie wir berichtet haben, gewann The Social Network gestern schließlich vier Golden Globes, darunter so wichtige wie jene für die beste Regie und den besten Film. Der Facebook-Film bekam damit gewissermaßen den Ritterschlag im Rennen um den Oscar und ist der heißeste Favorit auf das Siegertreppchen am 27. Februar. Annette Bening wiederum bekam überraschend einen Golden Globe als beste Darstellerin im Bereich Musical/Komödie für The Kids Are All Right. Das wäre nun das Stichwort für Diskussionen darüber, ob ein Film über ein lesbisches Pärchen überhaupt Chancen bei den Oscars hat und dass die Academy doch viel konservativer ist als die HFPA und so weiter und so fort. Nach Streitgesprächen über den Favoritenstatus von The Social Network und die Ehrung des eher kleinen Films The Kids Are All Right würden sich aber alle Filmfans über den bewegenden Auftritt von Michael Douglas einig werden. Standing Ovations gab es für den Schauspieler, der erst kürzlich den Krebs besiegt hatte und nun überraschend den Preis für den besten Film übergab. Der Kommentar des von Michael Douglas dazu: “Es muss doch einen einfacheren Weg geben, Standing Ovations zu bekommen.” (Stern)

Doch die großen und diskussionwürdigen Momente des Abends wurden von Beginn an überschattet. Der ehemalige PR-Chef der Golden Globes wirft der HFPA Bestechlichkeit vor, denn deren Mitglieder “missbrauchen ihre Stellung und sind in unethische und möglicherweise gesetzeswidrige Vereinbarungen verwickelt”. (Welt) Gerüchte darüber hat es seit Jahren gegeben. Dass ein Insider nun auspackt, wie die Studios die Journalisten zu Nominierungen mittelmäßiger Filme wie Burlesque und The Tourist “überzeugen”, hat jedoch eine ganz andere Tragweite. Die HFPA schlittert geradewegs in eine handfeste Krise und reißt die Golden Globes, den zweitwichtigsten Filmpreis der Welt, mit sich.

Dass nun ausgerechnet der extrem bissige britische Comedian Ricky Gervais erneut als Host für die Preisverleihung angeheuert wurde, erscheint als Eigentor, ja sogar als Schuldeingeständnis. Ricky Gervais belustigte sich schließlich nicht nur über die Stars, sondern gerade auch über seinen Arbeitgeber: die Hollywood Foreign Press Association. Wer der Briten einmal in Aktion gesehen hat, weiß, wie tief seine komödiantischen Tritte in die Magengrube seiner Opfer treffen können. “Zu Chers Musical eingeladen zu werden, ist doch keine Bestechung!”, hieß es da, “Wer will das denn noch sehen – wir sind doch nicht mehr im Jahr 1975!” (Berliner Zeitung)

Auch Florian Henckel von Donnersmarck bekam sein Fett weg: “Es war ein großes Jahr für 3D-Filme […] Anscheinend war alles dreidimensional – außer den Charakteren in ,The Tourist’. Das ist ein unfairer Witz, denn ich springe auf einen fahrenden Zug und habe den Film noch gar nicht gesehen. Wer hat das schon? Aber er muss gut sein – er ist ja nominiert.” (Welt)

Ricky Gervais zog in gekonnter Manier über Stars wie Robert Downey Jr. her und fungierte gleichzeitig als Sprachrohr des Zorns über die Skandale, welche die gesamte Preisverleihung in Frage stellen. Damit waren die Golden Globes 2011 zwar keine angenehme oder sonderlich überraschende Entertainment Show. Aber vielleicht war es die Verleihung, die die Hollywood Foreign Press Association verdient hat. Alle Cineasten und gespannten Beobachter des Rennens um den Oscar können nur hoffen, dass die HFPA ihre Lehren aus der Veranstaltung zieht, damit wir in Zukunft wieder öfter über die Preisträger reden können.

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