Ich, Scarface & der Traum vom ganz großen Geld

11.03.2014 - 08:50 UhrVor 9 Jahren aktualisiert
Al Pacino als Tony Montana in Scarface
Universal Pictures
Al Pacino als Tony Montana in Scarface
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Scarface brennt sich in das Gedächtnis. Der Aufstieg und Fall des Tony Montana ließ Al Pacino unsterblich werden und hat Millionen von kleinen Jungs verdorben. Mich auch. Aber Scarface bietet mehr als Koks und Gewalt – eine Haltung, ein Lebensgefühl.

Anfang der 1980er Jahre schwappt eine enorme Einwandererwelle von Kuba nach Florida. Mit der Öffnung des Hafens in Mariel bewirkte Fidel Castro, dass schätzungsweise 25.000 Kriminelle auf einen Schlag in den USA ankamen. Der Großteil davon landete direkt in Miami – soweit die historischen, tatsächlichen Fakten. Brian De Palma erzählt in Scarface die Geschichte von zwei Freunden, die Teil genau dieser Migrationswelle waren. Der eine nennt sich Tony Montana (Al Pacino) und hat die titelgebende Narbe im Gesicht, der andere nennt sich Manny Ray (Steven Bauer). Die beiden recht ungleichen Freunde erleben im Verlauf des Films den amerikanischen Traum und das Land der unbegrenzten Möglichkeiten am eigenen Leib. Dabei gehen sie über Leichen und machen die ganz klassische Entwicklung durch: vom Tellerwäscher zum Millionär.

Scarface ist ein Remake des Klassikers Narbengesicht von Howard Hawks. Angeblich reifte in Al Pacino selbst die Idee für das Remake, als er das Original von 1932 im Kino gesehen hatte. Der Siegeszug des Kokains durch die USA – gepaart mit der Einwandererwelle aus Kuba – gab zusätzlich den Anlass, die Handlung des Films zu verändern und nach Miami zu verlagern. Oliver Stone schrieb daraufhin das Drehbuch in Paris, während er bemerkenswerterweise selbst schwere Probleme mit seiner eigenen Kokainsucht hatte. Brian De Palma war dann von dem Skript wohl so begeistert, dass er die Arbeiten an Flashdance niederlegte und schließlich einen der größten Kultfilme aller Zeiten hervorbrachte. Al Pacino ist Tony Montana, seine Darstellung des Narbengesichts ist schlichtweg legendär.

Warum ich Scarface mein Herz schenke
Ich kann mich noch sehr gut daran erinnern, wann und wie ich das erste Mal Scarface gesehen habe. Ich hatte Besuch von zwei Bekannten, die beide älter als ich waren. Als die Beiden rausfanden, dass ich Scarface noch nicht kannte, haben sie mich quasi dazu gezwungen – und ich war überwältigt. Von diesem audiovisuellen Rausch, dieser Berg- und Talfahrt der Emotionen im ganz großen Stil und vor allem dieser Kompromisslosigkeit. Vielleicht habe ich Scarface in zu jungen Jahren gesehen, aber ich war zutiefst beeindruckt von der Figur Tony Montana und dem Bilderreigen Brian De Palmas. Selbst der 80er Jahre-Soundtrack gefiel mir sofort, auch wenn ich mit dieser Art Musik bis zu dem Zeitpunkt nichts anfangen konnte. Vor allem aber avancierte Tony Montana sofort zu meinem Idol. Ich wollte mir auch von niemandem mehr überhaupt auch nur das Geringste sagen lassen! Ich wollte auch ohne Rücksicht auf Verluste meine Ziele verfolgen und haufenweise Kokain schnupfen. Ich wollte auch säckeweise Bargeld zur Bank schleppen, im Pool abhängen, dabei Zigarren rauchen und Frauen beschimpfen sowie gleichzeitig über den Kapitalismus herziehen. Vor allem aber wollte ich auch am laufenden Band coole Sprüche klopfen. Kurz gesagt: Ich wollte eben auch Cojones!

Die Kehrseite der Medaille hat mich dann aber doch von den meisten der oben genannten Aktionen abgehalten. Ich rechne es Scarface nach wie vor sehr hoch an, dass er eben auch die Schattenseiten dieses Lifestyles zeigt. Kaum auszumalen, was sonst alles hätte passieren können oder was aus mir geworden wäre… The Wolf of Wall Street kann man durchaus Verherrlichung von beispielsweise Drogen vorwerfen, bei Scarface wird das schwierig. Ich wollte im Umkehrschluss nämlich auf keinen Fall meinen besten Freund oder gar meine Schwester umbringen. Ich wollte dann doch lieber nicht unbedingt im Kokainrausch meine Ehefrau beschimpfen oder mich derartig in Restaurants daneben benehmen. Ich wollte auch nichts mit diesen kolumbianischen Killertrupps zu tun bekommen und auch nicht am Ende einsam, allein, aber wenigstens total drauf im Kugelhagel sterben. Wobei ich das Haus mit dem Pool im Eingangsbereich schon ganz gern hätte. Warum ich Scarface mein Herz schenke? Weil Tony Montana erstens so kompromisslos ist: “All I have in this world is my balls and my word, and I don’t break them for no one.” Und weil wir zweitens Menschen wie ihn brauchen, damit wir mit dem (“fuckin’”) Finger auf sie zeigen und sagen können: “That’s the bad guy!”

Warum auch andere Scarface lieben werden
Weil er mittlerweile fester Bestandteil der Popkultur geworden ist, weiß ich, dass Scarface bereits Millionen von Menschen lieben. Brian De Palma erschuf ein durch und durch ikonisches Werk mit Al Pacino in der Rolle seines Lebens. Es fällt schwer, sich der schnodderigen, direkten, harten und doch charmanten Art von Tony Montana zu entziehen. Es dauert eine ganze Weile, bis er uns endlich unsympathisch wird. Zu dynamisch, zu motiviert und zu ehrlich wirkt sein Handeln. Tony motiviert zu Anfang hauptsächlich dreierlei: “In diesem Land musst du zuerst Geld machen. Wenn du das Geld dann hast, bekommst du die Macht. Und wenn du die Macht hast, bekommst du die Frauen!” Damit kann sich wohl ein Großteil der männlichen Erdbevölkerung zumindest ansatzweise identifizieren. Nur die Wenigsten ziehen ihr Anliegen dann allerdings so skrupellos durch – was natürlich auch gut so ist. Trotzdem ist es wahrscheinlich genau dieser Aspekt, den viele so an Scarface bewundern. Warum auch andere Scarface lieben werden? Wegen des genialen 80er-Soundtracks, seiner nicht zu unterschätzenden Wirkung und der bildgewaltigen Inszenierung. Vor allem aber wegen der rohen Energie, der Leidenschaft und diesem unbedingten, unbändigen Willen zum Erfolg.

Warum Scarface die Jahrzehnte überdauert
Kaum ein Film wird in der Musik so häufig zitiert wie Scarface, fast kein Gangsta-Rap-Album kommt ohne obligatorisches Scarface-Zitat aus. Dafür eignen sie sich aber auch einfach zu gut. Schon allein durch sein tausendfaches Echo in unserer Popkultur hat der Film die Unsterblichkeit erlangt. Viele Menschen behaupten sogar, Brian De Palma wäre hier auf dem Höhepunkt seines Schaffens gewesen. Mich fasziniert neben dem bildgewaltigen Epos an sich (übrigens beziehe ich mich hier immer und ausschließlich auf die ungeschnittene Fassung) vor allem auch dessen gesellschaftlicher Einfluss. Fast alle meine Freunde besitzen ein Scarface-Poster, Scarface-T-Shirt oder Vergleichbares. Jeder kennt irgendein Zitat, sogar komplette Redewendungen und Begrifflichkeiten wurden durch diesen Film geprägt. In Computerspielen gibt es ganze Levels, die der Villa von Tony Montana nachempfunden sind. Warum Scarface also die Jahrzente überdauert? Weil die Story um Gier, Macht, Verrat, Größenwahn, Drogensucht, Liebe und Loyalität niemals ihre Aktualität verlieren wird. Scarface, “the world is yours”.

Was haltet ihr von Scarface?

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