Romy Schneider ist kein Mythos, sagen die Macher des Romy-Films

11.11.2009 - 08:50 Uhr
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Der Regisseur des ambitionierten Fernsehfilms Romy berichtet gemeinsam mit dem Fernsehchef über die Schwierigkeiten, den Biopic mit Jessica Schwarz in der Hauptrolle umzusetzen.

Romy Schneider in einem Film zu porträtieren stellt eine Herausforderung dar. Nun kommt mit Romy der erste Spielfilm über die Darstellerin ins Fernsehen. Im Interview erklären der Regisseur Torsten C. Fischer und SWR-Fernsehchef Carl Bergengruen, wie die Idee zum Biopic geboren wurde und was ihnen bei der Umsetzung wichtig war.

Herr Bergengruen, warum haben Sie sich auf das Abenteuer eingelassen, das Leben von Romy Schneider zu verfilmen?

Weil mich Romy Schneider schon immer fasziniert hat. Nicht nur die Schauspielerin aus Die Dinge des Lebens und Das Verhör, sondern auch der Mensch. Wie konnte eine so zerbrechliche Frau diese ungeheure Kraft und Lebensfreude ausstrahlen?

Aber ein Risiko ist ein solcher Film schon?

Das will ich gar nicht leugnen. Deshalb hat sich ja in den 27 Jahren seit Romy Schneiders Tod auch kein Sender bzw. Produzent daran getraut. Und ich muss sagen: Ich habe noch nie so viel Zeit und Recherche in ein Filmprojekt investiert, monatelang, ob in Paris oder in Deutschland, nur um mit dem Produzenten die ganzen Rahmenbedingungen – Persönlichkeitsrechte, Nachlass, Zeitzeugen etc. – zu klären.

War die Drehbuchentwicklung dann leichter?

Eigentlich auch nicht. Wir sind durch zehn Buchfassungen gegangen, ein ganzes Jahr lang, haben gemeinsam mit dem Autor Benedikt Röskau und in der letzten Phase auch mit dem Regisseur Torsten C. Fischer darum gerungen, Romy Schneider wirklich gerecht zu werden – in nur 105 Minuten. Wir wollten ganz nah an den Menschen Romy Schneider herankommen, den Menschen hinter dem Mythos.

Wie sind Sie auf Torsten C. Fischer als Regisseur gekommen?

Torsten Fischer hat für den SWR den Film Der Anwalt und sein Gast gedreht, mit dem er damals den deutschen Fernsehpreis gewann. Wir wollten danach gemeinsam Effi Briest realisieren, ein Traum von Torsten und mir, aber Hermine Huntgeburth war schneller – das ist in der Branche manchmal so. Dafür konnten wir Torsten jetzt Romy anbieten, ein Projekt von ähnlicher Tragweite, wieder eine große, tragische Frauenfigur. Torsten ist dafür genau der Richtige. Sein Filmversetzt uns mit sehr sinnlichen und sorgfältig ausgestatteten Bildern in die Zeit und die Figur. Zugleich hat er viel an Originalmotiven gedreht, hat sich an tatsächliche Begebenheiten gehalten, Interviews, Proben und Drehszenen mit Romy Schneider verarbeitet, so dass der Eindruck großer Authentizität entsteht. Dabei behandelt er seine Hauptfigur immer mit großem Respekt, ohne sie zu verklären.

Herr Fischer, was hat Sie persönlich an Romy Schneider interessiert? Ist sie für Sie ein Mythos?

Romy Schneider war für mich kein Mythos: Ich kannte sie gar nicht. Ich begegnete ihr zum ersten Mal, als ich als Jugendlicher gezielt französische Filme im Nachtprogramm des deutschen Fernsehens sah und auf eine Schauspielerin aufmerksam wurde, deren strahlendes Lachen mich sofort fesselte, weil es eine unbändige Lebensgier und Lebenslust ausstrahlte. Und ich erinnere mich an meine Überraschung, als ich erfuhr: Madame Schneider, das ist ja eine Deutsche. Denn ich hatte die Sissi-Filme nie gesehen, mich nie dafür interessiert, bis ich es jetzt durch die Arbeit an dem Film musste. Ich bin dieser Schauspielerin dadurch glücklicherweise sehr frei begegnet, unbelastet – wohl so, wie sie es sich selber lange gewünscht hat: nur Schauspielerin zu sein, ohne das Anhängsel der Sissi, das sie so gehasst hat.

Wenn man französische Filme liebt, sich für Melodramen interessiert, kommt man an Romy Schneider nicht vorbei. Das gilt besonders für den von mir bewunderten Regisseur Claude Sautet, der mit ihr seine schönsten Filme gedreht hat. Zufälligerweise teilt meine Mutter den Geburtsjahrgang mit Romy Schneider. Diese Generation hat sich an dem Leben von Romy Schneider abgearbeitet, ihre Karriere wie ihre verschiedenen Lebensentwürfe begleitet und sich mit ihr verglichen – allein darüber war sie mir sehr präsent. Filmemachen ist ja im schönsten Falle auch eine Zeitreise. Dieser Reise wollte ich mich einmal aussetzen. Die privaten wie beruflichen Lebenserinnerungen sind so eng mit ihr verknüpft, dass ich dem nachspüren wollte.

Nach welchen Maximen bewegt man sich zwischen all den Erwartungen?

Es ist doch klar, dass ein einzelner Film dem Leben von Romy Schneider nicht gerecht werden kann. Interessant war für mich, wie man die Gesetze und Normen eines solch geplanten Biopics öffnen könnte; wie man der Versuchung widerstehen kann, sich gleich in ein großspuriges, historisierendes Panoramagemälde zu verirren, alles auf immer festschreiben zu wollen, quasi in fetten Ölfarben. Ich habe immer die Skizze gesucht, eine Annäherung, es war mir wichtig Romy Schneider nicht auszudeuten, zu fixieren. „Ihr entziffert mich nicht“ , diesen Ausruf und – wenn man so will – diese Bitte wollte ich für unser Projekt stets als Grundregel bewahren.

Was war Ihre Devise für die Transformation der historischen Romy, vor allem der abgebildeten in Ihren Film?

In der Vorbereitung zu„Romy“ bin ich auf einen Begriff gestoßen, der mir sehr geholfen hat: Honka Dori. So wird in Japan die Tradition genannt, Werke berühmter Vorgänger nicht nur detailgetreu nachzuahmen, sondern sich in sie hineinzuversetzen. Übersetzt heißt der Begriff: Das Nachempfinden einer Melodie. Das wurde eine Art Schlüsselbegriff für meine Arbeit, kein bloßes Imitat von „VorBildern“ zuliefern, sondern sich in die Lebensmelodie eines Menschen hineinzubegeben. Deshalb traf ich sehr früh mit Jessica Schwarz die Entscheidung, Romy Schneider keinesfalls nachzuspielen, ihre Bewegungen, Sprache nicht zu imitieren, sondern die Aufgabe vielmehr darin zu sehen, sie emotional zu verorten, sich ihrer Konflikte und Sehnsüchte bewusst zu werden, sie darin zu gestalten und zu spiegeln. Jessica sollte ein Angebot, einen Raum schaffen, in dem Romy Schneider zu entdecken ist.

Das halte ich für die größere Aufgabe als ein imitierendes Spiel zu versuchen. Wir haben uns beispielsweise verboten, Filmszenen, die Romy Schneider gespielt hat, exakt nachzustellen. Die Anklänge geschehen stets spielerisch. Bei Christine haben wir nicht die damaligen Kameraperspektiven nachgestellt, sondern spielen mit verschiedenen „Team-Perspektiven“, vor denen sich die Annäherung zwischen Romy Schneider und Delon vollzieht. Wenn wir uns direkter an Bildcadragen orientiert haben, wie bei Der Swimmingpool, offenbart sich das Material überraschend als Probensituation. Mehr direkte Berührungspunkte gibt es tatsächlich in den Super-8-Sequenzen, die familiäre Situationen zeigen. Hier haben wir häufig sehr genau nach Bildvorlagen gearbeitet. Je privater und intimer die Situationen wurden, um so mehr wollten wir für uns so etwas wie „Wahrhaftigkeit“ über dokumentarisches Material verspüren. Wir wollten mit privaten Lebensmomenten so wenig wie möglich spekulieren.

Was hat Sie und den Kameramann Holly Fink zu den verschiedenen Bildebenen bewogen?

Ich habe vor einigen Jahren in meinem Fernsehspiel „Katzenzungen“ zum ersten Mal Super-8-Material eingesetzt, damals hauptsächlich für Erinnerungssequenzen der Schauspielerinnen. Hier dient es vor allem der „Skizzenhaftigkeit“ , über die ich bereits sprach. Spielerisch sein zu können, anarchisch mit der Aufgabe umzugehen, eine historische Zeit herstellen zu müssen. Super 8 erlaubt natürlich schnelles, improvisiertes Drehen. Und wir spürten, dass wir uns wie auch die Schauspieler stets selbst überraschen mussten, um „lebendig“ zu bleiben. Wir haben mehrfach den Schauspielern gar nicht mitgeteilt, dass wir drehen, das heißt: Wir haben sie gedreht, wenn sie in Probensituationen waren, haben sie privat gefilmt in ihren Pausen, haben sie in Räume kommen lassen, ohne dass sie auf irgend etwas vorbereitet waren – wie bei der Verlobungsszene mit Harry Meyen in Cap Ferrat.

Ich erinnere mich auch, wie ich kurz vor Drehbeginn mit Holly Fink entschieden habe, das aufwendigste Motiv, das wir überhaupt hatten, „nur“ auf Super 8 zu drehen. Es handelt sich um eine Brückenszene in Paris. Oft erstarren die Filme unter der Belastung, alles historisch genau darstellen zu müssen, auch alles zeigen zu wollen, die Ausstattung vorzuführen – alles „Lebendige“ verschwindet. Das aber wäre für uns das Schlimmste gewesen,was uns bei einem Film über Romy Schneider hätte passieren dürfen: den Verlust von Lebendigkeit. Wir haben deshalb mit quasi allen möglichen Bildträgern gearbeitet: Super 8, 35 Millimeter, Schwarz-Weiss-wie Umkehr-Material und haben sogar ganze Szenen, wie die César-Verleihung in Paris, nur mit älteren Videokameras gedreht. Jessica hat irgendwann, glaube ich, aufgegeben sich zu fragen, welche Kameras da nun immer liefen.

Wie haben Sie Jessica Schwarz beim Finden „ihrer“ Romy unterstützt?

Entscheidend war, sich mit ihr darüber zu verabreden, nichts „nachspielen“ zu wollen – und eine gemeinsame Vorstellung und Interpretation über Romy Schneider zu gewinnen.Natürlich habenwir endlos Bilder und Filme studiert, uns ihre Gesten auch noch während der Dreharbeiten immer wieder genau angesehen, überlegt, wann und wodurch wir eine Affinität in welchen Momenten erzielen wollen. Mich selber langweilen rein äußerliche Verwandlungsversuche nicht nur, sie stören mich persönlich auch, wenn ein Mensch wie Romy Schneider doch physiognomisch so präsent ist durch all die Veröffentlichungen. Wir haben bewusst auf eine Darstellung der Sissi durch Jessica verzichtet. Mich hat auch im Vorfeld zu all den ankündigten Romy-Schneider-Verfilmungen dieses Fragen in der Presse: „Wer sieht Romy Schneider nun am ähnlichsten?“ maßlos gelangweilt. Als wenn es genügen würde, ein Abziehbild zu erstellen. Ich kannte Jessica ja schon von unserer ersten Arbeit Der Liebeswunsch her und war mir sicher, dass sie in der Lage sein würde, den Menschen Romy Schneider aufzuspüren und verstehen zu lernen, ihmmit Respekt nahe zu kommen – in seinen Sehnsüchten, Brüchen, in den erfolgreichen, freudigen wie zerstörerischen Lebensphasen. Ich habe eine Schauspielerin gebraucht, die etwas von diesen Lebenskämpfen versteht und bereit ist, sich diesem anderen Leben einige Monate schonungslos auszusetzen. Es ist ein ungeheurer, oft auch schmerzhafter Kraftakt, den Jessica da in meiner Sicht grandios leistet.

Herr Bergengruen, was war Ihnen bei dem Film besonders wichtig?

Mir ging es um ein persönliches, sehr menschliches Porträt von Romy Schneider. In unseren vielen Drehbuchgesprächen habe ich mich immer dafür eingesetzt, dass der Film bis in die Kindheit zurückgeht und sich die Zeit nimmt, Romy Schneiders Sehnsucht nach Liebe und Anerkennung zu erzählen. Und dann ihre Verletzungen, die später zu ihren Lebens- und Beziehungsproblemen führten. Diese Verletzungen haben ihr einzelne Menschen, aber später auch das Land beigebracht, das sie einst mit 17 als Sissi zum Superstar machte. Romy Schneider hat es nie verwunden, dass Deutschland sich empört von ihr abwandte, als sie nicht mehr Sissi sein wollte, weder auf der Leinwand noch für die Presse.

Ein so großes Filmprojekt stemmt man nicht allein. Wer war hinter den Kulissen beteiligt?

Da braucht es einen starken Produzenten wie Markus Brunnemann und viele gute Partner. Wir sind den Partnern an unserer Seite, dem WDR, dem NDR, der ARD Degeto und dem ORF sehr dankbar für die große inhaltliche und finanzielle Unterstützung, auf die wir uns immer verlassen konnten und die diesen Film erst möglich gemacht hat.

Mit Material des ARD

Das Erste zeigt Romy heute, am 11.11.2009 um 20.15 Uhr. In unserem Fernsehprogramm findet ihr mehr Informationen zu aktuellen Fernsehfilmen!

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