Wie Baymax einen Marvel-Muffel munter machte

21.01.2015 - 09:10 UhrVor 9 Jahren aktualisiert
BaymaxWalt Disney
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Am Donnerstag startet Baymax - Riesiges Robowabohu in den deutschen Kinos. Warum das bunte Disney-Spektakel der erste auf einer Marvel-Vorlage basierende Film seit langer Zeit ist, der einen Marvel-Muffel begeisterte, erfahrt ihr hier.

Marvel ist angesagt, Marvel ist hip, Marvel ist cool. Und Marvel produziert einen nicht unwesentlichen Haufen extrem belangloser und unorigineller Filme. Dass es sich bei dieser Meinung nicht um meine eigene handelt, dürfte klar sein, denn Marvel-Filme sind hip und cool. Nein, dies ist ein Bericht über einen guten Freund von mir, nennen wir ihn Schmilminspektor. Besagter Schmilminspektor mag so ziemlich jedes erdenkliche Filmgenre, nur mit einem steht der gute Mann seit einigen Jahren auf dem Kriegsfuß. Richtig, ihr werdet es schon erraten haben: Dem Genre des Superheldenfilms, oder allgemeiner, der Comicverfilmung.

Waren die bunten Kostümträger zu Zeiten von Sam Raimis Spider-Man-Reihe noch halbwegs frisch unterwegs, befindet sich das Genre nach Meinung des Schmilminspektors inzwischen in einer Phase, in der unerträglich viele formelhafte Blockbuster ausgekotzt werden, die Originalität und Herzblut vermissen lassen. Und auch ein Guardians of the Galaxy, obgleich unterhaltsam, stellt in den Augen meines kritischen Freundes nur einen leichten Hügel im verdammt tiefen Tal des Superheldengebirges dar, während Filme wie The Dark Knight und Watchmen der Zugspitze gleichen. Aber genug schlechte Gebirgsanalogien...

Reden wir lieber über ein Genre, das auch nach etlichen Jahren noch floriert und sich, ganz im Gegenteil, mit dem Fortschritt der Technik stetig verbessert hat. Ich spreche natürlich vom Kosmos des Disney-Animationsfilms. Und dieser Kosmos schafft es immer wieder aufs Neue, den sonst so CGI-kritischen Schmilminspektor hinter seinem Retro-Ofen hervorzulocken und in fantastische, liebevoll gestaltete Welten zu entführen. Was passiert also, wenn sich die Walt Disney Animation Studios eine Marvelvorlage zur Brust nehmen und ihr den eigenen farbenfrohen Stempel aufdrücken? Ganz einfach, ein Riesiges Robowabohu (so der einigermaßen bescheuerte deutsche Titelzusatz von Baymax).

Baymax hat etwas, was der Schmilminspektor bei einem Großteil der Comicverfilmungen heute schmerzlich vermisst - ein echtes Herz. Der Film wird von wundervoll animierten und gesprochenen Figuren getragen, die zwar zu großen Teilen für das schnelle Verständnis des kindlichen Publikums klischeehaft anmuten, in der Welt von Baymax aber kein großes Manko darstellen, da die Charaktere im Handumdrehen in eine äußerst ergreifende Geschichte verwickelt werden, die meinem Freund schon in der Anfangsphase des Abenteuers einen ordentlichen Kloß von der Größe eines Miniatur-Baymax in den Hals getrieben hat. Und diesen abgebrühten Kerl innerhalb von 20 Minuten emotional so mitzureißen (sowohl in tragischer als auch in komödiantischer Hinsicht) ist eine Leistung, die so manche ernsthafte Comicverfilmung mit dem Tod wichtiger Figuren nicht geschafft hat. Und ja, tatsächlich gehört Baymax auch zu den lustigsten Animationsfilmen der letzten Jahre.

Und dann ist da diese Stadt, oh diese wunderschöne Stadt. San Fransokyo heißt dieses architektonische Wunderwerk, dieser Hybrid asiatischer und amerikanischer Kultur, diese grelle, bei Nacht in wunderschönen Neonlichtern leuchtende Fantasiewelt, die das Bild förmlich mit tausend Farben entzündet. Es wäre interessant, zu sehen, wie Marvel diese Mischung aus San Francisco und Tokyo in einer Realverfilmung umgesetzt hätte, doch vermutlich ist der knallbunt gepflasterte Animationsweg in diesem Fall schlicht die bessere Wahl. Die Stadt und die Kultur der Menschen in Baymax werden zu einem für sich genommen schon interessanten Charakter, der dem Film seine Seele gibt. Eine Welt, die, und das ist der Knackpunkt, auch nach dem Abspann potentiell noch jede Menge Stoff für weitere Fortsetzungen und Spin-Offs bereithält. Es gibt kaum eine bessere Prämisse, die mehr Rechtfertigung für den Start eines neuen Franchises gibt - und so einen Freifahrtschein mag besagter Freund in der heutigen Zeit des Recyclens und Wiederkauens alter Marken nun wirklich nicht leichtfertig ausstellen. Doch diese Welt schreit förmlich nach der Gelegenheit, ihre packenden Geschichten in weiteren Filmen auf unsere Leinwände zu zaubern.

Eines der Hauptärgernisse, die der Schmilminspektor mir gegenüber immer wieder äußert, ist die Sache mit den Antagonisten. Es ärgert ihn einfach, dass ein Film wie Guardians of the Galaxy vielerorts auf ein Star Wars-Podest gehoben wird, während der blauhäutige Freak von Antagonist den ganzen Film über fast nichts anderes zu tun hat, als mit seinem affigen Thron durchs Weltall zu tuckern und bedrohlich dreinschauend die Weltherrschaft zu planen. Und tatsächlich wird auch der Antagonist in Baymax keinen Originalitätspreis gewinnen, soviel steht fest. Aus irgendeinem Grund scheint man sich seit den Tagen von Hannibal Lecter, Darth Vader und Co. meist keine große Mühe in der Erschaffung starker Antagonisten mehr zu geben. Baymax hat allerdings den Vorteil, dass er dafür auf der Seite der Guten ungleich mehr zu bieten hat, sowohl in Komik als auch in Dramatik. Mit dem frühen Dahinscheiden einer für die Handlung und auch für Hauptfigur Hiro sehr wichtigen Person schlägt der Film einen ungewohnt düsteren Ton an, der allerdings durch Hiros Umfeld, insbesondere den Roboter Baymax, aufgefangen und durch herzensgute Komik kompensiert wird. Mit Themen wie Freundschaft, Vergangenheitsbewältigung und erfinderischer Kreativität entlässt der Film uns Zuschauer am Ende mit echten Lebenslektionen und nicht nur mit dem Wissen, dass die 70er Jahre sehr gute Musik hervorgebracht haben.

Der Aufkauf der Marvel Studios durch Disney, dem viele Fans mit Besorgnis begegneten, könnte sich letztlich als Segen für das Genre der Comicverfilmungen erweisen. Denn eine ordentliche Portion von dem Herzblut und der kindlichen Leichtfüßigkeit eines Baymax könnte auch den Wintersoldaten dieser Welt ganz gut tun - ohne dabei ihren düsteren Ton abzulegen oder ihre Zielgruppe aus den Augen lassen zu müssen. Wenn das eintrifft, würde vielleicht auch ich - pardon - der Schmilminspektor des Öfteren wieder eine Kinokarte für Hulk und Co. lösen. Mit einer ordentlichen Prise des guten alten Disneyzaubers könnten jedenfalls auch die kreativen Köpfe von Marvel ganze Berge versetzen. Es muss ja nicht gleich ein Mount Everest sein...

Achtung: Kein Guardians of the Galaxy-Exemplar wurde während der Anfertigung dieses Textes beschädigt. Der Film ist ausdrücklich einer der besseren seiner Art und prinzipiell ein Schritt in die richtige Richtung.

Freut ihr euch auf Baymax?

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