Wie der Oscar vom Geköderten zum Köder wird

17.02.2015 - 09:30 UhrVor 9 Jahren aktualisiert
12 Years a SlaveUniversal Pictures Home Entertainment
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Wenn um den Jahreswechsel herum ein toller Film nach dem anderen in die Kinos kommt, dann wissen wir: Es ist Oscarsaison! Das Marketingkalkül im Umgang mit der begehrten Goldstatue hat dabei längst einen viel zu hohen Stellenwert eingenommen.

Wir alle kennen sie, diese Oscar Bait-Filme, oder zu Deutsch: Oscarköder. Das sind Filme, die den Anschein erwecken, sie seien einzig und allein für dieses spezielle Event maßgeschneidert worden, auf dem zu Beginn eines jeden Jahres der größte Filmpreis der Welt vergeben wird. Filme, die mit Vorliebe auf wahren Begebenheiten beruhen, Dramen, die uns in epischer Länge von tragischen, real existierenden Persönlichkeiten erzählen, die wahlweise unter dem Holocaust oder der Sklaverei in den Vereinigten Staaten gelitten haben, geniale Wissenschaftler waren oder mit sonstigen geschichtsträchtigen Ereignissen in Verbindung stehen... Wenn dann noch Krankheit, Behinderung oder Homosexualität ins Spiel kommen, ist das Tragik-Sujet perfekt und auch das allerletzte Academy-Mitglied läuft mit andächtigem Nicken zur sinnbildlichen Wahlurne und gibt seine Stimme für eben jenen prestigeträchtigen Film ab. Die Oscarstatue wird mit einer Extraportion Demut auf dem Altar der Schuld oder Anerkennung drapiert und der Amerikaner hat alles in seiner Macht Stehende getan, um seinen Beitrag zum Seelenfrieden bei der kommenden Oscarverleihung beizusteuern - Respekt und Sühne im 24-karätigen Goldgewand.

Dass bei solchen politisch geprägten Entscheidungen gerne massenhaft Filme unter den Tisch fallen, die eine Ehrung als bester Film nach allgemeinem Konsens viel eher verdient hätten als das eben aufgrund seiner Thematik ausgezeichnete Werk, ist keine Seltenheit. Erst im vergangenen Jahr wurde das Sklavendrama 12 Years a Slave zum besten Film des Jahres gewählt und andere, die die Auszeichnung nach allgemeiner Ansicht viel eher verdient hätten, zogen den Kürzeren - Stichwort: Gravity. Wie Gastgeberin Ellen DeGeneres zu Beginn der Show scherzhaft anmerkte: "Möglichkeit Nummer 1: 12 Years a Slave gewinnt 'Bester Film'. Möglichkeit Nummer 2: Ihr seid alle Rassisten." Wenn Hollywood über seine eigenen Unzulänglichkeiten witzelt...

Der Oscargewinn als persönliche Bestätigung

Dies führt uns schnell zu einer typischen Grundsatzdiskussion über den Stellenwert einer Oscarauszeichnung. Ist es nicht schnurzpiepegal, wie viele Oscars ein sehr guter Film bekommt? Um schlechte Filme handelt es sich ja bei den wenigsten Nominierten, egal, ob sie sich nun gewichtigen Themen widmen oder nicht. Sicher, wenn uns ein Film gefällt, wollen wir ihn am Ende auch am liebsten dutzendfach ausgezeichnet sehen. Aber macht uns das den Film in irgendeiner Form schlechter, wenn er nicht den Oscar für den besten Film bekommen hat? Wird Whiplash an Qualität verlieren, nur weil er vermutlich nicht als bester Film des Jahres ausgezeichnet werden wird? Natürlich nicht. Deswegen möchte ich an dieser Stelle zu einem anderen, wichtigen Aspekt kommen.

Der Prozess des Oscarbaitings findet nämlich häufig an mehreren Fronten statt und stellt für einen Film im Idealfall eine Gewinnsituation sowohl auf künstlerischer als auch auf kommerzieller Ebene dar. Erfüllt ein Film nämlich die genannten Voraussetzungen und wird tatsächlich mit etlichen Oscarnominierungen in den verschiedensten Kategorien bedacht, wirft der pfiffige Angler namens Filmstudio seinen zweiten Köder ins Wasser. Dieser besteht nun neben dem bewährten Pathos-Sujet auch noch aus einer hübschen Reihe goldener Oscarstatuen. Und auf wen hat es der Angler dieses Mal abgesehen? Ganz richtig: auf uns, die Zuschauer.

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