Steckbrief eines Unerwünschten
Deutschland (1975) | Dokumentarfilm | 100 MinutenSteckbrief eines Unerwünschten ist ein Dokumentarfilm aus dem Jahr 1975 von Joachim Kunert mit Helga Göring und Dietrich Körner.
Komplette Handlung und Informationen zu Steckbrief eines Unerwünschten
Bereits Mitte der 1970er Jahre war Günter Wallraff einer breiten Öffentlichkeit als Undercover-Journalist bekannt. Er war dutzendfach in fremde Identitäten geschlüpft, um Missstände in Betrieben und Behörden, menschenunwürdige Arbeitsbedingungen oder fragwürdige Geisteshaltungen (z.B. nationalsozialistisches Gedankengut) bei Industrievorständen und Politikern zu enthüllen. Mehrere Bücher waren so entstanden. Aber Versuche, auch öffentlich-rechtliche Fernsehredaktionen für seine Undercover-Aktionen zu interessieren, blieben zunächst erfolglos. Zu groß war die Furcht in den Redaktionsstuben und Chefetagen, in juristisch riskante Fahrwasser zu geraten. So griff Wallraff zu, als ihm das DDR-Fernsehen anbot, einen Film über ihn und seine investigativen Methoden zu drehen. Vermittelt hatte den Kontakt ein befreundeter Defa-Regisseur. Wallraff war auch in der DDR damals kein Unbekannter - einige seiner Enthüllungsgeschichten waren dort bis zur Ausbürgerung seines Freundes Wolf Biermann erschienen. Drei davon sollte der Defa-Regisseur Hans-Joachim Kunert 1975 verfilmen: "Fürstmönch Emmeram und sein Knecht W.", "Der Melitta-Report" und "Mahlzeit, Herr Direktor" über Wallraffs Einsatz als Pförtner beim Kölner Versicherungskonzern Gerling. Die Episoden entstanden als Kurzspielfilme - dazwischen eingestreut Interview-Passagen mit Wallraff, in denen er erklärte, unter welchen Bedingungen seine Reportagen zustande kamen. Wallraff bekennt sich auch heute noch zur Zusammenarbeit mit der Defa und dem Fernsehen der DDR. Ihm gefällt der eulenspiegelhaft-humoristische Zuschnitt der Inszenierungen. Dem heutigen Betrachter fällt aber auch die holzschnittartig-klassenkämpferische Attitüde auf, mit der Wallraffs Reportagen für das DDR Fernsehen umgesetzt wurde. Wallraff selbst sah sich nach der Wende mit dem Vorwurf konfrontiert, er sei als IM in den Jahren 1968 bis 1971von der Stasi "abgeschöpft" worden. Wallraff hat den Vorwurf aktiver Zusammenarbeit mit der Stasi immer bestritten und die Wahrheitswidrigkeit der Behauptung, er sei IM gewesen, letztinstanzlich bei Gericht durchgesetzt.