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American Beauty: Die Tüten-Szene

14.10.2014 - 12:00 UhrVor 10 Jahren aktualisiert
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Meine Lieblingsszene:

Zugegeben, der Titel klingt putzig. Aber diese Szene begleitet mich, seit ich vor vielen Jahren diesen Film sah. "American Beauty" ist etwas verstörend für ein junges Mädchen, sicherlich aber sehenswert für jeden ab 16 Jahren. Die Szene, um die es geht, kann man auch ohne Zusammenhang sehen: Eine junge Frau betritt zum ersten Mal das Zimmer eines jungen Mannes. Die beiden beobachteten sich schon längere Zeit von Weitem - er sie sogar heimlich mit seiner Heimkamera -, nun gehen sie einen Schritt aufeinander zu. Und dann fragt er sie, ob er ihr mal das Schönste zeigen soll, was er je gefilmt habe. Nach einem harten Schnitt sitzen sie vor einem Fernseher, das darin laufende Video zeigt eine vom Wind wiegende Plastiktüte, die mit Blättern im Hinterhof tanzt. Vorsichtige Musik von Thomas Newman erklingt: "Dead Already", sphärische Klänge und ein Klavier. Und dann spricht der Protagonist:

"Das war einer von jenen Tagen, an denen es jeden Moment schneien kann und Elektrizität in der Luft liegt. Man kann sie fast knistern hören, stimmt's? Und diese Tüte hat einfach mit mir getanzt. Wie ein kleines Kind, das darum bettelt, mit mir zu spielen. 15 Minuten lang. An dem Tag ist mir klar geworden, dass hinter allen Dingen Leben steckt. Und diese unglaublich gütige Kraft, die mich wissen lassen wollte, dass es keinen Grund gibt, Angst zu haben. Nie wieder! Ein Video ist ein armseliger Ersatz, ich weiß. Aber es hilft mir, mich zu erinnern. Und ich muss mich erinnern. Es gibt manchmal so viel Schönheit auf der Welt, dass ich sie fast nicht ertragen kann. Und mein Herz droht dann daran zu zerbrechen."

Diese Schönheit der Welt ergreift mich bisweilen, wenn ich mit Muße durch unsere Welt wandere. Die Form eines Baumes, die Farbgebung einer Blüte, eine Schneeflocke und wie sich die Sonne darin bricht, aber auch wie unglaublich ganze Ökosysteme oder auch nur kleine Wälder sich gebildet haben, wie alles Leben und Nichtleben darin miteinander im Einklang zu leben und nichtleben scheint, als hätte diese Szene ein Gott gemalt, an den ich in solchen Momenten beinahe glauben möchte. Aber ich erkenne Schönheit auch in wohlartikulierten Worten eines Textes, handwerkliche geschaffenen Nutz- und Kunstgegenständen und in Momenten mit geliebten Menschen, die sich zulächeln, als wäre Zuneigung etwas Ewiges. In solchen Momenten möchte ich die Pausetaste drücken und aufnehmen, das Glück aufsaugen, konservieren, obwohl ich weiß, dass Konserven niemals schön sind.

In der Szene spricht der Protagonist von naturgewaltiger Schönheit und doch von einer Plastiktüte. Ein vermeintlicher Widerspruch. In mir ruft diese Kombination so vieles wach. Bilder von vermüllten Ufern, Regenbögen über Wasserfällen, zubetonierte Städte, ein durchbrechender Keimling, gerodete Wälder, ein Eichhorn auf dem Fußweg, dunkler Rauch aus Schornsteinen, Seifenblasen mit bunten Reflexen. Wie der Protagonist stehe ich manchmal da und staune über den Anblick dieser vielfältigen Unfassbarkeit. Augenblicke der Macht der Natur und der Wunsch, diese Welt zu genießen, solange ich auf ihr weile. Und sie zumindest nicht schlimmer zu hinterlassen, als ich sie vorfand.



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