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9/11 in Film und Fernsehen - ein kurzer Text über plakative Gefühlsduselei

11.09.2016 - 14:59 UhrVor 8 Jahren aktualisiert
Chris Kyle und Frau beim Mitverfolgen der Ereignisse vom 11. September.
Warner Bros.
Chris Kyle und Frau beim Mitverfolgen der Ereignisse vom 11. September.
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Was mich seit Jahren an der medialen Aufbereitung des Themas stört...

Wie sind uns alle einig, dass es eine furchtbare Sache war, als am 11. September 2001 zwei Flugzeuge in die Türme des World Trade Center gesteuert wurden und Pi mal Daumen 3000 Leuten den Tod gebracht haben. Gerade in der heutigen Zeit wird lieber einmal zu viel als zu wenig Sensibilität dieses Themas gegenüber aufgebracht. Nichtsdestotrotz muss ich loswerden: liebe Filmschaffende, drückt nicht so oft auf die Tränendrüse!

In American Sniper wird gezeigt, wie der ohnehin zu stark positiv gezeichnete Scharfschütze Chris Kyle zusammen mit seiner in Tränen ausbrechenden Frau fassungslos vor dem Fernseher steht, in Zeiten ändern Dich blickt Bushido in ähnlicher Manier mit seiner Familie auf das TV-Gerät. Beide Szenen haben keine deutliche Relevanz für die filmische Handlung oder die (filmische!) Charakterbildung, und erscheinen als scheinbar tiefgründige Lückenfüller, da die Filmemacher offenbar annehmen, dass man beim Anblick des World Trade Centers automatisch in Tränen ausbricht und/oder eine Schweigeminute einlegt. Mittlerweile geht mir diese plakative Art der Sentimentalität aber wirklich auf die Nerven und bringen mich dazu, anstatt traurig zu werden lieber zu überlegen, mit welchem politisch inkorrekten Witz ich die Szene in einer Review zerreißen kann.

Okay, ich räume ein, ich kann sehen, inwiefern dieser Anschlag die Gemüter von Kyle und Bushido geprägt hat. Der Scharfschütze hat hierbei gesehen, warum er diesen Job ausübt und quasi dem Teufel ins Auge geblickt. Der Rapper ist Moslem und sah seine Religion gesellschaftlich gefährdet (höre hierzu auch seinen Song Stupid White Man ). Beides vermitteln die Filme nicht; die Szenen sind, so schnell sie zu sehen waren, auch wieder weg. Und es sind auch nicht die einzigen Streifen mit dem Problem. Obwohl ich Fan von Pathos bin, finde ich es nicht richtig, wenn zum Zwecke der Sympathiegewinnung, Emotionalität und Stimmung die Tode so vieler Personen zweckentfremdet werden. Eine Filmfigur wird nicht vielschichtiger, wenn sie völlig betroffen vor dem Fernseher steht. Gut, bei diesen Ereignissen war ich gerade einmal 5 Jahre alt und stolzer Überking des Kindergartens, den Impakt kann ich somit lediglich retrospektiv nachvollziehen. Es muss wohl ein herber Schlag gewesen sein, zweifelsohne. Aber dass dieses eine Ereignis plötzlich zum ultimativen emotionalen Schlag in die Fresse auserkoren wurde und in der Kategorie "Schlimmstes Ereignis der Weltgeschichte" mit dem Holocaust gleichgesetzt wird, halte ich in Sachen Medien für unrealistisch. Nachwievor: es ist furchtbar, was damals passiert ist. Aber dass auch in den 2010er Jahren Filme immer noch auf diese Thematik zurückgreifen, sobald das Jahr 2001 zu sehen ist, beginnt einfach nur mehr zu nerven. Weil es den umgekehrten Effekt hat: da es in Filmen wie "American Sniper" so oberflächlich hineingedonnert wird, um unsere Tränendrüsen zu stimulieren, beginne auch ich, der keinen persönlichen Bezug zu den Geschehnissen hat, diese zu trivialisieren. Je öfter ein filmisches Werk von mir verlangt, schwermütig zu werden, desto zynischer werde ich. Dann beginne ich, mit blöden Witzen zu kontern, feiere Szenen in Family Guy oder JuliensBlog ab, die sich darüber lustig machen oder spiele jedes Jahr aufs Neue mit dem Gedanken, mir aus Protest Die unglaubliche Reise in einem verrückten Flugzeug anzusehen und es der Welt mitzuteilen. Damit mache ich mich nicht über die Geschehnisse lustig, sondern um das bis heute andauernde Medienspektakel, das vermittelt, man MÜSSE betroffen sein.

Bitte versteht mich nicht falsch: mir ist die Schwere absolut bewusst, und auch, dass sie massive Folgen für die gesellschaftliche Wahrnehmung der westlichen Bevölkerung hatte. Aber die wiederkehrende mediale Aufarbeitung, die so sehr darum bettelt, von uns als aufrüttelnd und erschütternd wahrgenommen zu werden, im Grunde aber nichts anderes macht, als mit dem Finger auf Archivaufnahmen zu zeigen, ist eine derartige Gefühlsduselei, dass der Rebell in mir zum Vorschein kommt und provozieren will. Ich bitte letzten Endes die Filmschaffenden der Welt darum, dieses tragische Ereignis nicht als filmisches Stilmittel einzubinden. Das ist nämlich nicht nur genauso geschmacklos wie meine Witze, sondern auch noch viel sinnloser.

Zu guter Letzt noch dieses kurze Video mit Lois Griffin, das es gut auf den Punkt bringt, wie ich mir vorkomme, wenn das Thema in Filmen behandelt wird (ab 1:00 Minuten):

PS: Antiamerikanismus, Rassismus oder sonstige diskriminierende oder politisch fragwürdige Äußerungen in den Kommentaren kann man sich SPAREN!

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