Alain Delon - Eiskalter Engel und Menschenfeind

08.11.2015 - 08:50 UhrVor 8 Jahren aktualisiert
Alain Delon als Der eiskalte Engel
Arthaus
Alain Delon als Der eiskalte Engel
4
32
Heute feiert mit Alain Delon eine französische Schauspiellegende ihren 80. Geburtstag. Wir werfen einen Blick auf die Karriere des eiskalten Engels, die Privatleben und Fiktion so eng miteinander verbindet.

Alain Delon betrachtet rückblickend seine Zeit als 19-Jähriger im Indochina-Krieg als die glücklichste seines Lebens. Durch den Dschungel schreitend und mit einem Gewehr bewaffnet habe er dort die Gesetze des Tötens gelernt und sich wie ein richtiger Mann gefühlt. Eine Aussage zum Stirnrunzeln, aber sie kommt eben von Alain Delon und so richtig verwunderlich ist sie damit dann doch nicht.

Schließlich ist es genau dieses Image, was ihn in den 1960ern schon zu Beginn seiner Karriere zu einem Mythos machte, wenige Jahre nachdem er bei einem Cannes-Besuch einen Filmproduzenten mit seiner Schönheit blendete und sich auf den direkten Weg vor die Kamera machte. Zu diesem Zeitpunkt hatte Delon schon alles, was er für Projekt: Megastar brauchte. Aufrichtige Faszination für Mord, außergewöhnliche Schönheit, Durst nach Blitzlicht und damit einhergehend Virtuosität in der Selbstinszenierung. Mit 22 Jahren hatte er seinen ersten Auftritt in Die Killer lassen bitten von Yves Allégret - als Auftragsmörder, versteht sich.

Diese kleine Nebenrolle hat gereicht, um das Fundament für die Institution Delon zu legen. Das Publikum war verzaubert und angezogen von diesem unterkühlten jungen Mann mit der Schusswaffe. Und es wollte mehr. Die ganz großen Rollen ließen somit nicht lange auf sich warten, René Clément besetzte ihn in Nur die Sonne war Zeuge und kurz darauf folgte unter der Obhut von Luchino Visconti mit Rocco und seine Brüder der endgültige Durchbruch. Die nächsten Jahre verbrachte Delon damit, seinen Ruf zu manifestieren, neben Clément und Visconti vor allem mit der Hilfe von Michelangelo Antonioni in Liebe 1962 und natürlich mit Jean-Pierre Melville in Gangster-Meilensteinen wie Der eiskalte Engel und Vier im roten Kreis.

All diese und weitestgehend alle anderen Rollen auch sind natürlich davon gezeichnet, was Delon letzten Endes so groß gemacht hat, das Etikett, das ihm angeheftet und nie wieder entfernt wurde: Coolness. Coolness in Reinform. Stahlblaue Augen, starrer Blick, eingefrorene Mimik und das meist im Gesicht eines Einzelgängers, der vor allem durch seine Unnahbarkeit auffällt, seiner isolierten Existenz inmitten turbulenter Gesellschaften. Dabei spielt es keine Rolle, ob er nun Auftragskiller oder Liebhaber ist, seine Figuren sind die Verkörperungen von Einsamkeit, ihre Augen sprechen Melancholie und Misanthropie - so oder so ist die Folge ein Leben als Einsiedler, sei es nun tatsächlich ein physischer Zustand wie in Der eiskalte Engel oder ein psychologischer wie beispielsweise in Der Swimmingpool, wo er trotz seiner Nähe zu Romy Schneider und Jane Birkin niemals so wirkt, als kenne er tatsächlich ein anderes Gefühl als das Alleinsein.

Aber da ist mehr. Eine Maschine allein hätte nicht solch einen Einfluss auf ihr Publikum gehabt, wie es Alain Delon tat. Die Quelle seiner Anziehungskraft lag womöglich in den Momenten, in denen genau diese aufwändig erbaute Konstruktion der unüberwindbaren Kühle zu bröckeln drohte. Meist waren das nur bruchstückhafte Momente. Einen Augenblick bevor er den Abzug seines Revolvers betätigt oder während er den Swimming Pool umkreist, in dem Romy Schneider auf dem Wasser treibt. In solchen Szenen könnte man glatt meinen, einen Funken Menschlichkeit oder zumindest einen Funken Abwechslung in der scheinbar einseitigen Emotionswelt der Alain Delonschen Figuren zu erkennen, doch diese Funken verschwinden ebenso schnell wie sie kommen und verwandeln den Schauspieler zurück in seine steinerne Maske, nähren aber gleichzeitig kontinuierlich den Mythos um seine Person selbst.

Bei wenigen Schauspielern ist es so schwierig und irgendwie fast schon unlogisch, Alain Delon die Person und Alain Delon den Schauspieler voneinander zu trennen. Denn in gewisser Weise bekräftigte sein von den Medien aufmerksam dokumentiertes Privatleben seine Leinwandpersönlichkeiten so stark, das es irgendwann schwierig war, überhaupt noch eine Linie zwischen diesen beiden Instanzen zu ziehen. Seine (bi-)sexuellen Abenteuer und die sehr lebhaften und wechselnden Beziehungen zu Frauen machten regelmäßig Schlagzeilen, besonders prominent natürlich sein Verhältnis zu der 1982 verstorbenen Romy Schneider, die er nach eigenen Angaben heute mehr vermisse als alle anderen Personen, mit denen er je gearbeitet hat. In Interviews inszenierte er sich gerne als Melancholiker mit Todessehnsucht, als mit Emotionen beladener Mensch, der seine Gefühle zwanghaft hinter seiner Fassade verstecken muss. Wie viel davon gespielt war, wissen wir nicht, aber das Publikum glaubte ihm und sah umso gebannter auf seine Figuren im Kino.

Den Höhepunkt fanden diese privaten Turbulenzen 1968, als Stevan Markovic, einer der Bodyguards von Alain Delon, zu dem er angeblich ein sexuelles Verhältnis gehabt haben soll, ermordet aufgefunden wurde. Alain Delon zählte sofort zu den Hauptverdächtigen und im Laufe der Ermittlungen wurde auch ein Involvement des damaligen Präsidenten Georges Pompidou nahe gelegt. Die Affäre breitete sich zu einem landesweiten Skandal aus, gelöst wurde der Fall bis heute jedoch nicht. Zu der Zeit versuchte Alain Delon Fuß in Hollywood zu fassen, was ihm aber trotz einiger Anläufe (Millionenraub in San Francisco, Sie fürchten weder Tod noch Teufel, Zwei tolle Kerle in Texas, später Scorpio, der Killer und Airport '80 - Die Concorde) nie so richtig gelang. Die Markovic-Affäre  tat seinem heimischen Erfolgen hingegen natürlich keinen Abbruch, ganz im Gegenteil umgab ihn nun noch stärker der Schleier des Gangsters, den er auf der Leinwand verkörperte.

Mit den 80ern neigten sich seine großen Kinotage allmählich dem Ende zu und Alain Delon trat immer seltener vor die Kamera, 1995 bekam er noch den Ehren-Goldenen Bären in Berlin und beendete sein Karriere schließlich 1999. Ganz hielt er sich nicht an seinen Ruhestand und spielte vereinzelt in einigen Filmen mit - besonders überraschend in der humorvollen Rolle des Julius Cäsar in Asterix bei den Olympischen Spielen - doch im Großen und Ganzen konnte er sich der Öffentlichkeit entziehen. Übrigens: Ende der 90er war auch eine "enthüllende" Biographie über Alain Delon in Planung, die der Schauspieler jedoch gerichtlich unterbinden ließ.

Und heute? 13 Jahre nachdem seine Frau Rosalie van Breemen ihn verlassen hat, lebt Alain Delon mit Hunden und Katzen auf einem Anwesen in der Nähe von Paris. Er sammelt Waffen, ist offener Unterstützer seines langjährigen Freunds Jean-Marie Le Pen und der Front National im Allgemeinen, findet das aktuelle Kino scheiße ("Ich hatte Glück, dass es zu meiner Zeit noch große Künstler gab") und möchte bei sich im Garten begraben werden, auf seinem Haustier-Friedhof, wo sich auch schon die Gräber von 55 seiner Hunde befinden. Dort werde es ihm besser ergehen als unter Menschen, sagt er. Die verachte er nämlich mit zunehmendem Alter immer mehr. Seinen Geburtstag würde er am Liebsten mit seinen Kindern verbringen, aber die hassen ihn. Ein ganz normaler Lebensabend eines eiskalten Engels.

Das könnte dich auch interessieren

Angebote zum Thema

Kommentare

Aktuelle News