Amazon tritt Ärsche - Ein Konzern kennt kein Pardon

14.06.2014 - 08:50 UhrVor 11 Jahren aktualisiert
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Warner Bros./Amazon/moviepilot
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Amazon macht sich zur Zeit viele Freunde. Die Ansage: Wer nicht kooperiert, wird boykottiert. Um die Botschaft zu unterstreichen wird an einigen der populärsten Titeln des Jahres Exempel statuiert. Mit dabei: The Lego Movie und J.K Rowling.

“Alles zu jeder Zeit” so oder so ähnlich lautet das Geschäftsmotto des “Everything Stores” Amazon. Der Kunde soll jedes erdenkliche Produkt bequem von zu Hause aus bestellen können. Ein Geschäftsmodell, das sich auszahlt. Heutzutage lässt sich über den Onlineversandgiganten von Milchtüten bis Melkmaschinen, Breaking Bad Merchandising über Ephedrin-haltige Medikamente bis hin zu rotem Phosphor alles kaufen, was gesetzlich erlaubt und über den Versandweg zustellbar ist.

Zumindest bis vor ein paar Wochen. Seit einiger Zeit lässt Amazon seine Muskeln spielen und unterbindet Vorbestellungen und Verkäufe bestimmter Waren. Allesamt von Zulieferern, die sich weigern, nach den Konditionen des Konzerns zu tanzen. Konditionen, die einzig darauf abzielen, Amazons Marktdominanz und Quasimonopol zu stärken. Ein Aufreger der Woche über ein Konzern, den vom Größenwahn gepackt sich zusehends zum kapitalistischen Schreckgespenst entwickelt.

Don’t mess with Amazon
Vor einigen Wochen wurde bekannt, dass Amazon die Lieferzeiten von Büchern des US-Verlags Hachette gezielt manipuliere. Aktuelle Buchausgaben, die von jedem anderen Onlineshop in 1-2 Tagen ausgeliefert wurden und in jedem Buchladen zu haben waren, wurden von Amazon nur mit erheblichen Verspätungen zugestellt. Später zeigte sich, dass sich der Onlineriese in Deutschland mit dem Verlagskonzern Bonnier eine ähnliche Auseinandersetzung liefert. Amazon verlangt höhere Gebühren als andere Anbieter, setzt gleichzeitig aber Verkäufer unter Druck, die ihre Waren auf anderen Portalen günstiger anbieten und droht mit dem Ende des Verkaufsrechts bei Amazon, wenn nicht trotz der höheren Gebühren der gleiche Endpreis angeboten wird. Was selbstverständlich zu Lasten der ohnehin knapp bemessenen Gewinnmargen der Verlage geht. Verkaufsbehinderung als Druckmittel gegen unkooperative Verlage und Anbieter, auch Erpressung genannt. Wer den Forderungen nicht nachkommt, dessen Bücher werden später ausgeliefert oder erst gar nicht bestellbar angezeigt, obwohl die jeweiligen Titel problemlos vorrätig wären. So kann The Silkworm, der neue Roman von Harry Potter-Autorin Joanne K. Rowling, geschrieben unter dem Pseudonym Robert Galbraith, in den USA nach wie vor nicht vorbestellt werden.

Mit Warner Home Video behindert Amazon nun bereits seit Mitte Mai die Vorbestellungen eines Filmanbieters. Zeitpunkt und Ziel sind sicherlich kein Zufall, hat Warner schließlich mit The Lego Movie einen der beliebtesten und erfolgreichsten Filme des Jahres im Portfolio, der in wenigen Tagen veröffentlicht wird. Aber auch andere Filme wie 300: Rise Of An Empire, Transcendence oder Winter’s Tale sind betroffen und lassen sich zur Zeit auf Amazon.com nicht vorbestellen. Anstelle des berühmten (Vor-) Bestellbuttons bekommt der interessierte Kunde ein nüchternes “Sign up to be notified when this item becomes available” serviert, als würde es sich um eine vergriffene Schallplatte handeln. Ein interessantes kleines Detail ist übrigens, dass Amazons Instant Video Dienst davon nicht betroffen ist, was verdeutlicht, dass der Konzern sich zwar auf das Rasseln von Säbeln versteht, aber gleichzeitig seine jüngeren Geschäftsbereiche, die noch nicht eine marktbeherrschende Stellung inne haben, nicht gefährden möchte. Zumal die Streamingrechte im Gegensatz zu den DVD und Blu-ray Auslieferungen nicht von Warner Home Video sondern direkt von Warner Bros. stammen, ein Medienmogul, mit dem sich der Onlinehändler scheinbar nicht anlegen möchte.

Betrug im ganz großen Stil
Die Leidtragenden? In erster Instanz die armen Kunden, die nicht am Erstverkaufstag ihr neues J.K. Rowling Buch oder ihren Lego-Blockbuster im Briefkasten vorfinden können. Warner und die Großverlage mögen dadurch einige Dollar weniger schnell erreichen als sonst, aber längerfristige Schäden sind nicht zu erwarten. Wen Amazons Gebaren wirklich hart treffen und gar in Existenznöte bringen könnte, sind die kleinen, unabhängigen Verlage und Zulieferer, die bei solchen Machtspielchen am Ende die Verlierer sind. Insbesondere im Segment der E-Books ist Amazon sehr daran interessiert, die Preise zu reduzieren, um sich gegenüber der Konkurrenz einen Vorteil zu verschaffen. Was nach einer guten Sache klingt, könnte über Kurz oder Lang Anbietern das Genick brechen, die die Preisreduktion größtenteils selbst tragen müssen.

Amazon versteht sich jedoch nicht bloß darauf, andere im Preis, sondern auch sich selbst vor der Verantwortung zu drücken. Sei es bei der fairen Bezahlung der eigenen Angestellten und Saisonarbeiter unter vertretbaren Bedingungen oder der Begleichung von Steuerrechnungen. In beiden Fällen steht der Konzern massiv im Verruf unlautere, aber vor dem Gesetz per se nicht verbotene Tricks anzuwenden, um Ausgaben zu drücken. Amazon vermeidet beispielsweise weitgehend inländische Ertragssteuerzahlungen und leitet seine deutschen Unternehmensgewinne ins Niedrigsteuerland Luxemburg um. So gelang es dem Konzern, über zwei Milliarden Dollar steuerfrei anzusparen. Der Bruttogewinn in Deutschland betrug 2012 laut Presseberichten lediglich 10,2 Millionen Euro und die Steuern 3,2 Millionen Euro. Die in Luxemburg angesiedelte Amazon Europe Holding Technologies wies dagegen im gleichen Jahr einen Gewinn von 118 Millionen Euro aus, musste jedoch wegen der Luxemburger Gesetze keine Steuern entrichten. Gewusst wie… (Quelle)

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