Dragqueens sind heutzutage nicht mehr nur Teil der queeren Szene, sondern fast schon ein wenig im Mainstream angekommen. RuPaul's Drag Race hat 17 Staffeln hinter sich, und Netflix bezahlt seit Jahren zwei legendäre Läster-Queens, um über den eigenen Content herzuziehen. Das war natürlich nicht immer so, aber Drag, und insbesondere queere Ballroom-Kultur, hat eine lange und turbulente Tradition.
Jennie Livingstons bahnbrechender Dokumentarfilm Paris brennt wurde über mehrere Jahre in der New Yorker Ballroom-Szene der 80er Jahre gedreht und kam vor genau 35 Jahren heraus. Beste Gelegenheit also, ihn zum Pride Month 2025 vorzustellen, denn dieses wichtige Zeitdokument ist absolutes Pflichtprogramm, wenn man sich für queere Geschichte interessiert. Falls das jetzt nach Hausaufgaben klingt, keine Sorge: Der Film hat nichts von seiner fabulösen Strahlkraft verloren.
Die queere Ballroom-Doku Paris brennt ist auch heute noch wichtig und brillant wie eh und je
New York City in den 80er Jahren war nicht gerade das sicherste Pflaster für LGBTQ-Personen. Insbesondere, wenn man gleichzeitig eine Person of Color war. Kriminalität, Armut, Drogen und Homophobie waren allgegenwärtig und die US-Regierung ignorierte zudem die verheerende AIDS-Krise, wodurch viele Menschen frühzeitig ihr Leben verloren. Aber auch in diesen schwierigen Zeiten fanden jene am äußersten Rand der Marginalisierung Gemeinschaft, Zusammenhalt und einen Funken fulminanter Freude.
Paris brennt folgt mehreren Mitgliedern der Ballroom-Szene aus verschiedenen Häusern, wie die gefunden Familienkonstellationen in Harlem genannt werden. Wir erfahren einiges über ihre Ambitionen und Träume, die sie zum Teil durch die theatralischen Walkway-Auftritte zum Ausdruck bringen, und ihr eigentliches Leben – oft in Armut. Viele von ihnen schillernde Persönlichkeiten mit großer Tragik im Gepäck und einer unbeugsamen Lebenslust aller widrigen Umstände zum trotz.
Die Szene spaltete sich ursprünglich von Drag-Competitions ab, die größtenteils weiß besetzt waren und wie klassische Schönheitswettbewerbe funktionierten. Die Ballrooms der afroamerikanischen und lateinamerikanischen Community wollten anders sein. Hier gab es nicht nur Kategorien für Dragqueens und trans Frauen, die besonders trefflich als schöne Cis-Frauen durchgingen. Hier konnte jede:r dabei sein und in einer Vielzahl an Unterkategorien teilnehmen. Selbstverwirklichung und Gemeinschaft standen dabei mehr im Vordergrund als die eigentlichen Preise.
Mit wundervollen Bildern von NYC in den 80ern erzählt Livingstons intimer Dokumentarfilm ganz nah dran an seinen Subjekten von der damaligen Zeit und dem existenzialistischen Struggle. Zwar wurde in der Zwischenzeit auch etwas Kritik am Film laut (unter anderem aus der Szene selbst), es ist aber kaum von der Hand zu weisen, wie brillant, wichtig und ikonisch Paris brennt auch heute noch ist. In einem Moment bekommt man einen Satz serviert, den man bis an sein Lebensende zitieren wird, und einen Moment später schockiert einen der Tod einer eben noch in der Doku sprechenden Person bis ins Mark.
Eines steht jedenfalls fest: Inspirierende Persönlichkeiten wie Venus Xtravaganza, Dorian Corey, Willi Ninja oder Pepper LaBeija sind durch diesen Film für immer unsterblich geworden.
Die Prestigeserie Pose auf Disney+ wurde von Paris brennt inspiriert
Falls euch diese Beschreibung von Paris brennt und der New Yorker Ballroom-Szene bekannt vorkommt, habt ihr vielleicht schon die fantastische FX-Serie Pose gesehen, die damals beim deutschen Netflix streamte und heute auf Disney+ zu finden ist.
In diesem Prestigeserienprojekt von Ryan Murphy, Steven Canals und Brad Falchuk wird drei Staffeln lang aus einer fiktionalisierten Version der Ballroom-Szene erzählt. Dabei greifen mehrere Plotpunkte wahre Begebenheiten auf. Wie etwa Madonna mit ihrem Hit Vogue das aus der Szene stammende Voguen popularisierte, wie viele der Queens finanziell haderten und sogar obdachlos waren, und natürlich wie HIV und AIDS für Angst sorgten. Und falls ihr glaubt, die abenteuerliche Storyline mit der Leiche im Koffer sei weit hergeholt gewesen: Auch das basiert auf einer echten Harlem-Story.
Hauptdarstellerin Michaela Jaé Rodriguez wurde durch Pose sogar zur ersten trans Frau, die je für einen Emmy als beste Hauptdarstellerin nominiert war. Ihr Kollege Billy Porter gewann den Preis sogar als erster schwuler Schwarzer Mann in der Kategorie bester Hauptdarsteller in einer Dramaserie. Weiterer Beleg dafür, wie der Einfluss von Paris brennt noch immer für historische LGBTQ-Meilensteine sorgt.
Wo kann man Paris is Burning heute streamen?
Den denkwürdigen Dokumentarfilm Paris is Burning aka Paris brennt findet ihr derzeit im permanenten Streaming-Angebot von MUBI. Und niemals vergessen: "Wenn du einen Pfeil abschießt und er richtig hoch fliegt, hurra für dich." Happy Pride!